Dann setzte die Polizei alles was sie hatte, und das ist nicht wenig, in Bewegung.
Der 1. Mai 2015 in Hamburg war aus revolutionärer Sicht ein politischer Erfolg. Dass das Proletariat sich in seinem Kampf stets mit der Bourgeoisie, ihrem Staat und ihren Institutionen, sowie dem Revisionismus auseinander zu setzen hat, ist “buisiness as usual”. Dass es in diesem Kampf temporäre Niederlagen erleidet, weil seine Kräfte geringer sind als die des Gegners, ist eine Frage der Entwicklung eben dieser Kräfte. Dass die Demonstration an der Feldstraße zerschlagen wurde heißt mitnichten, dass der Kampf nicht erfolgreich war. Im Gegenteil! Das Resüme von 2014 “Wir haben zusammen gekämpft, ganz verschiedene Leute: NachbarInnen von nebenan gemeinsam mit PunkerInnen, KommunistInnen mit AnarchistInnen, ArbeiterInnen mit StudentInnen, alle gemeinsam gegen ihre Unterdrücker.” unddieFeststellung “Die Welt der himmelschreienden Armut erhebt sich gegen die Welt des ungeheuren Reichtums … Sie haben eine bessere Zukunft in den Köpfen und einen brennenden Hass auf dieses System in ihren Herzen.” haben erneut Bestätigung gefunden und die Forderung “Lassen wir den Blutsaugern kein ruhiges Hinterland!” (aus dem Aufruf des Bündnis gegen imperialistische Agression) wurde erfüllt.
Zunächst sollte aber ein Blick auf die politische Situation in Hamburg vor dem ersten Mai 2015 geworfen werden. Diese Situation war eine andere, als im Jahr 2014. Sie war weniger “heiß”. Der Kampf der Flüchtlinge von Lampedusa in Hamburg (siehe bspw. Die Welt: “Demonstranten bringen Polizei ans Limit” vom 03.11.2013) hatte sich zum ersten Mai 2014 hin kräftig entwickelt und Auswirkungen auf fast die ganze Stadt. Die Proteste gegen Gefahrengebiete zur Jahreswende (siehe Zeit: “Mehrere hundert Menschen bei Gefahrengebiet-Demo”, vom 07.01.2014) und die Flora-Demonstration am 21.12.2013 (siehe u.a. NDR: “Hunderte Verletzte bei Rote-Flora-Demo” vom 23.12.2013; n-tv: “Was alles nicht gesagt wird” vom 23.12.2013) sind weitere Kämpfe, von denen es vor und um den 1.Mai 2014 herum noch einige mehr gab und die 2015 fehlten, so auch die Walpurgisnachtdemonstration des Rise-Up!-Bündnis.
Der revolutionäre 1. Mai sah sich auch mit den Rachegelüsten der Herrschenden, durch den großen Erfolg von 2014 hervorgerufen (vgl. SoL: Bericht zum 1. Mai 2014 in Hamburg; BILD: “Demo wird zur Straßen-Schlacht” vom 03.05.2014; Hamburger Abendblatt: “Polizei überrascht von Gewaltbereitschaft bei Mai-Krawallen”, 02.05.2014; etc.), konfrontiert. Unmöglich, dass der Feind einen ähnlichen Erfolg zulassen konnten. Also warf er sich mit ganzer Kraft gegen den revolutionären 1. Mai und seine Organisatoren.
Eine Sache, die mittlerweile allen Interessierten in Hamburg bekannt ist, ist, dass in Hamburg eine “parallel Veranstaltung” am gleichen Tag, zur gleichen Uhrzeit organisiert wurde. Freilich haben nun viele Freunde und Genossen Fragen zu diesem Thema, aber wegen des Versuchs des Klassenfeinds diese Situation auszunutzen, wird hier nicht darauf eingegangen.
