Rosa Luxemburgs 150. Geburtstag liegt gerade erst einige Tage zurück und reiht sich ein um die Zeit des Frauenkampftags. Doch bereits wenige Stunden nach ihrem Geburtstag warfen sich alle Arten von Revisionisten und Reaktionären auf ihre Geschichte, um ein wenig Abglanz auf ihre Politik zu entfalten. So meint ein jeder Revisionist, doch irgendwie in der Tradition der großen Rosa Luxemburg zu stehen und ihr ehrenwertes Andenken fortleben zu lassen.
Seien es Revisionisten wie DIE LINKE oder gar Reaktionäre wie die SPD; Stiftungen wie die namensgebende Rosa-Luxemburg-Stiftung, linksliberale Schmierblätter oder Gewerkschaften: Alle meinen mit der Führerin der Kommunistischen Partei Deutschlands mehr gemeinsames, als trennendes zu verbinden. Und dabei wird zur Gänze ausgeblendet, was sie zu Lebzeiten tat, sagte und weshalb ihr Leben ein abruptes Ende nahm.
Die Stimme der Anderen
Doch hören wir zunächst, was die ganzen ‚Freunde und Erben‘ Rosa Luxemburgs über sie zu behaupten meinen.
Die bürgerlichen Zeitungen sehen in Rosa Luxemburg eine Vorkämpferin des (bürgerlichen) Feminismus. Das Schmierblatt DER SPIEGEL schreibt daher in hochtrabenden Worten, statt marxistischer Eindeutigkeit über Rosa:
„Ein Kind zarter, idealistischer Bildung, eine Frau, die in vier Sprachen las, Verehrerin von Goethe – einerseits. Und andererseits: eine Predigerin für die Arbeiter, die keinen Schimpf, keine Dramatisierung scheute, geschult in einer marxistisch-brachialen Rhetorik, die immer aufs Ganze ging, weil es ihr um das Ganze ging.“1
Sie gilt den Bürgerlichen als Politikerin alter Zeit. Deshalb kann sie auch von „den heute drängenden Problemen – dem drohenden ökologischen Kollaps, der Übersetzung sozialer Gerechtigkeit in Fragen der Identität – konnte sie keine Ahnung haben“.2 So, als sei der Kapitalismus in eine gerechtere Phase eingetreten, der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit aufgelöst und nunmehr gänzlich neue Probleme zu tage getreten. Eine Albernheit, schaut man über die Borniertheit des eurozentristischen Tellerrandes hinaus in die dritte Welt – oder auch einfach nach Billstedt, dem ärmsten Hamburger Stadtteil, in dessen Bundesland der SPIEGEL ebenfalls seinen Hauptsitz hat. Rosa Luxemburg kämpfte sicherlich nicht ausschließlich gegen Widersprüche von gestern, sondern ist aktueller denn je. Und nur ein Kleinbürger käme auf die unverschämte die Idee von „[u]nsere[m] Reichtum im Materiellen, unsere behagliche Tändelei einerseits“3 zu sprechen; denn der Reichtum dieser Gesellschaft ist nicht unser, und behaglich ist es für die Arbeiterklasse in der Welt ganz sicher ebenfalls nicht. Denn der materielle Reichtum der Welt konzentriert sich in den Händen einiger weniger, und behaglich ist es nur für diejenigen, die nicht permanent von Existenzangst und Jobverlust bedroht sind. Insofern liest sich der gesamte Artikel als Aufzählung ihrer bürgerlichen Biographie, ohne jemals konkret auf die Errungenschaften ihrer politischen Kämpfe einzugehen; man schreibt nur unkonkret, um ihrem Intellekt zu huldigen ohne konkret auf die materiellen Lebensbedingungen zu zielen, auf den Rosasintellektueller Fokus lag. Nur so ist es auch möglich, zu der lächerlichen Schlussfolgerung zu gelangen, mit Rosa Luxemburg letztendlich imperialistische Bollwerke wie die Europäische Union zu rechtfertigen:
„Man kann diesen Nationalstaat als eine politische Form betrachten, die sich überlebt hat, als Notlösung vergangener Jahrhunderte, um einen Kontinent der zusammenbrechenden Vielvölkerreiche pragmatisch neu zu sortieren. In diesem Fall wäre man heute gut aufgehoben bei einer Bewegung wie der »Europäischen Republik«, deren konkrete Utopie ein Europa der gleichen Rechte und Pflichten als Rechtsnachfolger der EU ist.“4
Und der VORWÄRTS, Zentralorgan der reaktionären SPD hierzulande behauptet gar, man könne Rosa Luxemburg überhaupt nicht verstehen, wenn man eine politische Position beziehe:
„Die transnationale Biografie dieser Sozialistin (!sic), ihr Emanzipationsstreben und ihre intellektuelle Produktivität sind allerdings mit Parteinahme oder polarisierenden Bewertungen nicht zu greifen.“5
Damit auch die SPD Rosa Luxemburg am Weltfrauen-Kampftag irgendetwas positives abgewinnen kann, muss sie zunächst gänzlich gezähmt werden und ihrer radikalen Flügel gestutzt. So schlussfolgert das Zentralorgan auch, dass ihre „revolutionäre Systemtransformation“ eine Gefahr (!) darstellten, d.h. ein Irrweg gewesen sei. Diese essentielle Kritik vorausgesetzt kann man sich Luxemburg letztlich dann noch gut als Bürgerrechtlerin auf die Fahnen schreiben.
