Genau wie das Sylt-Video ist auch der als „Anzeigenhauptmeister“ Karriere machende Niclas Matthei kein „Vorfall“ oder spontaner Trend, sondern eine Sache, dessen Verbreitung ein Teil der herrschenden Klasse in Deutschland in ihrem Interesse gezielt gefördert hat, angefangen mit einer Spiegel-TV-Reportage.

Der 18-jährige Preuße aus Gräfenhainchen erntet, anders als man denken könnte, nicht nur Hass für seine Jagd auf Falschparker im ganzen Land, sondern hat sich als Trendfigur mittlerweile unter nicht wenigen Leuten beliebt gemacht. Rapper Finch hat ihm ein Lied geschrieben, mehrere YouTuber, darunter Leon Machère und MontanaBlack, welcher ihn wenige Wochen zuvor noch scharf und relativ treffend kritisiert hatte, machten Streams mit ihm bei Anzeige-Rundgängen, und mittlerweile ist er regelmäßig dort, wo er gerade Anzeigen verteilt, ein „Special Guest“ in einem lokalen Club. Veranstalter zahlen dem nach Paragraphen lebenden Deutschen gutes Geld und können dafür einen erfolgreichen Abend erwarten, denn viele Jugendliche kommen, um Matthei zu sehen. Man kann Fotos mit ihm in voller Montur machen, Knöllchen gegen Freigetränke eintauschen und beim „Blasen beim Meister“ Alkoholtests machen.

Zugleich hat die Stadt Neumünster ihre Bürger dazu auf, sich Matthei zum Vorbild zu nehmen und Falschparker anzuzeigen. Die BRD führt eine Kampagne, die an den deutsche Untertanengeist in den Menschen appelliert und zu mehr Denunziation aufruft, weil das eine Sache ist, die sie perspektivisch im Bekämpfen der Revolution noch viel mehr brauchen werden. Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant, pflegte man früher zu sagen.

Ein sehr aktuelles Beispiel dafür ist das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz. Es ist vergangenen Juli in Kraft getreten, und in vielen Unternehmen werden die Mitarbeiter in den zentralen Punkten davon jetzt unterwiesen. Jeder im Unternehmen, so der Gedanke, soll jetzt wissen, wie er richtig denunzieren kann und wie gut er durch den Staat abgesichert ist, das zu tun. Ein bisschen Material einstecken oder auch ein Kennzeichen einer verbotenen Organisation tragen – es wird appelliert und verpflichtet, alles Strafrelevante an interne oder externe Meldestellen (Bundesamt für Justiz) weiterzugeben. Klar ist, dass diese Regelung in erster Linie migrantische Arbeiter trifft, denn diese stehen in der Regel „unter“ dem deutschen Arbeiter und werden vom Untertan deutlich eher verpfiffen. Das Hinweisgeberschutzgesetz ist die Adaption einer Richtlinie der EU, welche schon diverse Meldekanäle eingerichtet hat, unter anderem beim Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung, das lustigerweise den Kurztitel OLAF trägt.

Mit dem "Anzeigenhauptmeister" wird das Denunziantentum salonfähiger, und die BRD wird in ihrer Reaktionarisierung weitere Gesetze auf den Weg bringen, um es zu fördern.

 

Bild: Niclas Matthei in einem Club in Hagen (Quelle: bild.de)