Aus technischen Gründen wird dieser Artikel erst heute veröffentlicht, er hätte so letzte Woche erscheinen sollen:
Erdogan hat die türkischen Grenzen nach Westen frei gegeben. Daraufhin sind mehrere tausend der rund 4 Millionen Flüchtlinge in der Türkei gen Griechenland losgezogen, und über die Grenze getreten. Dabei wurden sie auf dem Landweg von griechischer Polizei, Armee und Frontex mit Tränengas und Wasserwerfern begrüßt, brutal zurück geschlagen und teilweise festgenommen. Auf dem Seeweg ist mindestens ein Kind gestorben. Auf Lesbos haben sich faschistische Milizen gebildet, die Flüchtlinge angreifen und mindestens ein Boot zum Kentern gebracht haben. Aber es gibt auch große Proteste auf den Inseln gegen die schlechten Lebensbedingungen der Flüchtlinge. Über diese Geschehnisse berichtete unter anderem die Welt.
Die taz fasst es so zusammen: „Die griechische Polizei hat am Wochenende mit Wasserwerfern und Tränengas Menschen am Grenzübertritt aus der Türkei gehindert. Am Samstag seien etwa 10.000, am Sonntag weitere 5.500 Menschen gestoppt worden. Vor allem am Grenzübergang Pazarkule drängte die Polizei die Menschen, unter ihnen viele Kinder, gewaltsam zurück. 140 Menschen seien festgenommen worden.
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex sagt laut der Welt in einem vertraulichen Papier voraus, dass es zu „Massenmigrationsströmen“ aus der Türkei kommen werde. Es werde schwierig sein, den in den kommenden Tagen zu erwartenden „massiven Zustrom von Menschen“ zu stoppen. Allerdings meldeten verschiedene Medien, dass im Laufe des Sonntags Tausende Menschen aus der Grenzregion wieder nach Istanbul zurückgekehrt seien.“
Weiterhin heißt es im selben Artikel: „Auf Twitter verkündete die Regierung, der nationale Sicherheitsrat habe beschlossen, „das Abschreckungsniveau an unseren Grenzen auf ein Maximum zu erhöhen“. Zudem werde die Armee „Schießübungen“ an der Grenze durchführen.“
Die Türkei argumentiert damit, dass die EU ihren Teil des Flüchtlingsdeals nicht eingehalten habe, und will Unterstützung bei ihrem Feldzug in Idlib.
Was sagen die bürgerlichen Demokraten dazu?
Annalena Barbock (Grüne) meint, dass Deutschland seine Flüchtlingslager reaktivieren sollte, denn man müsse die Menschen aufnehmen und innerhalb Europas verteilen. Selbstverständlich sind aber die Russen schuld, denn wie sie sich in der Welt zitieren lässt, sieht es folgendermaßen aus:
„Zudem sollte die Empörung über die türkische Regierung nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU angesichts der Vertreibung Hunderttausender durch die russisch-syrischen Bombardements untätig war. Es bleibt ebenso zentral, alles dafür zu tun, die humanitäre Katastrophe in Syrien zu stoppen.“ Welt
Damit dass der US-Imperialismus, indessen Windschatten die BRD ihre Außenpolitik betreibt, unter Zuhilfenahme seiner Halbkolonien in der Region Syrien seit Jahren in Schutt und Asche legt, hat das Ganze sicherlich nichts zu tun.
Das man das ganze Problem an die Halbkolonien außerhalb Europas delegieren sollte, sehen auch die Möchtegern Bundeskanzler Merz und Röttgen so. Man müsse der Türkei Geld geben, damit sie sich darum kümmere.
Heiko Maas, als Außenminister dafür zuständig, andere Staatsmänner im Interesse des deutschen Finanzkapitals zu erpressen, gibt sich empört. So heißt es in der Welt:
„Vor dem Hintergrund des Syrien-Konflikts und der angespannten Lage an der EU-Außengrenze hat Außenminister Heiko Maas (SPD) davor gewarnt, Flüchtlinge zu instrumentalisieren. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Flüchtlinge zum Spielball geopolitischer Interessen gemacht werden. Egal wer das versucht, der muss immer mit unserem Widerstand rechnen“, sagte Maas am Montag in Berlin.
Die Europäische Union sei weiterhin bereit, ihren Beitrag zu einer menschenwürdigen Versorgung von Flüchtlingen unter anderem in Syrien und in der Türkei zu leisten. Mit Blick auf die Lage an der griechisch-türkischen Grenze sagte Maas, Griechenland dürfe nicht allein gelassen werden.“
Er meint es nicht so allgemein wie er es sagt. Flüchtlinge sind ganz selbstverständlich Spielball „geopolitischer“ Interessen, wenn man zum Beispiel Syrien im Gerangel um die Beute mit Russland zerbombt, oder der Türkei Geld gibt, um sie gewaltsam festzuhalten, aber eben Spielball der Interessen des BRD-Imperialismus!
