Wie privatisierte Krankenhäuser die Gesundheit der Massen gefährden
Seit dem Ausbruch der sog. Corona-Pandemie stehen die Gesundheitssysteme im besondern Fokus. Regelmäßig wird über den sogenannten „Pflegenotstand“ in deutschen Kliniken gesprochen, sowie die Rentabilität thematisiert bzw. infolge über die Bettenanzahl in den Krankenhäusern gestritten. Besonders die Intensivbetten stehen dabei in der Betrachtung, deren Kapazität im Zuge der grassierenden Pandemie mehrmals moniert wurde. Dabei ist es kein Geheimnis, dass der kritische Moment einer Gefährdung der Gesundheit der Menschen hierzulande längst überschritten ist. Neben schneller Abwicklung von Patienten um die Betten möglichst rasch für Neue frei zu bekommen, sind überarbeitetes Personal, schlechte Bezahlung und mangelnde Hygienestandards (die infolge sogenannte Multiresistente Keime (MRSA) grassieren lassen) Grund für eine ernst zu nehmende Gefährdung der Bevölkerung.
In den Debatten tritt dabei häufig die Illustration von „Flatten-the-curve“ zutage. Das beutetet, wir alle sollten dafür sorgen, dass die Kapazität der kaputtgesparten Krankenhäuser nicht überlastet wird. Warum es aber nur ein „Flatten-the-curve“, und kein „Raise-the-curve“ (also die Kapazität ausbauen und in das Gesundheitssystem stärker zu investieren) ist, soll anhand des Ausverkaufs von Hamburg Krankenhäusern verdeutlicht werden. Diese ehemals staatlichen Krankenhäuser wurden 2004 im Zuge der Privatisierung an die Privaten Unternehmen Asklepios und Helios verscherbelt. (Helios ist in Hamburg der kleinere Besitzer von ehemals staatlichen Krankenkäusern und besitzt nur zwei Kliniken. Asklepios hingegen ist der grosse Gewinner im Ausverkauf gewesen und besitzt in der Hansestadt neun Kliniken) Im folgenden dazu ein kurzer Geschichtsüberblick.
Der Ausverkauf
Unter der CDU-geführten Hamburger Regierung Ole von Beusts wurde das erste mal deutlich der Vorschlag eines Verkaufs der staatlichen Krankenhäuser formuliert. Diese seien zu teuer, zu ineffektiv, und sowieso könne der Markt alles besser regeln als staatliche Akteure. Es sei ein Gewinn für alle Beteiligten. Für die Stadt einerseits, weil sie weniger Steuergelder für die Instandhaltung der Krankenhäuser ausgeben müsse, und für die Käufer von Asklepios und Helios andererseits, weil diese mit den Krankenhäusern erzielte Gewinne behalten dürften.