„Ihre Hoffnungen auf Lernprozesse innerhalb von Massenbewegungen oder eine revolutionäre Systemtransformation haben sich im 20. Jahrhundert als trügerisch und gefährlich erwiesen. Rosa Luxemburg unterschätzte die Gestaltungsspielräume für soziale Verbesserungen in demokratischen Rechtsstaaten, die allerdings den Raubbau und das destruktive Potenzial des global expandierenden Kapitalismus nie ganz eindämmen konnten“6
Besonders widerlich wird es allerdings dann, wenn auf den Mord an Luxemburg zu sprechen gekommen wird. Bekanntermaßen haben Freikorps unter Anleitung des Volksbeauftragten für Heer und Marine, Gustav Noske (SPD), den Mord an den Kommunistenführern Luxemburg und Liebknecht in Auftrag gegeben. Die Geschichtswissenschaft hierzu ist eindeutig. Der Offizier Waldemar Pabst, der den Mord der beiden Kommunisten seinen Soldaten befahl, hinterließ nach seinem Tod 1970 ein Schreiben, dass deutlicher nicht ausfallen konnte:
„Daß ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“7
Die Sozialdemokratie setzte alles daran die Novemberrevolution in Deutschland niederzuschlagen. Dazu holte sie die zumeistpolitisch rechten Freikorps8 ins Land und ließ die Konterrevolutionäre Willkürmord an den Revolutionären walten. Dabei wurde besonderen Wert aufden Kampf gegen die Führer der KPD, Luxemburg und Liebknecht, gelegt. In die Geschichte der Kommunisten hat sich daher in blutiger Schrift die Worte Gustav Noskes(ebenfalls SPD) verewigt, der über die Niederschlagung derNovemberrevolution in Deutschland sagte: „Einer muss der Bluthund werden!“, und den Verrat an der Arbeitersache rechtfertigte.
„Noske gehörte der Weimarer Nationalversammlung seit ihrer Konstituierung am 6. Februar 1919 an. Als Reichswehrminister im ersten Kabinett Scheidemann trug er die Verantwortung für die Niederschlagung der Aufständischen der Berliner Märzkämpfe, bei denen etwa 1200 Menschen getötet wurden. Hier erließ er am 9. März abends die Weisung: „Jede Person, die mit der Waffe in der Hand, gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu erschießen.“ Er war auch beteiligt an der Niederschlagung von einigen lokalen Aufständen, bei denen Räterepubliken errichtet werden sollten, unter anderem in München und in Bremen. Er bekam bei seinen Gegnern den Beinamen „der Bluthund“ oder „Blutnoske“, was auf seine eigene Darstellung der Entscheidung zur Niederschlagung des Spartakusaufstandes in seinen 1920 erschienenen Memoiren zurückgeht: „Der Kriegsminister, Oberst Reinhardt, formulierte einen Befehl, durch den die Regierung und der Zentralrat den Generalleutnant von Hofmann, der mit einigen Formationen nicht weit von Berlin war, zum Oberbefehlshaber ernannte. Dagegen wurde eingewendet, dass die Arbeiter gegen einen General die größten Bedenken hegen würden. In ziemlicher Aufregung, denn die Zeit drängte, auf der Straße riefen unsere Leute nach Waffen, stand man im Arbeitszimmer Eberts umher. Ich forderte, daß ein Entschluß gefaßt werde. Darauf sagte jemand: ‚Dann mach du doch die Sache!‘ Worauf ich kurz entschlossen erwiderte: ‚Meinetwegen! Einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht!‘ Reinhardt meinte, auf den Vorschlag habe er eigentlich immer gehofft. Ein Beschluss wurde mündlich so formuliert, daß die Regierung und der Zentralrat mir weitgehendste Vollmachten zum Zweck der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in Berlin übertrugen.“9
