Genossen in Norddeutschland haben ein Interview mit einem Jugendlichen über seine Perspektiven in der "Corona-Krise" gemacht. Auch wenn es vielen in Deutschland wahrscheinlich schlechter geht, macht sich doch zunehmend auch Perspektivlosigkeit unter den Jugendlichen aus unterschiedlicher Herkunft breit.

 

Moin! Du planst, im Sommer eine Ausbildung anzufangen?

Ja genau, plane ich. Was daraus wird, kann ich aber noch nicht genau sagen. Ich habe mich auf unzählige Stellen im Handwerk beworben, aber das meiste steht aufgrund der aktuellen Situation rund um Corona still. Wohlgemerkt, der Betrieb läuft ja bei fast allen weiter, aber das Thema Azubis ist im Augenblick vom Tisch.

Womit begründen die das denn?

Naja, die wollen ja auch erst mal wissen, wen sie sich da angeln. Heißt, die machen Einstellungstests, unterschiedliche Vorstellungsgespräche und so weiter. Größere Unternehmen haben ja mittlerweile eine oft eine eigene „Recruiting“-Abteilung, die sozusagen für das Scouten von Leuten, mit denen man am besten Geld machen kann, verantwortlich sind. Die sind dann aber zum Teil in anderen Städten, also fallen die Tests und die Gespräche weg. Die andere Seite ist aber noch wichtiger, glaube ich. Nämlich dass viele nicht genau einschätzen können, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Das sagen die auch so. Und in so einer Situation wollen die dann halt erstmal keine Auszubildenden, sondern, dass die Zukunft der Firma gesichert ist. Hab ich also Pech gehabt.

Und wie reagierst du auf diese Situation?

Weiter bewerben, hilft ja nichts. Ich habe jetzt auch eine Stelle in Aussicht, allerdings überhaupt nicht das, was ich mir gewünscht hatte. Ich gehe trotzdem davon aus, dass es gut sein kann, dass ich, wenn ich mich nicht für die entscheiden sollte, mit leeren Händen dastehe. Also ist für mich das Ergebnis am Ende eine vermutlich, dass ich eine schlecht bezahlte und sehr kräftezehrende Ausbildung anfange, die mir alles andere als Spaß macht. Da sieht man doch mal wieder – kommt man aus der Schule, wird einem erzählt, dir stünden alle Türen offen, jetzt hingegen wirbt man damit, dass ich mit der Ausbildung sicherlich immer Arbeit haben werde. Aussuchen, wo ich hin will, konnte ich nicht. Da wird doch klar, was freier Arbeitsmarkt bedeutet: Nicht ich bin frei, mir das auszusuchen, was ich machen möchte, sondern die Chefs können sich frei aussuchen, wen sie nehmen wollen! Das ist kein offenes Angebot für mich, sondern der Zwang, für jemand anderes zu arbeiten!

Die nächsten Monate werden sicherlich auch nicht besonders angenehm…

Ich bin durch das Kontaktverbot quasi isoliert von Freunden und sonstigen Kontakten und muss auf Kosten meiner Eltern leben. Eigentlich wollte ich ein Praktikum machen, aber auch das ist jetzt abgesagt worden. Hier heißt es Corona, da meldet man sich einfach gar nicht mehr. Einfach hingehen, kurz schnacken und dann zwei Wochen da mal mitarbeiten ist heute nicht mehr – bei jeder Bewerbung muss man heute ja sowieso in irgendwelchen Online-Portalen sämtliche persönliche Daten preisgeben und dann wird das über ganz andere Wege geregelt. Genauso bei der Sache, die man jetzt stattdessen machen kann: befristete Jobs in der Versorgung. Auch hier habe ich mich bei zahlreichen Supermarktketten, die an einem persönlichen Gespräch erst „in der vierten Bewerberrunde“ interessiert sind, beworben, und keine oder negative Rückmeldungen bekommen. Klar, da wollen jetzt natürlich alle, denen die Arbeit gekürzt oder genommen wird, hin. Aber das zeigt doch auch wieder, dass sie nur so lange Interesse an einem zeigen, so lange sie ihn brauchen, um an seiner Arbeit zu verdienen. Jetzt habe ich Aussichten auf eine schlechte Ausbildung und auf Beschäftigungslosigkeit bis dahin. Sie haben ihre Krise, wir müssen dafür blechen.

Geht es deinen Freunden da ähnlich?

Ja, klar. Die Frage ist im Augenblick, wie viel Geld die Eltern haben, weil die meisten dann doch noch finanziell abhängig von ihnen sind. Wenn das knapp wird, wird es natürlich zunehmend unangenehm. Aber auch so merkt man gerade, dass viele meiner Freunde und ich einfach keine Perspektive für sich sehen. Wenn Corona vorbei ist, haben wir dann Zeit, das Verpasste nachzuholen? Mit Sicherheit nicht. Wenn Corona vorbei ist, wirds bestimmt lange nicht besser. Dann müssen wir eben Wege finden, uns selber eine vernünftige Perspektive zu schaffen.