In den letzten Monaten hat der Staat mehrere Initiativen in nordafrikanischen Ländern vorangebracht, die den Import von „grünem“ Wasserstoff nach Deutschland beinhalten.

Die Nationale Wasserstoffstrategie setzt entsprechend den Plänen der „Nationalen Industriestrategie 2030“ und der „Energieunabhängigkeit“ eine Eichmarke für die Entwicklung einer H2-Infrastruktur für den Beginn des kommenden Jahrzehnts. Wasserstoff hat eine drei mal so hohe Energiedichte wie Benzin oder Kerosin und ist somit als Antriebsstoff, reiner Brennstoff in der Industrie oder z.B. auch als Heizmittel nutzbar. Als „grün“ wird Wasserstoff bezeichnet, dessen für seine Produktion notwendiger Strom laut Vertrag nicht durch Verbrennung fossiler Energieträger gewonnen wurde.

Anfang Juli hat Deutschland seinen ersten Vertrag zum Import von „grünen“ Ammoniak abgeschlossen – per Schiff sollen zwischen 2027 und 2032 über 259.000 Tonnen aus Ägypten angeliefert werden. Da die Speichermöglichkeiten von Wasserstoff noch unterentwickelt sind, liefert man Ammoniak nach Deutschland und spaltet erst dort den Wasserstoff ab. Damit der Ammoniak „grün“ ist, wird er mit Strom aus extra neu gebauten Wind- und Solarkraftanlagen hergestellt. Der Benban Solar Park, das viertgrößte Solarkraftwerk der Welt, untersteht dem deutschen Finanzkapital (der Bau wurde zu 85 Prozent von der Bayerischen Landesbank finanziert und von der Berliner Firma IB Vogt geleitet). Der Ammoniak-Import ist dabei mehr eine Übergangslösung. Das nächste arabische Land am Mittelmeer, auf das Deutschland schielt, ist Algerien. Algerien ist Stand jetzt der zweitgrößte Gaslieferant der EU, und bei einem Besuch von Wirtschaftsminister Habeck mit zahlreichen hochrangigen Wirtschaftsvertretern im Februar zeigten die Landesverkäufer sich interessiert, den deutschen Imperialismus zukünftig auch mit eigens produzierten Wasserstoff zu beliefern, den das algerische Volk eigentlich genau so gut gebrauchen könnte. Dafür wurde in Algier eine Absichtserklärung unterzeichnet, die die Umrüstung von einer bestehenden Erdgas-Pipeline für Wasserstoff (30 Prozent müssen umgebaut werden dafür) vorsieht. Die Pipeline geht von Algerien über Tunesien durch Italien und Österreich bis nach Ingolstadt und soll bis 2040 zehn Prozent des EU-Bedarfs an Wasserstoff (!) liefern. Dafür wurde von der BRD im Mai nun ebenfalls eine Absichtserklärung mit Italien und Österreich unterzeichnet.

Pipeline Algerien

Quelle: euractiv.de. Die Bildunterschrift des Autors des Artikels: "Während Fortschritte bei einer europäischen Wasserstoffpipeline, die spanische Elektrolyseure mit deutschen Industriezentren verbinden soll, von Paris blockiert werden, blickt Berlin auf andere Teile des ehemaligen französischen Weltreichs."

