Gerne publizieren wir hier den folgenden Erfahrungsbericht über das letzte Wochenende, der uns zugesandt wurde.
Das vergangene Wochenende stand ganz im klar im Zeichen des Kampfes gegen die Repression in der BRD, vor allem gegen türkische Revolutionäre. Zusätzlich begann es schon sehr früh, und zwar am Freitag dem 17. Juni um 9 Uhr...in München. Dort begann der Prozess gegen zehn Aktivisten der Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK), die bereits am 15. April des vergangenen Jahres in Griechenland, Frankreich, Schweiz und der BRD festgenommen worden waren. Vorgeworfen wird ihnen die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland, der TKP/ML, die allerdings auf keiner Terrorliste in Europa aufgeführt ist, zumindest nicht auf den offiziellen.
Beginn eines politischen Prozesses
Ihnen sollte nun also der Prozess gemacht werden, also machte ich mich auf den Weg nach München, der immer ein bisschen beschwerlich ist. Neulich hörte ich einen bayrischen Komiker, der sich darüber lustig machte, dass die Strecke der A9 zwischen Nürnberg und München immer voller Baustellen und Staus ist. Das ist lustig, bis man zwischen den Baustellen und Staus zwischen Nürnberg und München gefangen ist. Trotzdem erreichte ich mein Ziel rechtzeitig und die Reise hatte sich auch gelohnt. Trotz des frühen Werktages versammelten sich vor dem Gericht in München etwa 500 Personen. Neben Sympathisanten von ATIK und dem österreichischen Ableger ATIGF waren unter anderen auch Sympathisanten von ADHK, Genclik Cephesi, AGIF, RHI-SRI, der Roten Hilfe, MLPD und auch einige revolutionäre Kräfte aus der BRD vor Ort, um ihre Solidarität zu zeigen. Das zeigt bereits wie breit die Mobilisierung an diesem Tag war.
Um in den Saal zu gelangen musste man diverse Sicherheitschecks durchgehen, mehrfach wurde man abgetastet, gescannt und durchsucht. Nur nebenbei bemerkt findet dieser Prozess nach dem §129a und b, der ja eher als politisch motivierter Paragraph gegen Revolutionäre bekannt ist, in dem gleichen Gerichtssaal statt wie der NSU Prozess. Blanker Hohn oder Provokation? Zusätzlich war das ganze Gebäude mit Bullen vollgestopft und auch draußen waren einige Trupps der Bereitschaftspolizei postiert, unterstützt von einer Menge eher schlecht getarnter Zivis. Es wurden Parolen gerufen wie: „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, „Hoch die international Solidarität“ und „Solidarität heißt Widerstand - Kampf dem Faschismus in jedem Land“.
Die Gefangenen weigerten sich zu Beginn des Prozesses den Saal zu betreten, da einer der Gefangenen sich zuvor willkürlich unter Zwang hatte ausziehen müssen. Sie forderten eine Stellungnahme des Gerichts zu dieser erniedrigenden Maßnahme. In einem Bericht des Bayrischen Rundfunks ist zu sehen, wie die Gefangenen dann später den Saal betraten: mit erhobener Faust und von Jubel und kämpferischen Grüßen von den Rängen aus begrüßt. Die revolutionäre Moral der Genossen scheint also schon mal hervorragend. Gleich zu beginn des Prozesses stellte die Staatsanwältin klar wie der Hase in der imperialistischen BRD läuft: „Wir sind hier in Deutschland und hier wird deutsch gesprochen!“ Gegen 15.30 Uhr ging der erste Prozesstag gegen die Genossen zu ende, geprägt war der erste Verhandlungstag vor allem von Formalien, also nach bester deutscher Beamtentradition. Verlesung der Anklageschrift und so weiter. Auf der Heimreise war wieder das gleiche „Spektakel“ von Baustellen und Staus, doch das Gefühl, das ich mitnahm war ein gutes. Ein eindeutiges Zeichen im Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen gemeinsam mit einer Menge Genossen zu stehen und auch der Beweis wie Wirkungsvoll diese Arbeit ist.
Halay im Matsch, Stimmung gut
Am Samstag ging es dann zum Grup Yorum Konzert nach Gladbeck. Auch diese Veranstaltung war im Vorfeld einer massiven Repression durch den deutschen Staat ausgesetzt. Eigentlich hätte es auf dem Gelände einer alevitischen Gemeinde stattfinden sollen, doch nach Drohungen durch Polizei und Verfassungsschutz zog sich die Gemeinde von dem ersten Grup Yorum Open Air in der BRD zurück. Begründung der Bullen war, dass die Band Terroristen in der Türkei unterstützte. So war es bis zum Schluss unsicher unter welchen Umständen das Konzert stattfinden würde. Doch was die Genossen stets betonten war, dass es auf jeden Fall stattfinden wird und sie verstärkten sogar ihre Mobilisierung. Und es fand dann auch statt.
Leider spielte das Wetter nicht so ganz mit und schon vor Beginn gab es erste Regenströme und leichte Gewitter. Doch der kämpferische Geist der Besucher wurde dadurch nicht gebrochen und so gab es im strömenden Regen schon vor Beginn des Konzerts den ersten Halay des Tages.
Das ganze Konzert fand unter der strikten Überwachung und Kontrolle durch Bullen statt. Bereitschaftspolizei, Kamerawagen fast direkt neben der Bühne, Zivibullen und kleine patrouillierende Trupps auf dem Festivalgelände, strikte Kontrollmessungen der Lautstärke (einige Faschisten sollen sich in der Nähe auch haben blicken lassen), alles mögliche fuhren sie auf und die gesuchte Provokation durch die Bullen war allgegenwärtig. Doch niemand fiel an diesem Tag darauf rein.
Beim Auftritt von Grup Yorum wurde dann, trotz des fortgesetzt schlechten Wetters, ausgelassen gefeiert und Halay getanzt und die Stimmung war, trotz all der Schikanen durch die Bullen, fröhlich und genossenschaftlich. Auch wenn ich selber kein geübter Halay-Tänzer bin war es kein Problem mit zu machen und ich hatte schnell einen neuen Tanzpartner an meiner linken Seite, der mir half und, sobald ich den richtigen Takt gefunden hatte, mich anfeuerte. Das Kollektive des traditionellen Tanzes war deutlich zu spüren und es war ganz klar warum er Teil einer revolutionären Kultur sein sollte. Ich hatte sofort die Bilder einiger Videos aus der Türkei im Kopf, in denen Genossen während Straßenschlachten mit den Bullen in kurzen Pausen sich aneinander Reihen und zwischen den brennenden Barrikaden getanzt und Propaganda gemacht wird.
Während des Liedes Bella Ciao wurde auch ein Bengalo gezündet, was von den meisten begeistert aufgenommen wurde, die Stimmung noch einmal hob und auch bei den Bullen für einen kurzen Moment der eher unfreudigen Unruhe sorgte. Nach dem Ende des Liedes ergriff allerdings eine Vertreterin der DKP das Mikrofon und erteilte in einem sehr harschen Ton ein deutliches Verbot von der Bühne aus.
Zwischen dem Kulturprogramm gab es auch immer wieder Reden verschiedener Organisationen, hier machte mich ein Genosse auf einen Punkt aufmerksam, der mir schon am Vortag in München hätte auffallen können. Diverse Organisationen, vor allem deutschen Ursprungs, bestehen in ihren Reden auf den Punkt, dass die Repression gegen die türkischen Revolutionäre, vor allem eine Einmischung der türkischen Regierung und vor allem Erdogans in die Innenpolitik des deutschen Imperialismus sei. Sie zeigen sich hier gewissermaßen als Verteidiger der „deutschen Souveränität“ gegenüber der Türkei. So als ob die BRD, als imperialistisches Land, kein Interesse daran hätte die revolutionäre Bewegung in der Türkei zu schwächen, unterdrücken oder auf Abwege zu führen, da die Imperialisten immer vor den revolutionären Völkern der Welt zittern. Abgesehen davon wäre mir neu, dass ein halbkoloniales Land wie die Türkei, das abhängig ist von den imperialistischen Ländern, irgendwie maßgeblichen Einfluss auf die Innenpolitik eines imperialistischen Landes hätte.
Alles in allem ist das Wochenende meiner Meinung nach sehr erfolgreich gewesen. Es wurde gezeigt, dass sich die revolutionäre Bewegung hier zu Lande nicht von der Repression der Herrschenden einschüchtern lässt, dass wir gemeinsam auch eine Antwort auf sie geben können und revolutionäre Kultur nicht zu verbieten ist. Wenn man die Verschärfungen der Situation betrachtet scheint aber ein zusammenrücken der Revolutionäre gegen die Repression und für die Freiheit der politischen Gefangenen unabdingbar und das nicht nur in Erklärungen, sondern mit aktiver Solidarität auf der Straße.
Die Bilder sind folgenden Quellen entnommen:
https://www.facebook.com/Almanya-Grup-Yorum-Sevenler-Forumu-1022122321139120/