Am vergangenen Freitag versammelten sich in der Essener Innenstadt über 3000 Menschen unter dem Aufruf für ein Ende des Völkermords im Gazastreifen einzustehen, der gerade vom israelischen Staat verübt wird. Inzwischen hat es diese Demonstration in alle Schlagzeilen bundesweit nennenswerter bürgerlicher Medien geschafft und zahlreiche Landes- und Bundespolitiker der bürgerlichen Parteien mussten sich zu dieser Demonstration äußern.

Der Grund für diesen Trubel ist das es sich bei dieser Demonstration laut bürgerlichen Medienangaben um eine sogenannte „islamistische“ Demonstration gehandelt haben soll. Und in der Tat haben uns Aktivisten des Roten Bundes, welche nicht an der Demonstration teilgenommen, diese aber beobachtet haben, bestätigt das es sich bei dieser Demonstration um eine Versammlung von fundamentalistischen und erzreaktionären Muslimen gehandelt hat. So sollen in der Sammelphase der Demonstration die Zusammensetzung der Demonstrationsteilnehmer durchaus noch gemischt gewesen sein. Darunter viele migrantische Studierende der nahen Universität Duisburg-Essen, welche sich schon in den vergangenen Wochen gegen den Willen der Universitätsleitung solidarisch mit dem Kampf des palästinensischen Volkes gezeigt haben. Als dann aber der Lautsprecherwagen aufgebaut wurde und die ersten Fahnen und Durchsagen kamen, wurde jedoch sehr schnell klar was für einen Charakter die Demonstration in Wirklichkeit haben wird.

Formal von einer Einzelperson angemeldet handelte es sich um eine Demonstration von religiös-fundamentalistischen Gruppierungen, welche sich in keiner Weise wirklich solidarisch oder unterstützend mit dem Kampf um nationale Befreiung des palästinensischen Volkes gezeigt hat. Im Gegenteil, ganz nach dem Kredo des fundamentalistischen, salafistischen Islams waren palästinensische Flaggen unter der Argumentation gegen Nationalismus zu sein, sogar explizit vom Veranstalter verboten. Stattdessen wehten mehrere Fahnen, auf denen das islamische Glaubensbekenntnis auf schwarzen oder weißen Hintergrund zu sehen war und die genauso wie auf Schildern die „Ummah“ also die Weltgemeinschaft der Muslime mobilisieren solltefür ein weltweites Kalifat zu kämpfen. Eine Symbolik und Rhetorik die in der Tat an die reaktionären Schlächter des islamischen Staates oder von Al-Qaida erinnert. So verließen viele fortschrittliche Menschen die ehrlich an der Unterstützung der Befreiung Palästinas interessiert waren vorschnell die Demonstration.

Und tatsächlich hatte diese Demonstration ideologisch wie politisch sehr viel mehr gemeinsam mit diesen Schlächter-Banden als mit Bewegungen der nationalen Befreiungsbewegung. So ist es trotz der Lügen mancher bürgerlicher Medienkeine Demonstration der Hamas oder anderer Kräfte des nationalen Widerstandes in Palästina gewesen. Im Gegenteil es wurden von manchen Mitgliedern salafistischer Organisationen sogar Parolen gegen die im Libanon ansässige und sich auch dieser Tage im Kampf gegen Israel befindende Hisbollah gerufen, weil es sich bei dieser Organisation um eine schiitischeBewegung handelt und es sich bei den Salafisten um eine sunnitische Bewegung handelt. Die Hisbollah ist im Übrigen mit der Hamas und anderen Kräften des nationalen Widerstandes in Palästina eng verbündet. Dieses religiöse Sektierertum zeigt dann auch sehr präzise die ideologisch-politische Grundlage dieser salafistischen Gruppierungen auf. Sie stehen nicht auf der Grundlage des nationalen Befreiungskampfes, der zum Ziel hat die Imperialisten, Besatzer und Siedler aus ihrem Land herauszuschmeißen und die Nation zu befreien. Sondern gehen einzig und allein von dem Anspruch aus ihre Religion und die Gesetze dieser Religion, welche sie daraus interpretieren mit einem weltumfassenden Krieg den Rest der Welt aufzuzwingen. Dabei spielen diese Kräfte mit antiimperialistischer Demagogie und verurteilen in Worten vor allem die Imperialisten in der westlichen Hemisphäre und den Tod von Muslimen durch imperialistische Kriege. Ihre Antwort, die auf zahlreichen Schildern zu sehen war lautet „Das Kalifat ist die Lösung!“. Auch in mehreren arabischen Parolen wurde für die Eroberung der Welt durch den Islam aufgerufen. Wie das Kalifat dann als feudale Lösung für die Probleme des Imperialismus aussieht, konnte man vor Ort u.a. dann auch darin beobachten wie Ordner, teilweise ziemlich aggressiv, ein mit Seilen befestigtes Hohlrohr benutzten um Frauen vom Rest der Demonstration abzutrennen und mit einer Lücke von mehreren Metern hinter den Demonstrationsteil der Männern laufen zu lassen.

