Die junge Welt zeichnet in ihrer Berichterstattung über Miete verweigernden Großkonzerne und Krokodilstränen weinende Politiker letztere in einem rosigen Licht. Dem Autoren Jan Greve gelten diejenigen, die für die Bourgeoisie den Staat führen, als dümmlich-naive Moralisten.

 

Nachdem Konzerne wie Adidas, Deichmann und H&M - die durch Urlaubszwang sparen -  angekündigt hatten ihre Mieten nicht zu zahlen, um sich schadlos zu halten, äußerten sich verschiedene Minister empört in der Öffentlichkeit. Das analysiert Jan Greve folgender Maßen:

„Das Gejammere aus Berlin zeigt zweierlei. Zum einen, wie weltfremd führende Politiker auf die Gutmütigkeit kapitalistischer Konzerne sowie auf die Wirkung von Moralpredigten hoffen. Zum anderen, dass die als »Hilfe« bezeichneten Maßnahmen der Bundesregierung zumindest für Mieter kaum einen Effekt haben werden. Ob man nun im Frühling oder im Sommer wegen pandemiebedingten Mietrückstands aus der Wohnung geworfen wird, dürfte die Situation für die wenigsten grundsätzlich ändern. Ministerin Lam­brecht stellte am Wochenende noch einmal klar: »Mieter müssen selbstverständlich ihre Miete zahlen.«“

Vorstellungen von der Bourgeoisie als absolut bewusster Klasse für sich, die vollständig aus Individuen bestünde, die alle Karl Marx oder wenigstens das Schwein Carl Schmitt gelesen haben, und in vollem Bewusstsein ihr Interesse an Profit und Machterhalt verfolgen, sind Unfug. Doch das einzig weltfremde an diesem Zitat ist, dass der Autor den Politikern die beschwichtigende Propaganda tatsächlich abkauft. Das ist umso erstaunlicher, weil ihm durchaus auffällt, dass die bisherigen staatlichen Maßnahmen überhaupt nichts dazu beitragen, dass das Volk sich schadlos halten kann. Im Gegenteil entlarvt er die Augenwischerei des Staates bezüglich der Mieten des Volkes. Aber dass die Äußerungen der Politiker lediglich beschwichtigende Propaganda sind, damit das Volk sein Vertrauen in die Politiker, die es den Bonzen ermöglichen sich schadlos zu halten, während der Schaden auf das Volk abgewälzt wird, nicht verliert, fällt ihm nicht auf.
Vermutlich weil er selbst ganz schön viel Vertrauen in diesen alten Staat hat.