Im Falle der Pipeline kann dann der Wasserstoff, da er nicht gespeichert werden muss, direkt in Algerien produziert und nach Europa gepumpt werden. Aber auch hier werden sich die umweltbewussten Imperialisten mit Sicherheit wieder darum kümmern, dass er „grün“ ist und vor Ort insbesondere Solarkraftwerke bauen. Warum? Natürlich spielt der hohe Sonnenlichtertrag in der Sahara eine Rolle. Zudem kriegt der deutsche Imperialismus hier die Freiheit, zu bauen, wo er will – im Gegensatz zum eigenen Land, wo es Tausend Vorschriften von Abständen zum nächsten Dorf etc. und weniger unbebauten Boden gibt. Aber auch, weil es, genau wie in Ägypten, ein profitables Geschäft ist und der bürokratische Kapitalismus entwickelt wird. Das selbe gilt auch für Marokko, welches in Frage der Solarenergie ein Vorreiter ist und 2016 den damals größten Solarpark der Welt eröffnete – 834 Millionen der geplanten 2,2 Milliarden Euro Gesamtkosten trug die imperialistische deutsche Verbrecherbank „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) dazu bei. Selbige will den Bau einer großen Wasserstoffanlage in Marokko, die ab 2025 im vollen Dienste des deutschen Imperialismus den ersten „grünen Wasserstoff“ auf dem afrikanischen Kontinent erzeugen soll, mit 300 Millionen Euro „unterstützen“. 700 Millionen investiert die KfW in die marokkanische Wasserwirtschaft insgesamt. Der deutsche Imperialismus entwickelt den bürokratischen Imperialismus in den unterdrückten Nationen, während er die notwendigen Maßnahmen für die Garantie seiner Pläne für die Entwicklung seiner Industrie und seiner „Energieunabhängigkeit“ erfüllt. Nordafrikanische Arbeiter und Bauern können sich zunehmend entscheiden, ob sie von deutschem Kapital beim Bau von Solarparks, in Elektrolyse- oder Entsalzungsanlagen in ihrer Heimat, oder unter etwas besseren Bedingungen als Teil des deutschen Proletariats in Europa ausgebeutet werden wollen, was den Anteil und das Gewicht der Araber unter den tiefsten und breitesten Massen in den imperialistischen Ländern Europas weiter erhöhen wird. Arbeiter in Nordafrika und „Fachkräfte“ in der BRD – der deutsche Imperialismus braucht beides, und um dieses zynische Spiel zu ermöglichen, hat sich letztes Jahr besonders ein anderes nordafrikanisches Land hervorgetan. Tunesien hat vor einem Jahr mit der EU eine Absichtserklärung zur stärkeren Bekämpfung von Schleppern und Entgegennahme von Deportationen aus Europa unterzeichnet (und selber schwarze Migranten, die einer furchbaren chauvinistischen Hetze ausgesetzt sind, innerhalb des eigenen Landes deportiert und in der Wüste ausgesetzt, z.B. unmittelbar vor der Unterzeichnung der Absichtserklärung). Gleichzeitig wird darüber diskutiert, Migranten für Asylverfahren zu deportieren, gar nicht mal so weit weg von den Plänen des „AfD-Geheimstreffens“ und noch weniger von Sunaks Ruanda-Vorhaben – das Innenministerium hat sogar eine Abteilung der Universität Bielefeld mit eine Prüfung zur Machbarkeit und Umsetzung von „Asylverfahren in Drittstaaten“ beauftragt, wo explizit Tunesien genannt wird. Im gleichen Zuge bauen Abteilungen der Bundesagentur für Arbeit und Ähnliche immer mehr Stellen im Ausland für „Fachkräfteanwerbung“ auf, was im Falle der „Auslagerung von Asylverfahren“ nach Nordafrika mit einhergehen und kombiniert werden würde. So könnten sie noch, bevor jemand ins Land kommt, entscheiden, ob sie ihn wollen oder nicht, ob man aus ihm genug Profit schlagen kann oder er eher ein politisches Problem darstellt.

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Kein Sciene-Fiction und kein Herr der Ringe: Der Solarpark Ouarzazate in Marokko (links; Mitte: Anlage III mit Heliostaten, die das Sonnenlicht auf den Solarturm als Zentrum der Anlage zurückwerfen), imperialistisches Finanzkapital. Rechts sieht man die ehemalige Bundesumweltministerin Hendricks 2016 beim Besuch der Anlage. (Quellen: energiezukunft.eu, kfw.de, wetter.de)

