An dieser Stelle dokumentieren wir einen Leserbrief den wir von einem Leser der Webseite zugemailt bekommen haben:
Der Gegenstandpunktismus – Hegel neu aufgelegt
Eine fortschrittliche Kritik am Gegenstandpunkt Verlag wurde zuerst vom Revolutionären Aufbau BRD formuliert. Im Jahr 2017 veröffentliche der RA ein Dokument, in welchem wichtige Aufdeckungen bezüglich des Klassencharakters des GSP vorgenommen wurden. Dieses Dokument stellte einen Schlag gegen den Revisionismus in der BRD im Allgemeinen und einen ersten Schlag gegen die reaktionäre Tätigkeit des Gegenstandpunkt Verlags im Besonderen dar. Allerdings hat der Text des RA auch Mängel. Der wichtigste Mangel ist, dass er die Ideologie des GSP nicht auf seine philosophischen Quellen zurückführt. Die philosophische Grundlage des GSP-Revisionismus ist der hegelsche Idealismus. Damit bettet sich der ideologische Kampf gegen den Gegenstandpunkt Verlag in den jahrhundertelangen Kampf zwischen Marxismus und Revisionismus, zwischen Materialismus und Idealismus, ein. Diese Bemerkung ist von Bedeutung, da die Klassiker des Marxismus umfangreiche Erfahrungen für diesen Kampf bereitstellen, von denen man lernen kann.
Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass zur Kenntnis genommen wurde, dass der Revolutionäre Aufbau BRD um die Begrenztheit seines Dokuments weiß und dies im Dokument selbst betont. Dieser Text soll ein weiterer und ergänzender Beitrag zum Kampf gegen den Revisionismus im Allgemeinen und gegen den Gegenstandpunkt Verlag im Besonderen sein. Auch dieser Text bietet keine vollständige und allumfassende Analyse. Viel mehr wurden vor allem einige Zitate rausgesucht, die einige Ansatzpunkte für eine Analyse und Kritik bieten.
Die Philosophie des Idealismus als Grundlage für die Politik des Gegenstandpunk Verlags
„Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Für Hegel ist der Denkprozess, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des Wirklichen, das nur seine äußere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts anderes als das im Menschenkopf umgesetzt und übersetze Materielle.“1
Genau diese schon von Karl Marx bekämpfte idealistische Herangehensweise Hegels ist die Grundlage der Weltanschauung und Politik des Gegenstandpunkt Verlages. Zwar gibt es keine öffentlichen programmatischen Schriften oder Liniendokumente des GSP, aber seine politische Praxis spricht diesbezüglich Bände. Worin besteht diese Praxis?
Der Gegenstandpunkt hält das Bewusstsein der Volksmassen zum Hinderungsgrund einer Revolution. Ausschlaggebend für eine Revolution wären nicht etwa die objektiven und subjektiven Bedingungen, sondern die Abschaffung des affirmierten Bewusstsein des Volkes, welches in der einen oder anderen Form die gesellschaftlichen Verhältnisse, wenn auch oftmals kritisch, anerkennen würde. Die dementsprechende Praxis sieht so aus, dass sich akribisch mit angeblich falschen Bewusstseinsinhalten der Massen auseinandergesetzt wird, dass dort „immanente Widersprüche“ gesucht werden, die man die Massen dann in der Agitation aufzeigen könne.
Der Kapitalismus in seinem heutigen höchsten Stadium, dem Imperialismus, hat die materiellen Voraussetzungen und die soziale Kräfte zur Durchführung der proletarischen Revolution geschaffen, ohne den bewussten Faktor wird jedoch keine solche stattfinden. Lenin betonte in seinem grandiosen Werk „Was tun?“ die Wichtigkeit der Theorie und des sozialistischen Bewusstseins und wandte sich damit gegen alle Spontaneisten, welche von einer automatischen Entstehung eines sozialistischen Bewusstseins ausgingen. Lenin wies am Beispiel der Geschichte nach, dass die Volksmassen von sich aus im Rahmen der Zuspitzung der Widersprüche nur einen tradeunionistisches Bewusstsein entwickeln, weswegen es zur Bereitstellung des subjektiven Faktors der Revolution eine revolutionäre Kampfpartei braucht, die als eine Aufgabe übernimmt, das sozialistisch-revolutionäre Bewusstsein in die Massen zu tragen. Dementsprechend wäre das Ausbleiben einer Revolution, wenn es an sozialistischem Bewusstsein in den Volksmassen mangelt nicht die Schuld der Volksmassen, wie man den GSP interpretieren könnte, viel mehr wäre diese Tatsache eine festzustellende Schwäche der Revolutionäre, eine Unausgereift des subjektiven Faktors der Revolution.
