Eigentlich jeder der schon mal mitbekommen hat wie es in den meisten Pflegeeinrichtung läuft ist schockiert. Kaum ein Bereich in der BRD ist so chronisch unterfinanziert wie die Pflege von Alten, Kranken und Behinderten. Das hat Auswirkungen sowohl auf die zu pflegenden als auch die Pflegekräfte.
Häufig wird mit einem absurden Personalschlüssel gearbeitet. Zwei Pflegekräfte auf 36 Schwerstmehrfachbehinderte? Absolut machbar! Wenn dann noch jemand krank wird, ist der Spaß garantiert, inklusive der worst-case Situation, dass man mit einem der Patienten ins Krankenhaus muss und dann 35 Patienten einfach sich selbst überlassen bleiben. Theoretisch versteht sich. Ähnlich sieht es in der Altenpflege und in Krankenhäusern aus.
Hinzu kommen Versuche die Effizienz ins maximale zu steigern. Es werden feste Zeiten für Arbeiten, die man nicht wie am Fließband machen kann eingeführt. 0,8 Minuten zum umlagern, 2,75 Minuten für das Wechseln einer Windel. Eine Windel wechseln dauert nun mal nicht bei jedem Menschen gleich lang. Einem blinden Patienten muss man genau erklären was man tut, ein anderer ist halbseitig gelähmt und kaum in der Lage mitzuarbeiten. Aber solche Banalitäten interessieren die Herren in den Vorständen natürlich nicht. Was die interessiert ist möglichst viele Patienten in möglichst kurzer Zeit abzufertigen und dafür lieber nur ein Gehalt zu zahlen als zwei, oder zumindest nur ein Gehalt für eine ausgebildete Kraft, die Zweitkraft kann schließlich auch ungelernt arbeiten. Auch wenn der Gehaltsunterschied nicht besonders ins Gewicht fällt.
Wenn man so arbeiten muss ist es klar, dass alles menschliche an der Pflege auf der Strecke bleibt. Mit Patienten über ihre Ängste und Wünsche reden? Läuft nicht. Drei Patienten klingeln, dann müssen zwei wohl erst mal in ihrer vollen Windel liegen bleiben - je nach dem wie lange die anderen (Not-)Fälle dauern. Außerdem muss man hoffen das man zu dem richtigen gerannt ist der Grade geklingelt hat. Was für eine Art Notfall der Patient hat erfährt man nämlich durch das piepen und aufblitzen der Patientennummer nicht und entsprechend sieht man den Unterschied zwischen einer vollen Windel und einem kollabierenden Patienten erst wann man im Zimmer ist.
Das ist schlecht für die zu pflegenden, welche nicht die Pflege bekommen die sie bräuchten. Und das ist schlecht für die Arbeiter, welche unter miserablen Bedingungen schuften und sich häufig druck machen weil sie sich verantwortlich für die Patienten fühlen. Genau durch diesen sozialen Druck, der von Heimleitungen und Krankenhausverwaltung immer wieder ausgenutzt wird, funktionieren viele dieser Einrichtungen noch. Pflegekräfte kommen krank zum Dienst, springen in der Freizeit ein und machen Unmengen an Überstunden. Würden sie das nicht tun, würde kaum eine dieser Einrichtungen noch funktionieren.
Der Grund dafür, dass die Lage in der Pflege so brutal ist, ist im Allgemeinen das reaktionäre Wesen des Imperialismus, welches aber verschiedene, konkrete Facetten annimmt. Die Hauptsache ist, dass die Pflege für die privaten Unternehmen ein gewinnbringendes Geschäft ist. Entsprechend wird alles dahingehend "optimiert", dass es wenig kostet und viel einbringt. Mehr Ärzte werden eingestellt weil diese die lukrativen OP's durchführen, weniger Pfleger, weil die Pflege von Patienten vor allem kostet und wenig einbringt. Und bei den vorhandenen Pflegekräften wird so viel Arbeit wie möglich in möglichst wenig Zeit gepresst. So versuchen sie noch das letzte bisschen Gewinn aus den Pflegekräften heraus zu pressen. Für den bürgerlichen Staat ist die Pflege von Alten, Kranken und Behinderten eine unnötige Kost die nichts einbringt. Natürlich hat er ein Interesse an Volksgesundheit und daran die Illusion einer humanistischen, ethischen Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Aber nur solange wie es der Wiederherstellung und Nutzbarmachung der Arbeitskraft für den Produktionsprozess dient. Und so steht jeder Euro der in diesem Bereich investiert wird im Verdacht einer zu viel zu sein. In diesem dauerhaften Widerspruch bewegt sich die staatliche Pflege in imperialistischen Nationen, welche in den letzten Jahren massenhaft privatisiert wurde.
Im neuen Koalitionsvertrag wird jetzt ein "Neustart in der Pflege" versprochen. Konkret heißt das 8000 Stellen sollen geschaffen werden. Ein schlechter Witz wenn man sich die Realität anguckt in der seit den 90er Jahren 25.000 Stellen in der Pflege gestrichen wurden, während der Anteil an Pflegebedürftigen gestiegen ist. Je nach Statistik errechnet sich so ein Mangel von ca. 100.000 unbesetzten Pflegestellen, 2030 sollen es 500.000 sein.
Aber die Pflegekräfte in vielen Einrichtungen beginnen sich zur Wehr zu setzen, mit Streiks in Krankenhäusern, Dienst nach Vorschrift in der Alten- und Behindertenpflege. Sie beginnen sich zu organisieren, leider häufig unter Führung der korporatistischen DGB-Gewerkschaften. Die Aufgabe der Kommunisten ist es, sich entsprechend der "drei mit" (mit den Massen leben, arbeiten und kämpfen) an diesen kämpfen zu beteiligen und in der Praxis die Führung über diese Kämpfe zu erlangen. Die objektiven Bedingungen für die Revolutionäre sind hervorragend, aber sie müssen ihre Aufgaben fest anpacken. Sie müssen politisch-ideologisch und praktisch die Führer der Massen werden. Denn nur unter einer korrekten Führung werden die Kämpfe der Pflegenden wirkliche Erfolge bringen und nur unter einer korrekten Führung werden sich diese Kämpfe vom kleinen zum großen entwickeln, vom ökonomischen Kampf zum Kampf um die politische Macht!
Einen guten Beitrag im satirischen Ton darüber, wie das deutsche Pflegesystem funktioniert wollen wir an dieser Stelle auch teilen: