In den vergangenen 70 Jahren sollen sich in Frankreich katholische Priester, Ordensleute und kirchliche Mitarbeiter sowie andere Leute in katholischen Schulen oder z.B. Ferienlager an bis zu330.000 Kindern vergangen haben.

Diese Zahl wurde kürzlich in einem Bericht vorgelegt, den französischen Bischöfe einer Untersuchungskommission 2018 in Auftrag gegeben hatten. Darin wurde gegen bis zu 3200 potentielle Täter ermittelt. Geht man von den geschätzten Zahlen aus, sowohl auf Opfer- als auch auf Täterseite, käme jeder Täter auf fast 104 Kinder, vor allem Jungen, die er missbraucht hat. Die katholische Kirche, die immer wieder in vielen Ländern damit konfrontiert wurde, dass Menschen öffentlich machten als Kinder oder Jugendlich von Amtsträgern missbraucht worden zu sein, zeigte sich erschrocken über das Ausmaß – man sei zu Beginn der Ermittlungen von etwa 10.000 Opfern ausgegangen. Doch obwohl es Anzeichen gab, obwohl sich Opfer im persönlichen Umfeld oder auch gegenüber der Kirche offenbarten, glaubte ihnen niemand. Mehr noch, die Kirche versuchte diesesSystem des Missbrauchs zu decken. Dass die Missbrauchsfälle, die wohl eher als „Offenes Geheimnis“ tituliert werden könnten als ein „Skandal“, jetzt ans Licht kommen und die katholische Kirche vorgibt, mit allen Kräften gegen an zu gehen, mag kein Zufall sein. Denn die katholische Kirche leistet, genauso wie andere religiöse Institutionen, einen besänftigenden Beitrag in einer Gesellschaft, in der die sozialen Unterschiede immer deutlicher werden, in der sich die materielle Realität für viele Menschen immer weiter, immer drastischer verschlechtert. Mit dem Predigen von „Etwas Höherem“, das einen „Plan“ für jeden hat, lassen sich in Krisenzeiten so manche Menschen besänftigen. Doch immer neue Missbrauchsvorfälle sorgen eher für ein Erschüttern des Vertrauens der Menschen. So steht auch in diesem Fall vor allem das Interesse im Vordergrund nicht noch mehr Anhänger zu verlieren.
Wie weit es wirklich mit der Reue der katholischen Kirche in Frankreich steht, zeigen die geplanten Entschädigungszahlungen, denn dadurch, dass Frankreich ein laizistischer Staat ist, also Kirche und Staat komplett getrennt sind, sollen diese Entschädigungen mithilfe von Spendengeldern der Gläubigen bezahlt werden. Eine äußerst zynische Angelegenheit, wenn man davon ausgeht, dass unter den Gläubigen in Frankreich immer noch zahlreiche Missbrauchsopfer befinden, die nun für ihre eigenen Entschädigung aufkommen sollen.