Wir veröffentlichen die Zuschrift eines Lesers aus Bremen, der sich zu dem neuen Vorhaben der Bremer Innenbehörde äußert, mit dem rund um den Hauptbahnhof für Ordnung gesorgt werden soll.


Seit einigen Jahren komme ich Tag für Tag auf meinem Weg zur Arbeit am Bremer Hauptbahnhof vorbei. Rund um die Uhr – auch schon am frühen Morgen – ist viel los am Hauptbahnhof und damit meine ich nicht all die Leute, die dort Ein-, Aus- oder Umsteigen. Ich spreche von all den Drogensüchtigen, den Suff-Nazis, den Bettlern und Obdachlosen, die überall – auf dem Vorplatz, auf der Wiese vorm Museum und an den Tram-Haltestellen zu finden sind. Mal mehr, mal weniger offensiv wird jedermann, der vorbeikommt, angesprochen und nach Geld oder sonst was gefragt. Dazu diejenigen, die mit dem Elendsschauspiel ihr Geld verdienen. Die unzähligen Drogendealer, die am Fuße des Siemenshochhauses oder vor den Ladenzeilen Richtung Innenstadt herumstehen und ihr Gift an den Mann bringen. Kurz gesagt ist der Hauptbahnhof kein Ort, an dem man sich gern aufhält und wenn man nicht muss auch nicht tut.

Vor etwa einer Woche hab ich dann in der Zeitung gelesen, dass der Innensenator nun gegen die Situation am Hauptbahnhof vorgehen will. Wie es scheint, soll aufgeräumt werden – schon wieder. Etwa im Zweijahrestakt schallt es aus der Innenbehörde in Zusammenhang mit der unsäglichen Lage am Hauptbahnhof. Beim letzten Mal haben sie ihre super Hightech-Kameras aufgestellt, die auch den dunkelsten Winkel rund um den Hauptbahnhof in höchster Auflösung durchleuchten. Gebracht hat der teure Spaß aber genau gar nichts. Es ist nur noch schlimmer geworden seit dem, ganz abgesehen davon, dass man auf Schritt und Tritt von den Kameras verfolgt wird. Mit der Installation der Kameras vermehrten sich auch die Bullen rund um den Hauptbahnhof wie die Karnickel. Wenn jemand noch präsenter ist als die Drogensüchtigen, dann sind das die Bullen. Sie stehen immer da, mit drei Mannschaftswagen an ihren Stammplätzen, die Fußtruppen patrouillieren an den Haltestellen und der Einsatzleiterwagen fährt auf und ab. Dazu noch das Ordnungsamt, das in den letzten zwei Jahren vor allem sportliche junge Männer eingestellt hat, die mit dem Klischee des übergewichtigen Ordnungsamtsbeamten, der durch die Stadt schlendert und Falschparker aufschreibt, nur noch wenig zu tun haben. Nicht zu vergessen sind auch die Leute von Kötter-Security und die gefühlt fünf anderen privaten Sicherheitsfirmen, die mit ihren breitschultrigen Hilfsbullen ihre Runden drehen. Doch nur wenn einer mal richtig über die Stränge schlägt, kümmern sich die „Ordnungshüter“ darum. Ansonsten besteht offenbar größeres Interesse daran, Jugendliche mit schwarzen Haaren zu kontrollieren als den Drogensüchtigen auf den Sack zu gehen. Viel mehr hat sich mit der Zeit eine scheinbar gut gepflegte Freundschaft zwischen Bullen und Hilfsbullen auf der einen Seite und besonders den Suff-Nazis, die am Regionalbus Bahnhof herumlungern, auf der anderen Seite gebildet. Man grüßt sich nett, gibt sich die Hand und ein kleiner Klönschnack ist auch immer drin. Solang die Suff-Nazis Bericht machen was so los ist, steht der Burgfrieden mit den Bullen.

Wie gesagt hat die Landesregierung jetzt einen neuen Plan, um gegen das Problem am Hauptbahnhof vorzugehen. Neben den beiden längst überfälligen Pissoirs, die am Bahnhofsplatz aufgestellt wurden, besagt der Plan aber in der Hauptsache „Noch mehr Polizei“. Dabei sollte man meinen noch mehr Polizei geht doch kaum. Noch mehr Bullen also, die Migranten schikanieren und Präsenz zeigen können. Es ist immer dasselbe: Es kommen mehr Bullen, die vieles machen, aber nicht das, was gesagt wird. Das Problem besteht weiter und weiter und dann ist der Aufschrei im Senat wieder groß und das ganze Spiel geht wieder von vorne los. So können sie mehr Polizei auf die Straßen schicken, die uns dann überwachen können, immer rechtfertigen. Das kennen wir schon hier in Bremen, das brauchen wir nicht nochmal auszuprobieren. Ich erinnere mich noch an eine TV-Reportage, in der ein Sozialarbeiter von der Suchthilfe interviewt wurde. Sogar der hat gesagt, dass das mit der ganzen Polizei nichts bringt, auch wenn er sich mit seinem idealistischen Bild und seinen Ambitionen, die Drogenabhängigen von der Straße zu holen, auf dem Holz weg befindet.

Wenn man mich fragt, hab ich das ganze Gerede von der Landesregierung allmählich satt. Die schlimme Situation am Bahnhof wird nur als Vorwand genutzt und das Problem bleibt weiter bestehen. Es besteht überhaupt nicht der Wille das Problem zu lösen, wie könnte man sonst in ein paar Jahren wieder mehr Polizei am Bahnhof rechtfertigen. Stattdessen werden die Leute, die Arbeiter und Jugendlichen schikaniert und alle gewöhnen sich an das Bild, das die Bullen hinterlassen. Das ist der Zweck weder die Situation der Drogenabhängigen und Obdachlosen zu verbessern, noch so etwas wie einen schönen Hauptbahnhof zu schaffen.