Die Erkenntnis aus der Nationalen Wasserstoffstrategie, dass „dem Wasserstoff die Zukunft gehört“, kommt aus technischer Sicht reichlich spät. Erst nachdem die Forschung und Entwicklung an Wasserstoffantrieben, Speicherung und effektiveren Elektrolyseverfahren ganz besonders durch die großen Industriemonopole jahrzehntelang blockiert wurde, ist es das staatliche Monopol, das diese Entwicklung nun voranbringt. Aber das erst zu einem Zeitpunkt, wo der deutsche Imperialismus seine Pläne, wieder eine Supermacht zu werden, was nur durch eine Umverteilung durch Krieg erreicht werden kann, formuliert, und mit der „Zeitenwende“ sich verstärkt auf den imperialistischen Krieg vorbereitet. Was wieder zeigt, dass es dem deutschen Imperialismus im Wesentlichen nicht darum geht, das Wasserstoff klimaneutral ist, sondern dass er, im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen, im eigenen Land erzeugt werden kann. Deutschland muss sich und seine „kritische Infrastruktur“ im Kriegsfall selbst versorgen können, Basis ist die nicht-fossile Stromerzeugung, besonders durch Zehntausende dezentrale, d.h. als ganzes schwer angreifbare Windkraftwerke, und führend dafür ist die Etablierung von Wasserstoff als universellem mobilen Energieträger (nicht nur in seiner eigentlichen Verwendung, sondern auch, um die unbeständige Stromproduktion durch die „erneuerbaren Energien“ auszugleichen, d.h. Wasserstoff wird in geringerem Maße auch für die Stromproduktion genutzt). Seine Ziele bis 2030 – insbesondere eine Gesamtleistung der Elektrolyseanlagen von 10 Gigawatt – wird der deutsche Imperialismus aber wahrscheinlich verfehlen. Dafür müssten nach Hochrechnungen jedes Jahr nun Anlagen mit einer Gesamtleistung zwischen ein und zwei GW und für ihren Strombedarf eigene 200 bis 400 Windräder errichtet werden. Da das Netz trotzdem laufen soll, muss also importiert werden, besonders von dort, wo die Menschen mehr ausgebeutet werden können. Das bietet wiederum eine von staatlicher Seite geschaffene Gelegenheit, die Entwicklung des bürokratischen Kapitalismus in den unterdrückten Nationen voranzubringen, und entsprechend agieren jetzt staatliche deutsche Monopole und Banken in Nordafrika für den Ausbau der Wasserstoffproduktion. Hier zeigt sich auch, wie die Krise auf die Massen und insbesondere auf die unterdrückten Nationen abgewälzt wird, der Ausbeutungsgrad erhöht, neue Märkte geschaffen werden, um dem Fall der Profitrate entgegenzuwirken, und wie der deutsche Imperialismus in diesem Kontext staatsmonopolistischen Kapitalismus verstärkt entwickelt.

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Alleine aus der Interpretation der Pfeile und der Konzentration der Pipelines lässt sich schon schließen, dass Deutschland im Mittelpunkt des Wasserstoffnetzes in Europa stehen soll. Diese Szenarien stammen aus einem Dokument über das "Europäische Wasserstoffrückgrat".

Deutschland, Hegemon der EU, will ein „Leitmarkt für Wasserstoff“ werden; die oben genannten Projekte in Nordafrika deuten bereits die Dominanz in Europa an. Dafür spielt unter anderem die Stiftung H2Global, ansässig in Hamburg und federführend für einen Großteil des Wasserstoffhandels besonders in die EU, eine wichtige Rolle. Ein Blick auf die Arbeitsweise dieses Instruments enthüllt den ganzen parasitären und faulenden Charakter des Imperialismus. Es soll eine Scharnierfunktion zwischen Produktionsländern vor allem auf der südlichen Halbkugel und den Industriestaaten als Abnehmer“ einnehmen; Wasserstoffprodukte sollen möglichst günstig eingekauft und an Unternehmen in Deutschland oder der EU meistbietend verkauft“ werden. Wie immer, auch in Bezug auf „Fachkräfteanwerbung“, ist von einer „Win-Win-Situation“ die Rede – die Länder in Nordafrika hätten ja eh mehr Sonne, als sie bräuchten etc. Wie immer wird schamlos gelogen, um zu verschleiern, dass eine selbstständige Entwicklung des Kapitalismus in den unterdrückten Nationen mit all diesen „Deals“ verhindert und stattdessen Extraprofit realisiert wird. Gewinnen tun in den unterdrückten Nationen nur die bestochenen Lakaien, die Landesverkäufer. Der deutsche Imperialismus geht davon aus, in naher Zukunft nur ein knappes Drittel seines Wasserstoff-Eigenbedarfs selber produzieren zu können. Nicht optimal für den Kriegsfall. Die restlichen zwei Drittel sind in erster Linie zutiefst parasitäres Raubgut, das man in der dritten Welt – mittlerweile wird sogar mit Ammoniak aus Lateinamerika geplant – erbeutet hat.