Aus diesen und vielen anderen Gründen bestand die Notwendigkeit mehr Energie in die Mobilisierung zu stecken. Vor allem ist dabei wichtig, dass diese in großem Umfang von den Leuten unterstützt wurde. In nahezu allen Stadtteilen Hamburgs wurde plakatiert – u.a. in Altona, Barmbek, Bergedorf, Billstedt, Dulsberg, Eidelstedt, Eimsbüttel, Harburg, Horn, Lurup, Mümmelmannsberg, Neuwiedenthal, Ottensen, St. Pauli, Steilshoop, Sternschanze, Veddel, Wandsbek und Wilhelmsburg. Dass eine der Parolen des diesjährigen ersten Mai, “Hoch die internationale Solidarität!”, bis tief in die Nacht bei den Kämpfen gegen die Polizei immer wieder zu hören war, ist ein Beweis für die Wirksamkeit dieser Mobilisierung. Darüber hinaus gab es Grafittis, gesprühte Parolen usw. usf. Neben den zwei offiziellen Mobivideos vom Bündnis gegen imperialistische Aggression (Revolutionärer 1. Mai 2015 Hamburg, Devrimici 1 Mayis 2015 Hamburg) gab es noch viele weitere, von anderen hergestellte, von denen besonders das Video “1.Mai 2015 in Hamburg – Frauen kämpft und wehrt euch!” hervor zu heben ist, weil es unseres Wissens nach das erste Mal ist, dass eine Frauengruppe zum revolutionären 1. Mai aufgerufen hat.
Doch der Kampftag des internationalen Proletariats begann in Hamburg, wie jedes Jahr, mit der Beteiligung des BGIA als internationalistischer Block auf der Demonstration des DGB. Mit etwa 1.000 Teilnehmern war dieser, ebenfalls wie in den Jahren zuvor, der größte Teil der DGB-Demonstration. Verschiedene türkische Organisationen, wie ADGH, ADHK, ATIK, Halk Cephesi, Partizan, YDG und Yeni Kadin, Organisationen aus Iran, Lateinamerika, Palästina und deutsche Revolutionäre und Antiimperialisten aus Hamburg und anderen Teilen der BRD beteiligten sich daran. Dieser Block war, was er sein musste: “der lebendige Ausdruck des engsten Zusammenschlusses mit denen …, die in den Sturmzentren der Weltrevolution kämpfen: den revolutionären Parteien und Organisationen aus Afrika, Asien und Lateinamerika.” (aus dem Aufruf der Bündnis gegen imperialistische Aggression und des Bündnis für einen revolutionären 1. Mai) Zum Ende der Demonstration zog der Rise-Up!-Block mit mehreren hundert Teilnehmern an der Polizei vorbei und führte eine Spontan-Demonstration durch, die durch Teilnehmer des internationalistischen Blocks unterstützt wurde.
Um 18 Uhr begann der revolutionäre 1. Mai, wie in den letzten Jahren auch, an der Feldstraße. Zunächst wollen wir hier kurz den Bericht des Hamburger Ablegers der antinationalen “Gruppen gegen Nation und Kapital” wiedergeben: “Bei der revolutionären 1.Mai-Demo haben wir wohl 1000-2000 Flyer auf der Startkundgebung an der U3-Feldstraße verteilt. An unserem dortigen Büchertisch konnten wir noch einige Diskussionen führen und sind viele unserer Bücher und Broschüren losgeworden, u.a. die zur Kritik des Realsozialismus und Maoismus.
Der Grad an Disziplin und Organisation den SoL und ihre Bündnispartner dort im Rahmen der Mobilisierung und gegen die unglaublich krasse Polizeigewalt hingelegt haben, war beeindruckend. Nicht nur, dass sie trotz der Konkurrenz-demonstration mehr als 2000 Leute (die im Zuge der Polizeigewalt schnell weggebröckelt sind) mobilisiert haben, sondern auch, dass sie etwa eine Stunde gegen eine zahlenmäßig überlegene, und extrem brutale Polizei standgehalten haben, war spektakulär. Dies zeigt wie effizient auch eine kleine Gruppe sein kann, wenn sie auf dem Kaderprinzip beruht und nicht bloß eine lose Bande gewaltbereiter Männer ist.” Andere berichten von 1.500 Teilnehmern. Die von der Polizei in den bürgerlichen Medien lancierte Zahl von 750 unterschätzt, wenig überraschend, die Sache kräftig.
