Ein Häftling in der Justizanstalt (JA) Graz-Karlau, Aktivist und Mitbegründer der GG/BO in Österreich, protestierte in den letzten Monaten unter anderem gegen die Bedingungen im Maßnahmenvollzug. Er trat dafür in den Hungerstreik, ob er diesen jetzt noch immer führt, ist aus der aktuellen Informationslage unklar. Seine Anliegen wurden unter anderem von der Initiative „Selbstvertretung Maßnahmenvollzug - Informationen zum österreichischen Maßnahmenvollzug für Betroffene, Angehörige und Interessierte“ veröffentlicht. Der kämpferische Häftling, der gemäß des Paragraphen für „geistig abnorme Rechtsbrecher“ inhaftiert ist, schildert die Zustände in der JA.

 

Eingestuft als „geistig abnormer Rechtsbrecher“ und generell im Maßnahmenvollzug wird den Häftlingen jedes Recht auf ein Strafurteil und Strafausmaß genommen: die Personen sind von den Einschätzungen und Gutachten der Ärzte, Psychiater, Sachverständige usw… angewiesen, damit sie jemals wieder rausgelassen werden können. Da sie als „geistig abnorm“ eingestuft sind, wird ihnen die Möglichkeit genommen, „resozialisierbar“ zu sein. Aktuell sitzen in Österreich ca. 750 Personen im „Maßnahmenvollzug“. Unter 5 Jahren kommt eigentlich niemand aus den Anstalten wieder heraus. In einem von ihm verfassten Bericht nennt er ein Beispiel von einem Untergebrachten, der nach 17 Jahren Maßnahme freigelassen werden sollte. Sein Antrag auf Entlassung wurde mit einer Stellungnahme des Vollzugsleiters an das Gericht abgewiesen, in der gesagt wird, dass der Häftling erst am Anfang der therapeutischen Entwicklung steht – und das nach 17 Jahren! Weiters schreibt er von „Begutachtungsstellen“, die noch nie positive Begutachtungen verfasst haben, sondern nur erklären warum die Maßnahme noch länger notwendig sei. Dies genügt um weitere Jahre der „Freiheit“ beraubt zu werden.

 

Vor allem aber herrscht die vollkommene Willkür des Personals, der Justiz, der Leiter usw… vor, grundlegende Hygieneartikel werden nicht ausgegeben, Anträge auf jegliche Anfragen, wie zum Beispiel ein Buch zu bestellen, werden systematisch abgelehnt, Menschen die kein Deutsch können, werden genötigt Dokumente zu unterschreiben die sie nicht verstanden haben, Dokumente werden nicht ausgehändigt usw… Dies gipfelt in der Aussage der Leiterin des Maßnahmenvollzugs in Graz-Karlau: „Mit dem Pack, mit dem Gesindel, mit den Asozialen, rede ich nicht. Mit dem Abschaum will ich nichts zu tun haben.“ Damit meinte sie die nach §21/2 Untergebrachten in der Karlau. Diejenigen, vor denen die Justiz Angst hat, werden in Einzelzellen gesperrt, so auch der Gewerkschaftsaktivist. So wird gesucht die „aktivsten“ von den anderen zu trennen, um jeglichen Protest und Widerstand schon im Keim zu ersticken. Der Aktivist schildert weiter, dass die Regelung, Untergebrachte des Maßnahmenvollzugs und

„normale“ Strafhäftlinge müssen streng voneinander getrennt werden, überhaupt nicht eingehalten wird. Es kann entweder an mangelnden finanziellen Mitteln, oder aber auch an dem Bestreben die Häftlinge zu spalten, in „normale“ und „gestörte“, in „Gewissheit über Strafdauer“ und „es kann sein, dass ich hier nie wieder rauskomme“.

Der Maßnahmenvollzug ist einer der krassesten Ausdrücke des bürgerlichen Justiz- und Repressionswesen, denn er heißt Gefängnis und Psychiatrie in einem. In Österreich gehört die Zwangsbehandlung noch immer zum Alltag des Maßnahmenvollzugs, während sie in Deutschland schon unter Strafe stehen. Deshalb ist es hier vollkommen „normal“, dass Häftlinge damit erpresst und fügig gemacht werden, dass sie sonst „nie wieder raus kommen“ werden, wenn sie nicht kooperieren, oder eine Zwangsmedikation nicht „freiwillig“ mitmachen. Sie sind total abhängig vom jeweiligen Therapeuten, Gutachter usw… In der Fachsprache wird der Begriff „Complience“ verwendet, übersetzt heißt das „Willfährigkeit“, die Bereitschaft des Patienten zur aktiven Mitwirkung. Sogar von bürgerlichen Fachärzten und Rechtsanwälten wird diese „Complience“ stark kritisiert, weil es innerhalb des Maßnahmenvollzugs keine freiwillige Mitwirkung geben kann. Wird einem Insassen einen „mangelnde Complience“ nachgewiesen, ist die

Frage der Entlassung wieder für Jahre vom Tisch. Da ist die Methode des fixieren und Medikamente verabreichen nicht mehr notwendig, die Patienten sind automatisch gezwungen sich jeder Form von „Therapie“ zu fügen.

 

Der Maßnahmenvollzug, als einer der krassesten Ausdrücke des Repressionssystems, widerspricht jeglichen demokratischen Grundrechten, er schließt Zwangsbehandlungen mit ein, die „indirekt“ passieren und die eigene Entscheidung über den Körper und die Psyche ignorieren. Es ist sehr positiv hervorzuheben, dass der Aktivist in Graz-Karlau gegen die Bedingungen der Untergebrachten im Maßnahmenvollzug kämpft und diese veröffentlicht!

 

Durch den Zusammenschluss der Inhaftierten, besonders der im Maßnahmenvollzug mit jenen im normalen Strafvollzug entwickelt sich eine Chance sich dagegen zu wehren und zu kämpfen. Gefängnis und Psychiatrie als Repressionsinstrumente stellen verschärfte Bedingungen dar, es bedeutet einen großen Schritt, dass die Häftlinge sich aktiv dagegen wehren. Dieser Kampf muss unterstützt werden. Schreibt dem Kollegen in Graz-Karlau!

 

Oliver Riepan

JVA Graz-Karlau

Herrgottwiesgasse 50

A – 8020 Graz

 

Hier ist sein Bericht nachzulesen:

www.massnahmenvollzug.wordpress.com