Bei der Hamburger Feuerwehr gingen am Montag, den 30. Oktober, ab 9.09 Uhr morgens mehrere Notrufe ein, Kliniken bereiteten sich auf Massen an Verletzten vor. Doch als die rund 150 Retter der Feuerwehr in der HafenCity eintrafen, kam ihre Hilfe für mehrere Arbeiter auf der Baustelle des Westfield-Einkaufsviertels im Überseequartier zu spät.

Ein Gerüst in einem Fahrstuhlschacht war vom achten Stockwerk abgestürzt und begrub fünf Menschen unter sich. Nur einen dieser Arbeiter konnte die Feuerwehr noch lebend bergen. Gab es zunächst noch Hoffnung, weil berichtet wurde dieser sei im Krankenhaus stabilisiert worden, trotzdem starb der Mann nach tagelangem Todeskampf an seinen Verletzungen.

Ein Feuerwehrsprecher sprach auch von einem "Riesen-Mikado" an Trümmern am Unfallort. Doch war diese eine gehörige Untertreibung dafür, in welcher Gefahr die Feuerwehrleute arbeiteten. Sie sahen die leblosen Körper der Arbeiter zwischen den Trümmern, drohten aber selbst von weiteren losen Gerüstteilen erschlagen zu werden, wenn sie sich näherten.

Erst nach eineinhalb Tagen konnte der fünfte Tote geborgen werden. Mit Holzpfeilern und Spanplatten hatten die Feuerwehrleute mehrere sichere Ebenen geschaffen um in demSchlachtfeld vorrücken zu können. So konnten sie schließlich den letzten verschütteten Leichnam am frühen Dienstagabend bergen. Nach bisherigen Angaben handelt es sich bei den Opfern um Arbeiter aus Süd- und Osteuropa, Albanien und/oder Bulgarien. Das die Identitäten bislang nicht vollständig geklärt werden konnte spricht Bände. Eine endlose und undurchsichtige Liste von Sub-, Sub-Sub- usw. usf. Unternehmen verhüllt mehr schlecht als recht die miesen Arbeitsbedingungen und Schwarzarbeit auf solche Prestige-Baustellen und jeder weiß es. Betroffen davon sind vor allem Arbeiter aus dem Süden und Osten Europas.

Auf der Baustelle in der Hafencity arbeiteten regulär etwa 1400 Arbeiter, am Tag des Unfalls, dem Brückentag vor dem Reformationstag, waren es aber nur gut die Hälfte. Andernfalls wären sicherlich mehr Tote zu beklagen gewesen.

Die Hafencity insgesamt gilt als Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsvorhaben. Es ist Prestigeobjekt der Stadt Hamburg. Für die meisten Menschen der Stadt ist das Viertel jedoch nicht gedacht – nur die „Reichen und Schönen“ können sich dort eine Wohnung leisten, einkaufen gehen oder die Kulturangebote wahrnehmen.

Auf den Baustellen in der Hafencity hat es bereits mehrfach schwere Unfälle gegeben. Zuletzt am 2. September, damals waren vier Arbeiter bei einem ähnlichen Unfall an einer Baustelle an den Hamburger Elbbrücken teils lebensbedrohlich verletzt worden.

Immer wieder stürzen Bau- oder Gerüstteile in die Tiefe und verletzen Menschen, weil entweder billiges Material verwendet wird oder weil Sicherheitsvorschriften umgangen werden. Es wird also billigend in Kauf genommen, dass Arbeiter auf den Baustellen des Luxusquartiers sterben. Das kann nicht anders benannt werden als Mord.

Tragisch ist es und tragisch ist es auch wie sich die Gewerkschaftsführung positioniert. Anstatt zu fordern, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, dass Bauherr, Bauleitung oder SiGeKo auch finanziell in Regress genommen, lässt die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) den virtuellen Klingelbeutel umgehen. „Jede noch so kleine Spende zählt", wird der Leiter der IG BAU Nord, André Grundmann, zitiert. Dass es ganz andere Leute sind, die zur Kasse gebeten werden sollten, dass so ein Unfall künftig unbedingt verhindert werden muss, das kommt dem Gewerkschaftsbonzen jedoch nicht in den Sinn. Wenig verwunderlich bei der auch als Anscheißer-Gewerkschaft bekannten IG BAU, die erst im Januar diesen Jahres mehr Maßnahmen gegen Schwarzarbeiter forderte.