Die Betriebsversammlung von VW am vergangenen Mittwoch erscheint wie ein Startschuss für eine ganze Reihe an Protesten und Streiks, die besonders diese Woche im ganzen Bundesgebiet stattfanden. In der Tat haben diese sich schon länger angebahnt und finden nun insbesondere im Kontext der beginnenden Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie statt, allerdings gibt es auch wichtige Arbeitskämpfe in anderen Sparten.

In den Tarifgebieten Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen am Mittwoch,am Donnerstag in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen und am Freitag in Berlin-Brandenburg, in der „Mittelgruppe“ (Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland), im Tarifgebiet Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim sowie in Sachsen-Anhaltstartete diese Woche die erste Verhandlungsrunde zwischen den regionalen Arbeitskäuferverbänden der Metall- und Elektroindustrie und der IG Metall, die 7 Prozent mehr Lohn und für Auszubildende 170 Euro monatlich mehr fordert. Diese Forderung wurde von den Arbeitskäufern deutschlandweit blockiert, weshalb sich alles erst mal nach hinten verschiebt. Die IG-Metall-Spitzen in Niedersachsen sprachen immerhin von einer „respektvollen“ Atmosphäre, die Arbeitskäufer gar von „konstruktiv“. Weniger "konstruktiv" im Sinne der Bourgeoisie waren die Arbeiter, von denen unter anderem in München 5000 entschlossen auf die Straße gingen:

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Quelle: ardmediathek.de

Beim Automobilzulieferer ZF gingen an einem bundesweiten Aktionstag am Dienstag gegen die Kündigung von 14.000 von 54.000 Mitarbeitern bis 2028 mehr als 20.000 Arbeiter auf die Straße, darunter 4000 am Hauptstandort in Friedrichshafen, 3500 in Saarbrücken, 3500 in Schweinfurt.

ZF Arbeiter ziehen durch Friedrichshafen Quelle BusinessInsider

ZF-Arbeiter ziehen durch Friedrichshafen (Quelle: BusinessInsider)

In Essen blockierten Arbeiter am Donnerstag den Zugang zum Firmensitz der Thyssenkrupp AG, wo der Aufsichtsrat um BDI-Chef Russwurm, Kruppstiftungs-Chefin Ursula Gather und Konzernchef Miguel Ángel López Borrego gerade tagen und vermutlich über die geplanten Entlassungen und möglichen Schließungen, besonders in Duisburg, verhandeln wollten. Die Blockade führte auch zu Beeinträchtigungen im Berufsverkehr. Die Stahlarbeiter ließen eine Menge an Wut raus, was durch die IG Metall fälschlicherweise und zynischerweise auf eine Einzelperson – Lopez – und dessen angeblich „menschenverachtendes Wirtschaften“ kanalisiert wurde, was den Imperialismus als Problem verschleiert und besonders die Verbrecher aus dem Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel um Sigmar Gabriel, die sich alle mit dem Vorwand „Lopez“ aus dem Staub gemacht haben, in Schutz nimmt. Nichtsdestotrotz war die Aktion der Arbeiter entschlossen und ausdrucksstark:

Thyssenkrupp Protest in Essen Quelle WAZ Essen 2

Protest vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen. Links wird ein als Lopez verkleideter Stahlarbeiter mit Wasserbomben abgeworfen, rechts die Zufahrt zur Zentrale blockiert (Beide Bilder: waz.de)

Bei Volkswagen fand schon letzte Woche ein Protestmarsch statt im Rahmen der Betriebsversammlung für die Werke Chemnitz, Zwickau und Dresden in Sachsen, wo die Sparpläne der Konzernführung kundgetan wurden. 5000 Beschäftigte der drei Werke demonstrierten vor der Fabrik in Zwickau. Die Konzernführung befindet sich derweil auf einer Luxustagung in Stockholm.

Zwickau Quelle mdr Zwickau2

Protest in Zwickau (Quelle: Mitteldeutscher Rundfunk)

Die VW-Tochter Audi spielt derweil mit dem Gedanken, ihr Werk in der belgischen Hauptstadt Brüssel zu schließen. Als Protest konfiszierten die Arbeiter dort vergangene Woche die Schlüssel von 200 zur Auslieferung fertigen Q8 e-tron und kündigten an, sie nur zurückzugeben, wenn es Sicherheit für die Zukunft des Standorts gebe. Die Schlüssel wurden am Dienstag zwar zurückgegeben, dafür entzündete man vier Autoreifen vor den Toren des Werks, die das Audi-Logo symbolisieren sollten. Die Produktion im Werk ist noch nicht wieder hochgefahren, da viele weiterhin im Streik sind und nur einzelne sich zur Kooperation bereit erklärt haben.

Audi Brüssel Quelle tagesschau

Quelle: tagesschau.de

Unter anderem in München, Frankfurt, Stuttgart, Mannheim, Düsseldorf, Hamburg und Bremen legten Mitarbeiter der DB Schenker die Arbeit am Mittwoch für eine Viertelstunde nieder, um gegen den Verkauf des Unternehmens in den Händen der deutschen Bahn nach Dänemark und damit mindestens knapp 2000, im schlimmsten Fall über 5000 Kündigungen zu protestieren.

DB Schenker Arbeiter am Stuttgarter Flughafen Quelle Süddeutsche

DB Schenker Arbeiter am Stuttgarter Flughafen (Quelle: Süddeutsche Zeitung)

Derweil fand in Frankfurt am Main die zweite Tarifverhandlungsrunde im Gebäudereinigungs-Handwerk statt. Die IG Bau hielt an ihrer Forderung von drei Euro mehr pro Stunde fest, die Verhandlungen scheiterten wieder. Aktionen gab es unter anderem in Dresden, Magdeburg und Hannover.

Magdeburg Gebäudereiniger Hannover Gebäudereiniger Quelle IG BAU

links Magdeburg, rechts Hannover (Quelle: IG BAU)

In der Hauptstadt kam es derweil am Donnerstag zum nächsten Kita-Streik, an dem sich rund 2000 Erzieher beteiligten. In der kommenden Woche ist eine Urabstimmung zum Eintritt in einen Erzwingungsstreik, d.h. in einen echten Streik, geplant, bei der drei Viertel der Stimmberechtigten für den Streik stimmen müssten, damit er eingeleitet wird. Verdi-Sekretärin Tina Böhmer versucht allerdings, Wind aus den Segeln zu nehmen: „Die Beschäftigten wollen keinen Erzwingungsstreik, sondern einen Entlastungstarifvertrag“. Als würden diese Sachen im Gegensatz stehen, vor dem Hintergrund, dass der Berliner Senat sich völlig querstellt und Böhmer & Co. offensichtlich auch nicht für ihre überschaubaren Forderungen Verhandlungserfolge aufweisen können.

Kita Streik Berlin

Quelle: taz.de

Morgen geht es gleich weiter. Zum Beginn der Metall-Elektro-Tarifrunde im IG Metall Bezirk Küste, der Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und das nördliche Niedersachsen umfasst, wird es eine große Demonstration in Hamburg geben. Zudem beginnen am 25. September die Verhandlungen für den Haustarifvertrag bei Volkswagen, spätestens dann können große Proteste in Wolfsburg und an anderen Standorten erwartet werden.