Die Annexion der DDR war die Stunde der Kapitalisten. Für verhältnismäßig wenig D-Mark konnten sie Wälder, Äcker, Fabriken und ganze Stadtteile an Immobilen erbeuten. Sie waren die kämpfenden Truppen in einem Krieg gegen das sogenannte Volkseigentum der DDR-Bürger. Will man den Kriegsvergleich weiter bemühen, dann folgte wie in jedem Krieg auf die Frontsoldaten eine zweite Welle – „rückwärtige Dienste“, die die Versorgung der Truppen sicherstellen und das annektierte Hinterland befrieden. Das war die Chance angepasster westdeutscher Intellektueller. In Verwaltung, Universitäten und Kultur gab es überall Chefposten zu erobern.
Einer dieser zweiten Sorte Kriegsgewinnler ist Volkhard Knigge. Der Westdeutsche ist seit 1994 Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Die Gedenkstätte KZ-Buchenwald hatte eine zentrale Stellung in der Geschichtskultur der DDR und ist heute eine der wichtigsten Gedenkorte für das faschistische KZ-System auf dem Territorium der BRD. Dienstbeflissen machte sich Knigge ans Werk, die vermeintlichen Mythen über das Lager zu beseitigen, indem westdeutsche Geschichtspolitik an ihre Stelle gesetzt wurde. Unter seiner Ägide wurde die Existenz des Speziallagers Nr. 2 zunehmend skandalisiert und in die Nähe des Nazi-KZ gerückt. Als „Speziallager Nr. 2“ nutzen die Sowjetbehörden Teile der Infrastruktur des Konzentrationslagers weiter, um dort vor allem Funktionäre und Profiteure der faschistischen Diktatur zu internieren. Die Behauptung einer inhaltlichen Nähe beider Lager passt gut zur herrschenden Extremismus-Doktrin des Klassenstaats. Dabei wird natürlich verschwiegen, dass in dem Lager vor allem NS-Verbrecher einsaßen und diese keine Zwangsarbeit zu befürchten hatten. Die elenden Zustände im Lager stehen im Kontext allgemeiner Versorgungsknappheit in den Jahren nach dem Kriegsende. Die Rotarmisten und die Bevölkerung des Umlands hatten selbst nur eine unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten, etwas das für die Nazischergen vor 1945 nicht gilt.
Weiterhin wird unter Knigge der Einfluss der Kommunisten im KZ-Buchenwald verfälscht. Der Widerstand der kommunistischen Lagerorganisation wird systematisch kleingeredet, die Selbstbefreiung des Lagers im Kontext der herannahenden Alliierten relativiert. Die KPD-Organisation im KZ Buchenwald war die größte Ortsgruppe der illegalen KPD unter faschistischer Herrschaft. Der Vorsitzende der KPD Ernst Thälmann wurde im sogenannten Pferdestall des Lagers ermordet. Entsprechend groß ist die geschichtskulturelle Bedeutung des Lagers für Kommunisten, weshalb traditionell Gedenkveranstaltung für die gefallenen und gefolterten Genossen stattfinden. Diese sind der Gedenkstättenleitung selbstverständlich ein Dorn im Auge und werden zunehmend erschwert.
Anfang Oktober 2019 wurde aufgedeckt, dass unter Volkhard Knigge Mobbing, „Kontrolle und Angst“ herrschen, er mit einer „Gutsbesitzermentalität“ auftrete. Es ist kaum verwunderlich, dass Menschen, die für ihre reaktionäre Haltung installiert werden, auch im direkten Umgang reaktionär sind. Erstaunlich aber ist, dass die Vorwürfe schon seit 2016 bekannt sind. Offenbar hält die linksparteigeführte Landesregierung eine schützende Hand über Knigge, selbst bei dem Rauswurf des Gedenkstätte Dora Leiters Stefan Hördler im Mai 2019, die ohne Angabe von Gründen erfolgte. „Das Arbeitsgericht Erfurt erklärte mittlerweile zwei Abmahnungen gegen ihn aus formalen Gründen für ungültig.“ Offenbar ist Knigges Treiben ein weiterer Baustein zum staatstragenden Werden der Linkspartei, die sich von sozialistischen Altlasten nur zu gerne distanziert. Dafür werden auch Arbeiterrechte gerne geopfert, alles wie immer.
Einen ähnlichen Skandal gab es auch um Hubertus Knabe, dem ehemaligen Gedenkstättenleiter des DDR-Gefängnisses Hohenschönhausen. Als fanatischer Anitkommunist mit hohem Sendungsbewusstsein bekämpft er selbst in Talkshows fortschrittliche soziale Bewegungen und lobt den deutschen Imperialismus in höchsten Tönen. In seinem Arbeitsumfeld werden ihm Mobbing und patriarchale Übergriffe vorgeworfen, weshalb er selbst für andere namhafte Antikommunisten zur Unperson geworden ist. Die Punkband NVA hat ihm und seinesgleichen schon vor vielen Jahren eine passende Hymne gewidmet: „In Hohenschönhausen da gibt es einen Mann, der außer Lügenmärchen nichts erzählen kann. Jährlich wird sein Arbeitsplatz mit Steuergeld versehen, um im Auftrag der Regierung die Wahrheit zu verdrehen.“