In Verkehrung der Tatsachen schreiben die heutigen Sozialdemokraten daher undifferenziert und unpersönlich von dem „zeitlichen Umkreis der grausamen Ermordung in den Revolutionswirren des Januar 1919“, so, als wäre der Mord an den beiden Kommunisten kein gezieltes Attentat, sondern ärgerlicher, aber gleichsam auch nützlicher Zufall gewesen. Das ist Geschichtsverkehrung, Revision historischer Tatsachen, oder kurz: eine Lüge. Konsequenterweise wird dann gänzlich verquer der KPD die Stilisierung der beiden Führer zur Märtyrern vorgeworfen; der KPD vorgeworfen Luxemburg und Liebknecht für sich instrumentalisieren zu haben. Als wären Luxemburg und Liebknecht nicht die Mitbegründer eben jener KPD gewesen. Die SPD versucht sich bis heute reinzuwaschen, will keine Verantwortung übernehmen und wirft dann noch mit Schmutz auf die aufrechten Kämpfer und ihrervon ihnen gegründete Partei. Kann man mehr in Schande und Elend untergehen als diese Verräter der Arbeiterklasse?
Und die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung der Revisionisten der Partei DIE LINKE schreiben in ihrer Broschüre zum 150. Geburtstag ihrer Namensgebenden Vorkämpferin: „Rosa Luxemburg ist und bleibt für die Rosa-Luxemburg-Stiftung Ansporn: für Wissenschaftlichkeit, Streitbarkeit, politische Leidenschaft und menschliche Integrität.“10 Im weiteren Verlauf wird von allen Seiten versucht Rosa als harmlose linke Wissenschaftlerin zu stilisieren, mit deren Theorien sich hervorragend post-marxistische Konzepte wie die „Care-Arbeit“11 belegen lasse. So verwundert es auch kaum, dass der Stiftung nach Rosa Luxemburg keine Kämpferin für die Diktatur des Proletariats, für den revolutionären Umbruch der Gesellschaft und Wegbereiterin für den Kommunismus gewesen ist, sondern freiheitsliebende Idealistin: „Sozialismus war für Rosa Luxemburg nichts anderes als die Ergänzung der politischen Freiheiten um die Freiheit von Ausbeutung und allen Formen der Abhängigkeit.“12 Kurzum: Rosa Luxemburg wird pervertiert um als zahnlose Ikone im Zuge ihrer Gewichtung als unleugbare revolutionäre Autorität der Geschichte noch jeden revisionistischen Müll glaubhaft zu machen der ihr untergeschoben oder zugesprochen wird. Sie wird missbraucht um jede marxistische Verdrehung zu bezeugen, weil man aus dem Kontext gerissene Versatzstücke nutzt um dem eigenen Opportunismus vorschub zu leisten. Sie wird ihrer Klauen gestutzt, ihrer eigenen radikalen Biographie beraubt und von einer heldenhaften Kommunistin und Mitbegründerin der ruhmreichen KPD zur stummen und blassen Gallionsfigur des bürgerlichen Feminismus degradiert. Statt sie als streitbare Revolutionärin zu begreifen, die schon vor über hundert Jahren begriff, dass innerparteilicher Kampf notwendig ist und Fortschritt bedeutet, verkehrt man die ‚Freiheit, als Freiheit der Andersdenkenden‘ zur Legitimation der Meinungsfreiheit für noch jeden bürgerlichen Schwachsinn ohne daraus praktischen Nutzen ziehen zu müssen.
