Als die BRD nach dem Zweiten Weltkrieg wieder mit den braunen Eliten besetzt wurde, um ein Bollwerk gegen den Bolschewismus zu schaffen, wollte man vom antifaschistischen Widerstand nichts wissen. Erst ab den 60er/70er Jahren wurde es zunehmend opportun, sich auf „das andere Deutschland“ zu berufen und den Nationalmythos einer geläuterten Nation zu kreieren.
Das Problem war nur, dass der hauptsächliche Träger des Widerstands Kommunisten waren, woran auch die bürgerliche Geschichtsschreibung kaum rütteln konnte. Staufenberg war ein Militär und Halbfaschist, der wie viele seiner Mitverschwörer lange Zeit in führender Position mitgemacht hatte. Die Mitglieder der Weißen Rose waren zwar unbescholten, aber zur Zeit der Machtübertragung an die Faschisten noch Kinder. Somit stehen sie als Symbole eines zivilen bürgerlichen Widerstandes eher im Abseits. In dieser Rolle erinnerte man ab den 90er Jahren schließlich an Georg Elser: Der Einzeltäter, der 1939 Hitler mit einer Bombe im Bürgerbräukeller töten wollte.
Der Film „Elser – Er hätte die Welt verändert“ (2014) setzt direkt mit der Tat ein. Das ist keine schlechte Entscheidung, denn der gescheiterte Anschlag selbst ist den meisten Zuschauern bekannt. Spannend hingegen sind die Vorgeschichte und die Motivation des Attentäters, die im anschließenden Folterverhör aufgerollt und in Rückblenden erzählt werden. Dabei ist dem Film anzurechnen, dass er mit dem klassischen Elser Bild bricht. Er erscheint dort nicht als der Einzelgänger, der ohne eine weitergehende Politisierung, Hitler sprengen will. Den so wurde er bisher oft dargestellt, als jemand der irgendwie tugendhaft ist und mit großer Naivität „das Richtige“ tun wollte. Stattdessen hat Elser im Film immer wieder Kontakt zu einer KPD-Gruppe, die als einzige frühzeitig vor den Nazis warnt und ihnen Paroli bietet. Als nach 1933 einer seiner ehemaligen Genossen im KZ landet, geht Elser das Risiko ein, mit ihm Kontakt zu halten. Die schlimme Behandlung der Häftlinge überzeugt ihn endgültig, dass die Faschisten gewaltsam gestoppt werden müssen. Diese Darstellung ist treffend, denn auch der historische Elser war kein Idealist bürgerlicher Demokratie, sondern war nachweislich Mitglied des Roten Frontkämpferbundes. Als angestellter Schreiner litt er unter den immer stärker sinkenden Löhne am Ende der Weimarer Republik und unter den Faschisten. Auch der Film-Elser nennt die arbeiterfeindliche Politik der Nazis als eine seiner Tatmotive. Das ist sehr gut, denn der geschichtsrevisionistische Mythos, dass die Faschisten ja doch recht viel für die Arbeiter getan hätten, hält sich leider bis heute hartnäckig.
Die Richtigstellung des politischen Kontextes, in dem Elser gehandelt hat, macht den Film empfehlenswert. Das große Problem, dass dem Stoff geschuldet ist, bleibt, dass das Attentat Elsers zwar ein mutiger Schritt in die richtige Richtung war, es allein aber vermutlich nicht gereicht hätte, um „die Welt zu verändern“. Es ist sinnlos über alternative Geschichte zu diskutieren, aber die Annahme, dass die Tötung Hitlers und einiger hoher NSDAP-Funktionäre den Krieg verhindert hätte, muss in Zweifel gezogen werden. Zu groß war die Massenbasis der Faschisten zu dieser Zeit und zu gefestigt ihre Herrschaft. Was es dafür gebraucht hätte, wäre die Militanz der Massen, einen Volkskrieg. Der Verantwortung diesen zu initiieren und zu führen ist die KPD, aus Gründen die diesen Rahmen sprengen würden, nicht gerecht geworden. Dieses Problem wird im Film durch den inhaftierten Genossen verkörpert. Elser deutet ihm gegenüber seinen Plan an, indem er sagt, dass man etwas Radikales gegen „die Führung“ tun müsse. Der Genosse erwidert: „Den Hitler stoppen das müssen andere machen, das Ausland, generell, aber wir sind zu schwach, Schorsch.“
Die schauspielerische Leistung in „Elser – Er hätte die Welt verändert“ ist durchweg gut. Christian Friedel mimt einen überzeugenden Elser. Der Wechsel der unterschiedlichen Zeitebenen hält die Spannung in dieser bekannten Geschichte aufrecht. Der Film kann unter anderem auf einer populären Streaming Website geschaut werden.