Zum Thema der Kurzarbeit, unter dem Vorwand der „Joberhaltung“, während Corona haben Genossen ein Interview mit einer Betroffenen geführt, die kurzfristig von ihrem Arbeitskäufer in Kurzarbeit genötigt wird. Im Folgenden geben wir dieses in voller Länge wieder:
Kannst du kurz etwas zu dem sagen, was du machst und was die aktuellen Maßnahmen für eine Konsequenz für dich haben?
Ich bin duale Studentin und bin für Soziale Arbeit eingeschrieben. Das heißt ich gehe zur Uni und arbeite 20 Stunden in der Woche bei einem Träger der Familienhilfe. Diese Woche wurde mir von meiner Chefin eröffnet, dass ich jetzt einen Vertrag für Kurzarbeit zu unterzeichnen habe und ab nächster Woche weniger Stunden bekomme.
Was bedeutet das konkret?
Für mich bedeutet das, dass ich ab nächsten Monat nur noch in Kurzarbeit tätig bin und wohl nur noch rund 60% meines Lohns bekommen werde, um die 470€. Denn wenn ich den Vertrag nicht unterzeichne kann ich entlassen werden und verliere, wenn ich keine vergleichbare Stelle finde, meinen Studienplatz. Im Moment ist es schwierig eine Ersatzstelle zu finden. Alle Träger schicken aktuell ihre Angestellten in Kurzarbeit, da sie alle von den Maßnahmen der Regierung betroffen sind. Insbesondere Honorarkräfte, Studenten oder andere ohne „Normal-Arbeitsverträge“ werden freigestellt, in Kurzarbeit gedrängt oder gleich entlassen. Insofern habe ich nicht wirklich eine Wahl und bin gezwungen den Vertrag zu unterschreiben. Für mich bedeutet das erhebliche finanzielle Einbußen, zumal ich nicht ohne weiteres einen Zweitjob annehmen kann, selbst wenn ich einen finden würde.
470€ ist nicht viel, um davon zu leben...
Ich habe das Glück mir die Wohnung mit meinen Freund zu teilen. Aber andere Kosten wie Schulden, Strom, Handy-Vertrag, DSL-Vertrag, Lebensmittelkosten, usw. müssen auch bezahlt werden. Die Ausgaben für Lebensmittel sind durch die ganzen Hamsterkäufe gestiegen. Ich bekomme keine günstigen Produkte mehr. Für Nudeln zahle ich momentan 2,39€ statt 0,59€. Dazu kommt, dass – fast wie beim Toilettenpapier – Damenhygiene-Artikel wie Binden manchmal gar nicht zu kaufen sind. Und wenn es welche gibt, dann höchstens die teure Varianten. Ich bin auf diese Produkte angewiesen und kann mir die teuren Produkte schon im Normalfall nicht leisten. Mit den 40% weniger Lohn ist es noch schwieriger geworden hauszuhalten. Süßigkeiten oder ähnliches fallen dann komplett weg.
Neben den wegfallenden Stunden, wie hat sich durch Corona dein Arbeitsalltag geändert?
Ich arbeite im Bereich der ambulanten Familienhilfe, dass bedeutet ich fahre zu den Familien nach Hause und wir besprechen die konkrete Situation in der sich die Familie befindet. Auf dieser Grundlage treffen wir dann gemeinsam mit der Familie Absprachen, planen Amtsgänge oder pädagogischen Maßnahmen für die Kinder.
Wir reisen selbstständig zu den Familien. Da ich mir kein Auto leisten kann muss ich mit den Öffentlichen fahren. Bei den Anfahrten und bei den Familien bin ich immer dem Risiko ausgesetzt mich mit dem Corona-Virus anzustecken. Dazu kommen die Notfallfahrpläne der Bahn, durch die Streichung vieler Fahrten dauert meine Anreise zu den Familien jetzt deutlich länger. Die Anfahrt zur Familie zählt zu dem nicht als Arbeitszeit und wird nicht angerechnet. Ich mache mir auch darüber sorgen, mich auf meinem Arbeitsweg oder dann bei den Familien anzustecken, denn mein Freund und meine Eltern gehören zur Risikogruppe und ich habe Angst sie und auch andere Familien anzustecken wenn ich krank werde.
Welche Schutzmaßnahmen gegenüber der Infektionsgefahr hat deine Chefin bzw. der Träger erlassen?
Gar keine. Wir wurden überhaupt nicht geschult wie wir mit der Bedrohung umgehen sollen. Viele Bereiche sind dicht. Alles was möglich ist wurde ins Home Office versetzt. Meine Aufgabe ist jedoch nicht von zu Hause aus durchführbar. Wir haben auch keine weiteren Schutzmaßnahmen erhalten. Das Jugendamt meinte, wir sollen mit den Familien per Skype die Gespräche führen. Die Familien die ich betreue können sich jedoch keinen Computer oder Internet-Anschluss leisten. Deshalb müssen wir sie für unsere Arbeit besuchen. Alle anderen Betreuungsangebote wie Angebote in Jugendzentrum oder ähnliches wurde auch gestrichen.
Auch die Studiengangsleitung, die für uns als Ansprechpartner bei Problemen auf der Arbeit zu ständig ist lässt uns hängen. Wir bekommen keine Auskunft wie wir uns bei solchen Maßnahmen verhalten sollen oder was für Rechte wir haben.
Gibt es sonst noch etwas, das du gerne hinzufügen möchtest?
Ja, denn was mich dazu aufregt ist die Tatsache, dass ich trotz Kurzarbeit ständig für meinen Arbeitgeber telefonisch erreichbar sein soll, begründet wird dies mit den immer wechselnden Dienstanweisungen, die durch Neuregelungen der Landesregierung entstehen. Ein weiterer Punkt ist, dass ich beim Ausfall eines Kollegen schnell einspringen soll. Mit der ständigen Erreichbarkeit und immer im Hinterkopf zu haben, dass ich jeder Zeit arbeiten muss kann, ich auch meinen Tag nicht vernünftig planen. Die ganze Situation, insbesondere weil sie von Heute auf Morgen eingetreten ist, macht mich extrem wütend und erzeugt in mir ein Gefühl der Ohnmacht, ich mache mir Sorgen um meine Existenz weiß nicht was noch auf mich zu kommt.