Gegen diese alberne Milchmädchenrechnung regte sich auch direkt Widerstand bei der Hamburger Bevölkerung. Ganz allgemein war bekannt, dass diese Rechnung nie im Sinne des Volkes ausgehen würde und man diese stattdessen weiterhin unter öffentlicher Kontrolle behalten müsse. Deshalb wurde direkt ein Volksentscheid initiiert, der mit einer eindeutigen Mehrheit von 76,8% gegen den Verkauf der kommunalen Krankenhäuser ausging. Was dann jedoch folgte, ist eine Politscharlatanerie, wie sie so offen und direkt selten vorkommt. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ formulierte es in einem Artikel 2016 ganz offen: „Gegen den Willen der Bürger wurde der größte Teil der Krankenhäuser von 2004 an schrittweise an den privaten Betreiber Asklepios verkauft.“ ( https://www.zeit.de/2016/24/asklepios-kliniken-kritik-profite-bundesaerztekammer ) Die Tageszeitung (TAZ) beleuchtet den Prozess ein wenig tiefgreifender: „Vor zehn Jahren stimmten die Hamburger gegen einen Verkauf der städtischen Krankenhäuser. Verkauft wurde trotzdem. (….) Zwei Monate später verkündeten die Hamburger Bürger, was sie davon hielten. Am 29. Februar 2004 gingen annähernd 800.000 Menschen an die Urnen, um über den mehrheitlichen Verkauf ihrer Krankenhäuser abzustimmen. 76,8 Prozent, fast 600.000 Menschen, waren dagegen. Die nunmehr allein regierende CDU um Ole von Beust aber nicht. Sie ignorierte die Entscheidung der Hamburger Bürger. Als auch das Hamburger Verfassungsgericht den Volksentscheid für nicht bindend erklärte, beschloss sie, die Krankenhäuser mehrheitlich an die Asklepios Kliniken GmbH zu verkaufen – Stichtag 1. 1. 2005.“ (…) Mit der Entscheidung, ihre öffentlichen Krankenhäuser zu verkaufen, lag die Stadt Hamburg im Trend. Seit Anfang der 90er-Jahre trennten sich immer mehr Kommunen von ihren defizitären Krankenhäusern. Waren in Deutschland 1991 noch fast die Hälfte aller Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft und lediglich knapp 15 Prozent privatwirtschaftlich organisiert, sind mittlerweile über 30 Prozent der Krankenhäuser in privater Hand, und damit knapp mehr als in öffentlicher. Den größten Anteil stellen derzeit die sogenannten freigemeinnützigen, meist kirchlichen Träger, wenn auch mit abnehmender Tendenz.“ (https://taz.de/Privatisierung-in-Hamburg/!5047372/ )
Mit der Gesundheit Gewinne zu erzielen war bis Anfang der 1990er Jahre kein Selbstläufer. Der Ausverkauf entwickelte sich erst langsam. Die Hamburger Morgenpost beleuchtet den Vorgang:
„1992 waren die Krankenhausbudgets mit dem Gesundheitsstrukturgesetz gedeckelt worden: Das Selbstkostenprinzip, nach dem ein Krankenhaus seine entstehenden Kosten ersetzt bekommt, wurde fallengelassen. So konnten Krankenhäuser erstmals Defizite oder aber auch Gewinne erwirtschaften. Hinzu kam ein schrittweiser Wechsel in der Art der Bezahlung - weg von krankenhausindividuellen Tagespauschalen, hin zu allgemeingültigen, sich an den durchschnittlichen Kosten aller Krankenhäuser orientierende Fallpauschalen. So sollten Liegezeiten reduziert und Betten abgebaut werden. Unwirtschaftlich arbeitende Krankenhäuser sollten zu wirtschaftlichem Handeln gezwungen werden.“
Dieser Vorgang hatte freilich nicht nur Auswirkungen auf die fortan mit den Krankenhäusern erzielten Gewinne. Infolge verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in den Krankenhäusern rapide.