Der Plan der Reaktion für die revolutionäre erste Mai Demonstration war es, sie mit aller Kraft zu zerschlagen. Gleich zu Beginn griff die Polizei die Demonstration “mit allem was sie hatte und das ist nicht wenig” (NDR, Hamburg-Journal vom 01.05.2015) an. Die kämpfenden Demonstrationsteilnehmer wurden geprügelt, mit Schlagstöcken geschlagen, mit Pfefferspray, einer Reiterstaffel, vier Wasserwerfern und zwei Räumpanzern angegriffen. Trotzdem hielt die Demonstration mit der roten Fahne stets in der ersten Reihe kämpfend und der solidarischen Unterstützung anderer revolutionärer Kräfte aus anderen Teilen der BRD, besonders aus Nordrhein-Westphalen, stand. Diese auswärtigen Kräfte leisteten einen wichtigen Beitrag zur kämpferischen Haltung der Demonstration. An dieser Stelle ist auch und insbesondere der anarchistischen Block mit mehreren hundert militanten Teilnehmern zu nennen, der dieses Jahr einen nicht zu unterschätzenden Wert für den revolutionären 1. Mai hatte und sich ohne jeden Eigennutz als Block auflöste, um die ersten Reihen der Demosntration gegen die Angriffe der Polizei zu unterstützen.
Trotz der massiven Angriffe zeigten die meisten Demonstranten keinen Wankelmut und die bürgerliche Presse schreibt: “Drastische Gewaltszenen“, “extrem aggressiv[em] Verhalten“, “immer wieder … Auseinandersetzungen in St. Pauli, der Sternschanze und Altona” (Hamburger Abendblatt: “CDU fordert “ganze Härte des Rechtsstaats””, 04.05.2015), “Traurige Tradition“, “außer Rand und Band geratenen Randalierer“, “mit Böllern, Steinen und Flaschen beworfen und mit Fahnenstangen und Straßenschildern angegriffen” (BILD: “Bittere Bilanz der Mai-Krawalle”, 04.05.2015), “massiv die Polizeikräfte anzugreifen“, “Stein- und Flaschenhagel“, “Bereitschaftspolizisten und Pferdestaffel drängten die aufgebrachte Menge ab, nicht ohne Gegenwehr“, “auf der Feldstraße … der Straßenkampf tobte” (Die Welt: “In Hamburg folgen Krawalle auf Krawalle”, 04.05.2015), “Krawall-Orgie“, “relativ massiven Ausschreitungen“, “Krawalle seien in etwa so intensiv wie im Vorjahr” (und das bei angeblich 750 Leuten, statt 4.000 wie im letzten Jahr!), “Müllcontainer wurden in Brand gesetzt“, “Gewaltexzesse” (NDR: “Krawalle und Verletzte bei Demos in Hamburg”, 03.05.2015). Es war, wie es im Aufruf zum 1. Mai formuliert war: “Unser Weg ist nicht Versöhnung und Frieden mit dem Alten. Unser Weg ist die Rebellion gegen alles Reaktionäre. Anders darf es nicht sein. Anders kann es nicht sein. Wir wollen den Kampf gegen die imperialistische Bourgeoisie, ihren Staat, ihre Parteien und Institutionen. Auf dieser Grundlage demonstrieren wir am 1. Mai, auch 2015.” In diesem Kampf zeigte sich, dass die Probleme und Problemchen, die Differenzen und Widersprüche mit Mut und Entschlossenheit im Kampf gegen den Staat und seine bewaffneten Organe überwunden werden konnten. Den im Angesicht der hochgerüsteten Übermacht des staatlichen Terrors Kämpfenden gilt Hochachtung und die grausame Gewalt des Feindes gegenüber den Massen ist aufs Schärfste zu verurteilen. Als Illustration dafür, wie hart diese Gewalt war, der Bericht der Actionmedics Hamburg: “… eins der besagten Polizeipferde scheute auf und stoß den besagten Patienten mit dem Hinterteil von der Fahrradstange, nach erneutem aufschrecken des Pferdes trat dieses mit einem Huf gegen das Gesicht des Patienten … der Patient Mittelschwere bis Schwere Verletzungen davon trug …” Über Twitter berichten eben jene von insgesamt acht Schwerverletzten bis 20 Uhr an der Feldstraße.