Wir dokumentieren eine Anekdote zur Europwahl, die uns zugesandt wurde.
Es stehen mal wieder Wahlen an, um genauer zu sein Europawahlen. Überall in Essen findet man die einschlägigen Wahlplakate der bürgerlichen Parteien mit mehr oder weniger markigen Slogans und den üblichen Versprechungen, dass wir nur unser Kreuzchen bei Ihnen zu machen brauchen und uns damit ein besseres Leben beschert wird. Parallel dazu findet man dann noch überparteiliche Werbung für die Europawahl. Sei es vom DGB oder der Vereinigung des deutschen Mittelstandes. „Geht Wählen um den Rechtsruck zu verhindern“, „Wählt ein soziales Europa“, „Für Stabilität und Klimaschutz, am 26.05 Wählen gehen“. Nicht mal in der Bahn ist man davor bewahrt das einem diese Propaganda ins Gesicht springt, weil inzwischen ganze Straßenbahnwaggons voll damit sind. Doch diese leeren Versprechungen und bunten Plakate locken niemanden wirklich hinter den Ofen hervor, zumindest dort wo ich wohne. Ich komme aus Essen-Altendorf und damit ist eigentlich schon viel gesagt, wenn man von hier kommt. Dieser Stadtteil ist für vieles berühmt, aber nichts davon macht die Herrschenden wirklich stolz. Hier ist es normal, dass jeder Zweite arbeitslos ist und die Hälfte derjenigen die arbeiten geht muss auch noch beim Amt aufstocken. Soviel zur ihrer schönen neuen Welt. Wenn man durch das Viertel läuft dauert es keine 5 Minuten bis einem ein Bullenwagen über den Weg fährt, meistens um die Anwohner zu schikanieren und grundlos zu kontrollieren. Das hat auch seinen Grund, denn Altendorf kommt nicht zur Ruhe. Ein Blick in die Zeitung genügt dafür. Hier ist es nichts Ungewöhnliches wenn auch mal die Staatsmacht wortwörtlich auf die Fresse fliegt, wenn sie mal wieder den Bogen überspannt. Die Rechnung dafür kriegt man dann zwei- und dreifach zurück, aber so richtig entmutigen tut das keinen, dass ist nun mal das Leben hier. Letzten Freitagabend war ich unterwegs, ich kam zurück von Freunden und es muss schon etwas später gewesen sein. Auf den Straßen war noch halbwegs was los und ich ging über den Markt, weil ich in der Nähe wohne. Irgendwo in der Halbdunkelheit hörte ich laute Geräusche wie von etwas was auf dem Boden fliegt. Ich dachte mir nichts dabei und ging meinen Weg, sowas ist hier nichts Überraschendes. Als ich weiter ging hörte ich hinter mir eine Frau rufen „Macht sie alle ab!“
Ich drehte mich um und sah mehrere maskierte Personen die gerade dabei waren sämtliche Wahlplakate auf dem großen Marktplatz abzureißen. In diesem Fall, der MLPD, weil CDU und Co. wohl jegliche Hoffnungen verloren haben in diesem Stadtteil noch Stimmen zu bekommen. Die Frau kam den beiden etwas näher und sagte Ihnen, dass hinter dem Häuserblock an der Hauptstraße noch mehr von den Wahlplakaten sind. Sie bedankten sich bei der Frau und riefen ihr zu das nur der aktive Wahlboykott und der Kampf gegen das System den Menschen hier etwas bringt. Ich muss sagen, auch wenn hier so einiges passiert, was woanders ein Aufschrei wäre, sowas habe ich noch nicht gesehen. Die junge Frau setzte der ganzen Szenerie jedoch noch einen drauf und rief frei heraus „Ich bin Wahlhelferin, aber ich mach dat nur wegen der Kohle, die ganzen Parteien können mich mal gern haben“. Da ging einer der Maskierten auf sie zu und sagte „Nur das organisierte Proletariat kann die politische Macht ergreifen!“ und die wahlboykottierende Wahlhelferin stieß ein „Jawoll“ heraus.
Ich blieb noch einen kurzen Augenblick stehen um die Eindrücke richtig zu verarbeiten und setze mich dann wieder in Bewegung.
Dieses System und seine Herrschenden müssen wirklich am Ende sein, wenn selbst ihre Wahlhelfer dem Wahlboykott applaudieren.
Ich war am Ende des Marktes angekommen und sah eine Bullenstreife um die Ecke kommen, ich drehte mich um, aber die Maskierten waren weg.
Dafür war der ganze Platz übersäht mit kaputten Wahlplakaten.
Ich musste etwas schmunzeln, während der Polizeiwagen an mir vorbei fuhr.
Altendorf kommt nicht zur Ruhe, zumindest nicht für die Herrschenden.