„Wie diese Veränderungen für die Mitarbeiter aussehen können, hat Pfleger Dürr nach der Privatisierung erlebt. "In den letzten Jahren ist es sehr massiv geworden", sagt er. Die Belastung sei deutlich höher geworden. Teilweise würden zwei Pfleger 30 Patienten versorgen. "Manchmal arbeite ich als einziger Fester auf der Intensivstation", sagt Dürr, "und habe vier Zeitarbeiter neben mir, wovon zwei ganz neu sind." Bei dieser Arbeitsverdichtung würden sie es kaum schaffen, Pausen zu machen, obwohl sie dazu angehalten werden. Leute die sich auflehnen oder für bessere Bedingungen stark machen würden, seien mit einem Mal von heute auf morgen weg gewesen. "Wahrscheinlich in irgendein Archiv versetzt", vermutet Dürr. (…) Tatsächlich zeigen Studien, dass private Krankenhausbetreiber mit wesentlich geringeren Personalkosten auskommen als öffentliche. Dürr findet besonders das Outsourcing von Arbeitsplätzen "schlimm". Da seien Leute aus dem Reinigungs- oder Hauswirtschaftsdienst, die 30 Jahre und mehr im Krankenhaus gearbeitet hätten, einfach ausgelagert worden und würden nun wesentlich weniger verdienen.“ (TAZ, ebd.) Die Heinz-Böckler-Stiftung hat sich einer Untersuchung über den Ausverkauf der Krankenhäuser angenommen und konstatiert: „Es geht nur um eines: Teure Beschäftigte der Kliniken gegen billigere Beschäftigte auszutauschen, den Krankenhaustarifvertrag zu umgehen und Lohnkosten abzusenken." (https://www.boeckler.de/de/magazin-mitbestimmung-2744-schlecker-der-gesundheitsbranche-10807.htm ) Weiter heißt es: „Schwarzes Schaf der Branche ist nach Auffassung von ver.di der Klinikkonzern Asklepios, dem die Gewerkschaft bereits das wenig schmeichelhafte Label "Schlecker der Gesundheitsbranche" verpasste. "Bei Asklepios wird Leiharbeit inzwischen massiv zur Tarifflucht und zum Tarifdumping benutzt. Das Unternehmen ist neben der Rhön Klinikum AG der einzige Konzern, mit dem wir keine konzerntarifvertraglichen Regelungen haben", so Völpel-Haus. Außer bei den Ärzten versuche der Konzern mittlerweile "auf Gedeih und Verderb, Leute nur noch über Leiharbeitsfirmen einzustellen“. Für den Arbeitsalltag bedeutet das folgendes: „Weil gleichzeitig die Zahl der Patienten konstant geblieben ist, kümmert sich laut der Böckler-Studie heute eine Vollzeit-Pflegekraft um ein Viertel mehr Patienten als vor acht Jahren. Pflegekräfte in den Krankenhäusern leiden unter einer immensen Arbeitsverdichtung. Die Folge: Jobfluktuation und eine Flucht in die Teilzeitarbeit. Daraus wiederum erwächst ein Fachkräftemangel mit teilweise dramatischen Zügen. In der Pflege werden qualifizierte Leiharbeitskräfte nicht mehr nur dazu eingesetzt, kurzfristige Arbeitsspitzen oder Krankheitsausfälle zu überbrücken. Zeitarbeiter werden inzwischen auch dazu eingesetzt, "den wachsenden Überstundenberg der Stammbelegschaften abzubauen oder um in einigen Fälle den Betrieb überhaupt noch aufrechterhalten zu können", schildert Isfort. Ein Beispiel dafür sei die Intensivmedizin, das Nadelöhr der Kliniken. "Weil es hier an ausgebildetem Pflegepersonal fehlt, mussten Kliniken sogar schon Operationen absagen.“ (vgl. ebd.)
Folglich titelt die Hamburger Morgenpost (MoPo) 2016 „Zu wenig Ärzte, zu wenig Pfleger, alleingelassene Patienten und schlechte Hygienezustände – der aktuelle „Spiegel“ enthüllt die Zustände an den Asklepios Kliniken und beschreibt den Konzern als gnadenlosen Renditetreiber. Verlierer ist dabei die Stadt Hamburg, wie ein Geheimdokument bloßlegt.“ und verweist auf eine investigative Untersuchung von SPIEGEL-Journalisten bei dem Krankenhauskäufer Asklepios ( https://www.mopo.de/hamburg/magazin-enthuellt-geheimvertrag-so-schlecht-war-der-asklepios-deal-25318448 ). Dabei werden folgende Miseren herausgearbeitet:
„Senatsvertreter nur Marionetten: Laut „Spiegel“ sind die drei Senatsvertreter im Aufsichtsrat von Asklepios nur „Marionetten“. Im geheimen Beteiligungsvertrag zwischen der Stadt und Asklepios seien die Einflussmöglichkeiten der Stadt genau geregelt: So seien die drei städtischen Aufseher gezwungen, den von Asklepios vorgeschlagenen Geschäftsführer abzunicken. Sollten sie dagegen stimmen, würden sie aus dem Aufsichtsrat fliegen. Die Stadt sei dann zur Abberufung der drei Vertreter verpflichtet (§ 1 der Gesellschaftervereinbarung).“ (ebd.)
