Der Fall Nemi El-Hassan zeigt, wie wenig es braucht, um in der deutschen Klassengesellschaft zur Unperson zu werden.
Bei der Fernsehjournalistin reichte eine Al-Quds-Demonstration 2014 und ein paar pro-palästinensische Facebook-Likes für den Karriereknick. Nach einem Sturm medialer Empörung darf sie das Wissenschaftsmagazin Quarks im Staatsfernsehen nun doch nicht moderieren. Dabei hatte sie sich von der Demonstrationsteilnahme noch untertänig distanziert und sie als Fehler bezeichnet.
Interessant ist, dass in diesem Fall rechte und linke Empörung Hand in Hand geht. Die linksliberale „Wokeness“ ist am Ende auch nur eine andere moralische Auslegung der imperialistischen Staatsräson. In deren Sinne ist Israel ein nützlicher Spaltpilz im Nahen Osten. Für die Bundesrepublik gilt darüber hinaus die Gleichsetzung von Juden und Israel als Instrument zur außenpolitischen Rehabilitation nach der Shoa. Waffenlieferungen an Israel sollen den Schwur von Buchenwald „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ als Perversion einlösen. In diesem Sinne ist das Bekenntnis zu Israel auch Legitimationsversuch neuer Weltmachtsambitionen.
In Kreisen, in denen die eigene Betroffenheit sonst über jedes Argument erhaben ist, zählt in diesem Fall auch El-Hassans Herkunft nichts. Nicht einmal dass ihre Familie aus Nablus vertrieben wurde, rechtfertigt politischen Aktivismus gegen die israelische Besatzungspolitik. Stattdessen framen sie einige Medien sogar als Islamistin. Dieser unscharfe, chauvinistische Kampfbegriff zeigt alle Abgründe dieses Themas auf: Muslimische Frau tut irgendwas Politisches, aha, Islamismus! Um solche Ressentiments zu bedienen wurde sie in den Artikeln auch gerne mit Kopftuch gezeigt, obwohl sie dieses schon einige Jahre nicht mehr trägt.
Es geht bei diesem Fall nicht hauptsächlich um El-Hassan, sondern darum, dass die Herrschenden in den letzten Jahren erfolgreich darin waren, den Diskurs gegen die Palästinenser und andere unterdrückte Völker zu verschieben. Stichwortgeber waren dabei oft die der linken Szene entstammenden Antideutschen. Gegen diesen zutiefst reaktionären Trend braucht es die unverbrüchliche Solidarität mit den Kämpfen aller unterdrückten Völker.