Die von Lenin aufgezeigt Notwendigkeit ist also mitnichten mit der Praxis des Gegenstandpunk Verlags zu verwechseln. Dies ist vor allem daran zu erkennen, dass sie das Aufzeigen von „immanenten Widersprüchen“ und das Angebot einer plausiblen Erklärung der Realität als ihre genügsame Praxis begreifen. In Publikationen und Vorträgen findet man keine Worte von revolutionärer Gewalt, von der Rolle einer revolutionären Vorhut-Partei und von der Notwendigkeit einer Diktatur des Proletariats samt allen Etappen und strategischen und taktischen Erwägungen der Entwicklung der Geschichte und Gesellschaft. Marx hatte zu seiner Zeit mit den Junghegelianern ähnliche Probleme.
„Die Althegelianer hatten Alles begriffen, sobald es auf eine Hegelsche logische Kategorie zurückgeführt war. Die Junghegelianer kritisierten Alles, indem sie ihm religiöse Vorstellungen unterschoben oder es für theologisch erklärten. Die Junghegelianer stimmen mit den Althegelianern überein in dem Glauben an die Herrschaft der Religion, der Begriffe, des Allgemeinen in der bestehenden Welt. Nur bekämpfen die Einen die Herrschaft als Usurpation, welche die Andern als legitim feiern. Da bei diesen Junghegelianern die Vorstellungen, Gedanken, Begriffe, überhaupt die Produkte des von ihnen verselbständigten Bewusstseins für die eigentlichen Fesseln der Menschen gelten, gerade wie sie bei den Althegelianern für die wahren Bande der menschlichen Gesellschaft erklärt werden, so versteht es sich, dass die Junghegelianer auch nur gegen diese Illusionen des Bewusstseins zu kämpfen haben. Da nach ihrer Phantasie die Verhältnisse der Menschen, ihr ganzes Tun und Treiben, ihre Fesseln und Schranken Produkte ihres Bewusstseins sind, so stellen die Junghegelianer konsequenterweise das moralische Postulat an sie, ihr gegenwärtiges Bewusstsein mit dem menschlichen, kritischen oder egoistischen Bewusstsein zu vertauschen und dadurch ihre Schranken zu beseitigen. Diese Forderung, das Bewusstsein zu verändern, läuft auf die Forderung hinaus, das Bestehende anders zu interpretieren, d.h. es vermittelst einer andren Interpretation anzuerkennen. Die junghegelschen Ideologen sind trotz ihrer angeblich „welterschütternden“ Phrasen die größten Konservativen. Die jüngsten von ihnen haben den richtigen Ausdruck für ihre Tätigkeit gefunden, wenn sie behaupten,nur gegen „Phrasen“ zu kämpfen. Sie vergessen nur, dass sie diesen Phrasen selbst nichts als Phrasen entgegensetzen,und dass sie die wirkliche bestehende Welt keineswegs bekämpfen, wenn sie nur die Phrasen dieser Welt bekämpfen.Die einzigen Resultate, wozu diese philosophische Kritik es bringen konnte, waren einige und noch dazu einseitige religionsgeschichtliche Aufklärungen über das Christentum; ihre sämtlichen sonstigen Behauptungen sind nur weitere Ausschmückungen ihres Anspruchs, mit diesen unbedeutenden Aufklärungen welthistorische Entdeckungen geliefert zu haben.“2
Der Idealismus des Gegenstandpunk Verlags besteht ähnlich wie bei den Hegelianern zur Marx‘ Zeiten darin, dass sie davon ausgehen, die Herrschaft der Begriffe und Vorstellungen des Subjektive würde das sein, was die materielle Realität begründen würde. Marx sagte dazu:
„Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Für Hegel ist der Denkprozess, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des wirklichen, das nur seine äußere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle.“3
Der Gegenstandpunkt Verlag baut seine idealistische Auffassung mit seinen praktischen Konsequenzen zu einem System der Pedanterie und Haarspalterei aus. Mit einer beispiellosen Verachtung für die Massen, denen ja das Fehlen einer Revolution und gar die ganze elendigen gesellschaftlichen Verhältnisse in die Schuhe zu schieben wären, suchen sie auf wahrhafte Art und Weise falsches Bewusstsein, „immanente Widersprüche“ in Standpunkten von Leuten, um sie dran blamieren zu können. Dies wird bis in die Absurdität übertrieben, so gibt es zum Beispiel sogar Texte von GSP, die die Falschheit von psychischen Erkrankungen nachweisen wollen.
Fussnoten:
1Marx, Karl: Nachwort zur zweiten Auflage des ersten Bandes des „Kapital“, Dietz Verlag, Berlin 1947, S. 17.
2Marx, Karl / Engels, Friedrich: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, Dietz Verlag, Berlin S. 19/20.
3Marx, Karl: Nachwort zur zweiten Auflage des ersten Bandes des „Kapital“, Dietz Verlag, Berlin 1947, S. 17