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Ordner zwingen Frauen in einem eigenen Block hinter den Männern zu laufen.Bild von Essen stellt sich Quer: https://essq.de/index.php/2023/11/04/islamistische-demonstration-in-essen/

Der Unterschied zum Kampf in Palästina ist, dass es dort verschiedene Organisationen gibt die im Kampf fürnationale Befreiung beteiligt sind, manche sind sehr religiös und konservativ, andere sind säkular, aber ihre gemeinsame Grundlage ist das Ziel der Rückeroberung des palästinensischen Landes vom israelischen Zionismus und nicht das Weltkalifat.

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Bild ebenfalls von Essen stellt sich quer.

Ein anderer interessanter Aspekt an der Demonstration war die Rolle der Polizei. Waren zu Anfang der Kundgebungsort und die Seitenstraßen von Polizeiwagen und Hundertschaften eingekesselt, gab es, als der Charakter der Demonstration sich immer offenbarte und klar wurde, dass dies keine Demonstration in Unterstützung des palästinensischen Volkes ist, nicht einmal eine Seitenbegleitung durch die Polizeikräfte. Einzig allein vor der Straße welche zur Synagoge in der Essener Innenstadt führte positionierten sich Hundertschaften und Mannschaftswagen als Blockade. Demonstrationen welche wirklich unter Massenbeteiligung die Befreiung des palästinensischen Volkes unterstützen werden bundesweit verboten und mit Repressionen überzogen. Eine Demonstration welche mehrheitlich aus 3000 Religiösen Fanatikern besteht wird ohne polizeiliche Begleitung laufen gelassen.

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Bild von der Rheinischen Post: https://rp-online.de/nrw/panorama/islamisten-demo-in-essen-reul-verteidigt-polizeieinsatz_aid-101159015

Im Nachhinein ist die Empörung in der öffentlichen Debatte hervorsehbar groß. Die Bilder, die von der Demonstration erzeugt und vom Innenministerium in Nordrhein-Westfalen zugelassen wurden, werden nun genutzt um ein weiteres Mal die Verschärfung des Grundrechts auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu forcern.Serap Güler, Mitglied im Bundesvorstand der CDU fordert offen „Nach diesen Ausrufen, nach diesen Plakaten müssen wir über eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit, also eines Grundrechtes, nachdenken". Der WDR ordnet Güler dann noch ein und erzählt das sie selber Muslima ist und bis zum Jahr 2021 im Staatssekretärin für Integration war. Innenminister Herbert Reul hat einen leicht anderen Ansatz. Er will lvoerst keine direkten Gesetzesverschärfungen, sondern alles durch seine Polizei durch bestimmen lassen. So denkt er laut darüber nach in Zukunft Plakate und Schilder einfacher per Auflagen von der Polizei vor Ort verbieten zu lassen. Zusätzlich will er prüfen lassen, ob die Polizei in NRW zukünftig Deutsch als Versammlungssprache durchsetzen lassen könne. Auch soll weiter daraufhin gearbeitet werden Parolen zu verbieten und die Größe und von Fahnen und Banner noch weiter zu beschränken. Das Reul hier den Weg nicht über Gesetzesverschärfungen, sondern über die Polizei selber gehen will, ermöglicht Demonstranten in NRW zukünftig eventuell noch weniger Rechtssicherheit, weil dann die gesetzlichen Grundlagen nicht mehr das erste Mittel sind auf das man sich berufen könnte, sondern die Demonstrationslagen schlicht und einfach vom Befehl der Polizei abhängt. Ganz ausschließen will aber auch Reul Gesetzesverschärfungen nicht und kündigte für die Zukunft an, dass das schon in den Vorjahren verschärfte Versammlungsgesetz in NRW weiter modifiziert werden könnte. Zu den Kritiken, warum die Demonstration nicht durch die Polizei aufgelöst wurde, sagte er das für die Zukunft auch die Devise Schnelle rechtliche Bewertung treffen, konsequent eingreifen“. Also auch hier heißt es in Zukunft das die Polizei in NRW mehr vor Ort politisch entscheiden soll ob und wie sie Demonstrationen zulässt.

Wie bei anderen Verboten und Verbotsandrohungen von reaktionären Versammlungen bestätigt es sich immer wieder das sie am Ende vor allem gegen revolutionäre und fortschrittliche Kräfte benutzt werden, wie wir es auch am Beispiel der Einschränkung des Versammlungsgeschehens während der Corona-Pandemie gesehen haben, die sich jetzt u.a. in den starken Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit zur Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes des palästinensischen Volkes ausdrücken. Dieses Mal wird in NRW das gleiche mit der Demonstration der religiösen Fundamentalisten versucht. Deswegen ist es wichtig sich nicht davon blenden zu lassen, dass sich diese Verbote gegen Reaktionäre richten sollen. Gerade in NRW kann die Ausweitung der Macht in den Händen der Exekutive und vor allem der Polizei beispielsweise auch eins zu eins gegen Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus umgesetzt werden. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind Rechte des Volkes und müssen dementsprechend verteidigt werden.


 Titelbild aus der Rheinischen Post: https://rp-online.de/nrw/panorama/islamisten-demo-in-essen-reul-verteidigt-polizeieinsatz_aid-101159015