Kevin Kühnert hat seinen Rücktritt als Juso-Vorsitzender bekannt gegeben, um sich fortan für einen Parlamentsposten zur Wahl zu stellen. Über die Nachfolge Kühnerts wird bereits heiß debattiert. Kühnert selbst hat sich für eine weibliche Nachfolge ausgesprochen. Gegenwärtig prominenteste Kandidatin für den kommenden Juso-Vorsitz ist Jessica Rosenthal. Diese hat im SPIEGEL ein aufschlussreiches Interview gegeben und gibt tiefe Einblicke in die pseudo-radikalität der Handzahmen Jung“sozialisten“.
Rosenthal oszilliert zwischen konservativer Haltung und verbaler Radikalität. Einerseits möchte sie klassische Sozialdemokratie vertreten:
„SPIEGEL: Er ist als Juso-Chef schnell bekannt geworden und prägt mittlerweile das Bild der SPD. Haben Sie Angst, künftig in Kühnerts Schatten zu stehen?
Rosenthal: Nein. Wir sind als Jusos erfolgreich, weil wir uns als Team verstehen und von unserer Sache überzeugt sind. Wir haben seit 2019 zwei Jusos im Europaparlament, unsere Präsenz in den Parteigremien ist deutlich gestiegen. Wir lassen uns als Jusos nicht erzählen, dass etwas alternativlos ist. Als Juso-Vorsitzende möchte ich das sozialdemokratische Zukunftsversprechen erneuern. Jeder soll wissen: Die Welt morgen wird besser sein als die heute. Aber dafür müssen wir jetzt große Veränderungen gestalten. Daran arbeiten wir alle zusammen.“
Andererseits die Stimmen der jugendlichen Radikalität einfangen. Denn wie der Vorsitzende Mao richtig sagte: „Die Jugend ist die aktivste und lebendigste Kraft der Gesellschaft. Sie ist am meisten begierig zu lernen, am wenigsten konservativ im Denken, und dies besonders im Zeitalter des Sozialismus.“ (Mao, 1955, Der sozialistische Aufschwung im chinesischen Dorf). Rosenthal sagt:
„Ich bin Jungsozialistin. Bei mir gibt es keinen Etikettenschwindel. Ich will den Kapitalismus, der auf Ausbeutung beruht, überwinden. Nehmen Sie unser Gesundheitswesen: Es ist doch pervers, wenn Kinderkliniken schließen müssen, weil sie sich nicht rechnen. Die Gesundheitsversorgung muss in der Hand des Staates liegen. Und was ist mit den jungen Menschen? Die sind in der Bewältigung der Coronakrise leider weitestgehend vergessen worden.“
Dabei fragt man sich freilich, wie sie praktisch den Kapitalismus überwinden möchte. Ihre Antwort:
„Vor uns liegen große Aufgaben: Ich möchte, dass wir in spätestens 20 Jahren kostenlos den Nahverkehr nutzen können und dafür weniger Autos brauchen. Aber trotzdem in einer ökologisch umgebauten Industrie die besten, also nachhaltigsten Autos, in Deutschland bauen.“
Lassen wir uns diese Aussage kurz auf der Zunge zergehen. Die „Sozialistin“ Rosenthal möchte den Kapitalismus überwinden, aber simple Tagesforderungen wie kostenloser ÖPNV (der in einigen kapitalistischen Ländern wie Luxemburg bereits heute erreicht ist) wird auf 20 Jahre (!) nach hinten vertagt. Wenn bereits kostenloser ÖPNV eine Forderung mit jahrzehntelanger Vorlaufzeit ist, wann möchte sie dann beginnen die eigens geforderte Überwindung des Kapitalismus zu beginnen? Oder ist dies erneut nur reine Augenwischerei und eine leere Phrase um fortschrittlichere Kräfte hinter sich zu vereinen um sie dann auszubremsen und stets zu vertrösten? Wir kennen die Antwort bereits. Denn wer den Kapitalismus ernsthaft überwinden möchte tritt nicht der SPD bei geschweige denn ihrer Jugendorganisation.
Letztlich läuft auch der Rest des gesamten Interviews auf diese kleinbürglichen Schwankungen hinaus. Sozialismus ja, aber bitte nur durch Umverteilung (anstatt die Produktionsmittel zu vergesellschaften). Bessere Bildung durch Tablets für alle statt das bürgerliche Bildungssystem anzugreifen. Und insgesamt solle man sich doch ein Beispiel an der Bescheidenheit einer Andrea Nahles (!) nehmen. Aber auch sonst wünsche man sich zwar „linkere“ Kanzlerkandidaten wie Esken und Walter-Borjans, könne aber auch mit G20-Knüppel-Chef Olaf Scholz leben, sofern er ein einigermaßen „akzeptables Programm“ aufstellen würde. Opportunistischer und prinzipienloser geht kaum mehr.
Die SPD und ihre Jugendorganisation war bereits abgehalftert und gehört seit langem auf den Scherbenhaufen der Geschichte. Wie weit rechts sie inzwischen jedoch sind, und Jahr für Jahr reaktionärere Umtriebe zeitigen, verdeutlicht erneut, dass sie eindeutig zum Lager der Bourgeoisie gehören und keine Freunde von aufrichtigen Revolutionären und fortschrittlichen Kräften sind. Im Gegenteil: sie versuchen den Fortschritt aufzuhalten und jeden Vorstoß in die richtige Richtung entweder auf die lange Bank zu schieben oder auszubremsen. Sie gehören bekämpft und den Massen muss wiederkehrend ihr reaktionärer Charakter offenbart werden.