Damit das auch so bleibt, setzt der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei weiter auf Tränengas und Wasserwerfer, was im Original so klingt: „In letzter Konsequenz und in aller Klarheit heißt das auch: lückenlose Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen.“
So klar formuliert wie er meint, ist das nicht, weil die Gewalt, die das impliziert, verschwiegen wird.
Sie flüchten vor den Zuständen, die der Imperialismus herstellt
Der Krieg in Syrien ist ein Krieg zwischen dem US-Imperialismus und seinen europäischen Verbündeten, sowie seinen westasiatischen Halbkolonien auf der einen Seite und dem russischen Imperialismus und seiner Halbkolonie Iran auf der anderen Seite, um die Beute, die in diesem Fall die bislang russische Halbkolonie Syrien darstellt.
Mittlerweile besteht diese weitestgehend aus einem Trümmerfeld. Die Menschen flüchten aus diesem Land, weil sie seit Jahren zwischen den imperialistischen Interessen aufgerieben werden.
Der deutsche Imperialismus hat eine Gemengelage aus Interessen in Bezug auf die syrischen Massen. Einerseits ist er erstmal mit der Tatsache konfrontiert, dass das Austragen der interimperialistischen Widersprüche auf syrischem Boden zu massenhafter Migration gen Europa geführt haben. Dann ist er damit konfrontiert, dass die meisten Länder zwischen Deutschland und diesen Massen kein Interesse an ihrer Aufnahme haben. Insbesondere nicht solche Länder, wie die osteuropäischen, deren relativer sozialer Friede darauf beruht, dass Geld aus Westeuropa überwiesen wird, nämlich von Osteuropäern, die hier den Niedriglohnsektor füllen.
Dann konnte der BRD-Imperialismus auch ein paar Millionen Flüchtlinge gebrauchen. Erstens um das sogenannte „Demografieproblem“ zu lösen, und seinen Arbeitsmarkt mit billigen Arbeitskräften aufzustocken, und so den Widerspruch zwischen Käufern und Verkäufern der Ware Arbeitskraft zu Gunsten des Kapitals zu handhaben. Zweitens um die Arbeiterklasse im Kampf um Tagesforderungen zu spalten, indem man die Fähigkeit zur Organisierung und gemeinsamen Kampf durch chauvinistische Hetze herabsetzt. Drittens um Massen gegen Massen zu stellen, auch im militärischen Sinne, um das Proletariat in seinem Kampf um die Macht zu schwächen. Der vom deutschen Staat geplante Anschlag auf den Breitscheidplatz 2016 zeigt das sehr anschaulich.
Andererseits wollte der BRD-Imperialismus zumindest 2015 auch nicht die Bilder, die aktuell und in nächster Zeit produziert werden, nicht in Kauf nehmen. Denn Tränengas und Wasserwerfer gegen schutzsuchende Massen passen nicht wirklich gut zum Mythos der besten aller Welten. De Maziere hat in einem Interview mit der Bild durchblicken lassen, dass er die Zuspitzung der Widersprüche innerhalb Deutschlands, die damit einher geht, gefürchtet hat.
Allerdings hat das auch seine Begrenzung. Denn die imperialistischen Chauvinisten vor allem im Kleinbürgertum und der Arbeiteraristokratie, aber auch im Proletariat, wollen zwar auf Grundlage des Bluts und des Schweißes der unterdrückten Völker leben, aber auf keinen Fall mit ihnen teilen. Die faschistische Massenbewegung kommt der deutschen Bourgeoisie als Rechtfertigungsgrundlage für eine weitere Zentralisierung des Staats seine Tendenz zum Faschismus gelegen. Allerdings will die deutsche Bourgeoisie zurzeit nicht auf die demokratisch-liberale Regierungsform ihrer Diktatur verzichten. Denn ein richtiger neuer Faschismus würde die Widersprüche zu weiten Teilen des Volkes viel zu sehr zuspitzen. Noch lässt sich die Angst vor dem Faschismus ganz gut als Zustimmung zum Parlamentarismus einhegen, aber wenn mehr Flüchtlinge kommen, und die faschistische Bewegung noch stärker wird, wird auch dieser Zustand bedroht.
Innerhalb dieser Widersprüche der Interessen des deutschen Imperialismus ziehen die Parteien Stellung je nach dem welche Fraktion der Bourgeoisie sie darstellen, und auch in Reflexion darauf, wie sie sich vor den Massen inszenieren, um sie zur Zustimmung zu ihrer Macht zu mobilisieren.
Man sollte sie mit ihren verlogenen Stellungnahmen nicht davon kommen lassen. Sie alle repräsentieren den deutschen Imperialismus, der die Fluchtursachen schafft, und einen Umgang mit den Flüchtlingen gemäß seiner Interessen durchsetzen will.