Rosa Luxemburg, Führerin und Kommunistin
Unsere Aufgabe ist es die revolutionären korrekten Beiträge Rosa Luxemburgs zu verteidigen, in dem wir uns kritisch mit ihrem Werk und Erbe auseinandersetzen, das richtige annehmen und das falsche verwerfen. Aber sie war keine Bürgerrechtlerin, und schon gar keine Pazifistin. Sie war Kommunistin, Kämpferin ihrer Klasse, aber auch mit deutlichen theoretischen Fehlern behaftet. Gleichwohl Rosa nicht immer die Höhen des Kommunismus begriff, und Lenin sie daher mit einem Adler verglich, war sind dennoch in der Hauptsache eine herausragende Kommunistin:
„Wohl traf’s sich, daß des Adlers Flug ihn niedriger, als Hühner fliegen, trug, doch fliegen Hühner nie auf Adlershöh'n. (…) Aber trotz aller dieser ihrer Fehler war sie und bleibt sie ein Adler.“13
Ihr Vermächtnis besteht im unnachgiebigen Kampf gegen den Verrat an der revolutionären Sache. Gemeinsam mit Karl Liebknecht kämpfte sie in der II. Internationale gegen die Bewilligung der Kriegskredite zur Finanzierung des ersten imperialistischen Weltkrieges. Dafür nahm sie auch wiederkehrende Festnahmen und Gefängnis in Kauf.
Rosa Luxemburg war prinzipienfeste Antirevisionistin. Sie kämpfte gegen die Abweichung vom Marxismus und war dafür bereit jeden Preis zu zahlen. Sie war Kämpferin der Linken innerhalb der revolutionären Bewegung und infolgedessen konsequenterweise Mitbegründerin unserer Partei, der KPD. Was Lenin einst über Karl Marx schrieb, lässt sich mühelos auf alle standhaften Vorkämpfer des Kommunismus anwenden, und mehr denn je auf Rosa Luxemburg:
„Mit der Lehre von Marx geschieht jetzt dasselbe, was in der Geschichte wiederholt mit den Lehren revolutionärer Denker und Führer der unterdrückten Klassen in ihrem Befreiungskampf geschah. Die großen Revolutionäre wurden zu Lebzeiten von den unterdrückenden Klassen ständig verfolgt, die ihrer Lehre mit wildestem Ingrimm und wütenstem Haß begegneten, mit zügellosen Lügen und Verleumdungen gegen sie zu Felde zogen. Nach ihrem Tode versucht man, sie in harmlose Götzen zu verwandeln, sie sozusagen heiligzusprechen, man gesteht ihrem Namen einen gewissen Ruhm zu zur „Tröstung“ und Betörung der unterdrückten Klassen, wobei man ihre revolutionäre Lehre des Inhalts beraubt, ihr die revolutionäre Spitze abbricht, sie vulgarisiert. Bei einer solchen „Bearbeitung“ des Marxismus findet sich jetzt die Bourgeoisie mit den Opportunisten innerhalb der Arbeiterbewegung zusammen. Man vergißt, verdrängt und entstellt die revolutionäre Seite der Lehre, ihren revolutionären Geist. Man schiebt in den Vordergrund, man rühmt das, was für die Bourgeoisie annehmbar ist oder annehmbar erscheint. Alle Sozialchauvinisten sind heutzutage „Marxisten“ – Spaß beiseite! Und immer häufiger sprechen deutsche bürgerliche Gelehrte, deren Spezialfach gestern noch die Ausrottung des Marxismus war, von dem „nationaldeutschen“ Marx, der die zur Führung des Raubkrieges so glänzend organisierten Arbeiterverbände erzogen haben soll!“14
Nehmen wir daher den Revisionismus ernst. Begreifen wir den Revisionismus als den Todfeind, als die Bourgeoisie in den eigenen Reihen. Verstehen wir die Reaktionäre, die sich noch immer als „Sozial“demokratie maskiert und sowohl in Europa, als auch auf der gesamten Welt ihr Unwesen und ihren Kampf gegen unsere Reihen führt. Nehmen wir uns unsere prinzipienfesten Vorkämpfer zum Vorbild und lassen wir ihren heldenhaften Kampf gegen Opportunismus, Imperialismus und Reaktion fortleben.
Erinnern wir uns stets der Worte Lenins, die er in der Prawda zum Tod von Rosa und Karl schrieb:
„Heute frohlocken in Berlin die Bourgeoisie und die Sozialverräter - es ist ihnen gelungen, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu ermorden. Ebert und Scheidemann, die vier Jahre lang die Arbeiter um räuberischer Interessen willen zur Schlachtbank führten, haben jetzt die Rolle von Henkern proletarischer Führer übernommen. Am Beispiel der deutschen Revolution überzeugen wir uns, daß die „Demokratie" lediglich als Deckmantel für bürgerlichen Raub und brutalste Gewalt dient.
Tod den Henkern!“15