Zur Zeit laufen mindestens fünf Sammelklagen in verschiedenen Provinzen Kanadas gegen sowohl Mediziner als auch die kanadische Regierung aufgrund der Zwangssterilisation indigener Frauen. Ähnlich wie in den USA wuchs auch in Kanada Anfang des 20. Jahrhunderts die „Eugeniker“-Bewegung an, die offen erklärte, die indigene Bevölkerung mittels Unfruchtbarkeitsmachung zu „kontrollieren“.

Die Provinzen Alberta und British Columbia betrieben im 20. Jahrhundert von der Eugeniker-Bewegung initiierte Sterilisationsprogramme, die zusammen mit dem „Indian Act“ – ein rassistisches und bis heute geltendes Gesetz, dass den Indigenen, den „First Nations“, deutlich weniger Rechte einräumt als den „Weißen“ und für sie Reservate vorsieht – die Entwicklung der indigenen Bevölkerung unterdrücken sollten. Von den 1960ern bis in die 1980er fiel die Geburtenrate der Indigenen in Kanada von 47 auf 28 Prozent. In den 70ern begann die Abschaffung der Eugenik-Gesetze, doch die zunehmenden Klagen und Untersuchungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass für den kanadischen Imperialismus Zwangssterilisationen weiter ein gängiges Mittel sind, ethnische Säuberungen gegenüber den knapp fünf Prozent der Gesamtbevölkerung Kanadas ausmachenden Indigenen vorzunehmen. Laut der bürgerlichen Politikerin Yvonne Boyer hat es seit den 1970ern in Kanada mindestens 12.000 Fälle von Zwangssterilisationen – oft waren die Frauen über lange Zeit danach darüber unwissend – gegeben: „Im Norden waren wir beispielsweise noch nicht. Wir wissen: 26 Prozent der Frauen in Igloolik wurden sterilisiert. Sie brachten sie mit Schiffen in den Süden, machten Massensterilisationen und brachten sie zurück.“ Boyer ist nicht die einzige bürgerliche Politikerin, die das Thema für ihre Zwecke aufgreift – selbst der Senat hat, zumindest, nachdem der UN-Ausschuss gegen Folter 2018 gegenüber der kanadischen Regierung Besorgnis ausdrückte und Untersuchungen forderte, indirekt das Ende der Zwangssterilisationen – doch die Verbrechen gegen die indigenen Frauen finden weiter statt, und der Staat verdeckt diese bewusst oder tut allerlei, sie nicht an die Öffentlichkeit zu lassen. So sind Zwangssterilisationen weiterhin kein Tatbestand im Strafgesetzbuch. Im vergangenen Mai wurde zum allerersten Mal überhaupt in Kanada ein Arzt für die ungewollte Sterilisation einer Frau „bestraft“: 2019 hatte er einer indigenen Inuit-Frau mit Unterleibsschmerzen beide statt, wie schriftlich vereinbart, einen Eileiter entfernt – wobei er sich über Einwände des medizinischen Fachpersonals hinwegsetzte: Seine Strafe: Lediglich fünf Monate Verlust seiner Lizenz für einen „schwerwiegenden chirurgischen Fehler“und „unethisches Vorgehen“. In einem anderen Beispiel wurde 2001 eine Frau direkt nach der Geburt eines gesunden Kindes gegen ihren Willen erneut in Anästhesie gebracht, von Pflegepersonal und gegen ihren Willen und den ihres Mannes unfruchtbar gemacht.

 

Bild: May Sarah Cardinal, die 1977 nach der Geburt ihres zweiten Kindes zwangssterilisiert wurde, vor dem Gerichtsgebäude in Edmonton (Quelle: APNews.com)