Der angebliche rechnerische „Gewinn“ für die Stadt Hamburg war bei genauerer Betrachtung nichts weiter mehr als reine Augenwischerei:
„Asklepios zahlte viel weniger für den Kauf: Auch finanziell sei der Verkauf des LBK ein einziges Debakel für die Stadt gewesen. Hamburg habe mehr als die Hälfte der 565 Millionen Euro Schulden des LBK übernommen – über 300 Millionen Euro. Der Kaufpreis von 318 Millionen Euro sei als großer Erfolg gefeiert worden. Doch am Ende hat Asklepios diese Summe noch nicht mal bezahlt: Weil die Kliniken in den ersten fünf Jahren die im Kaufvertrag festgelegte Zielsumme von 408 Millionen Euro operativem Gewinn nicht erreichten, wurden dem Konzern 75 Millionen des Kaufpreises erlassen.“ bzw. „Millionengrab Rückkehrer: Schließlich entstanden der Stadt noch extrem hohe Kosten durch das Rückkehrrecht für Mitarbeiter, die nicht bei Asklepios bleiben wollten. Zwar musste Asklepios der Stadt für jeden Rückkehrer 25.000 Euro zahlen, maximal aber 15 Millionen – so die im Kaufvertrag festgelegte Deckelung. Weil aber fast 1500 Mitarbeiter ihr Recht in Anspruch nahmen, entstanden der Stadtkasse Kosten von über 150 Millionen Euro. Außerdem die Pensionslasten, die die Stadt mitübernommen hatte. (…) Keine Pacht für Grundstücke: Mit Mieteinnahmen sind diese Löcher nicht zu stopfen: Asklepios hat die Grundstücke, auf denen die Kliniken stehen, für mindestens 60 Jahre pacht- und mietfrei überlassen bekommen.“
Was am Beispiel der Privatisierung der öffentlichen Krankenhäuser zu sehen ist, verdeutlicht den generellen Trend im Zuge der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen: Gewinne werden privatisiert, und verbleiben den Kapitalisten in der Tasche, Verluste hingegen sozialisiert, müssen also von den Steuergeldern des Volkes beglichen werden. Erst wird das Volk durch Steuern beraubt, und dann wird das Geld den Reichen gegeben. Der bürgerliche Staat ist ein umgekehrter Robin Hood. Den Armen nehmen, um den Reichen zu geben. Doch viel gravierender ist neben dem rein monetären Verlust der gesundheitliche Schaden. Durch Überlastung der Arbeitsintensität auf den Stationen, sowie regelmäßig überflüssig angesetzte Operationen die dem privatisierten Krankenhaus satte Gewinne einbringen, werden nachhaltige Schäden der Patienten wohlwissentlich wortwörtlich in kauf genommen. Weil es um den Profit geht, wird an den Maßnahmen zur Heilung der nicht sonderlich zahlungsfähigen Massen gespart, während die Bonzen sich jede Maßnahme zur Heilung kaufen können.
„Asklepios verdient Milliarden: Es sind die Hamburger Krankenhäuser, die dem 1984 als Provinz-Kette gestarteten Asklepios-Konzern zu einem Top-Player auf dem deutschen Gesundheitsmarkt machen: Der Gesamtumsatz lag 2015 bei 3,01 Milliarden Euro, das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bei 374 Millionen. Wie viel davon die Hamburger Häuser ausmachen, wird geheim gehalten. Schätzungen gehen von rund einer Milliarde aus.“ (MoPo, ebd.)
Zurück zum Anfang - Klatschen in Zeiten der Pandemie
Wie man sehen kann wurden die Krankenhäuser verlustbringend verkauft. Der erhoffte Mehrgewinn blieb zumindest für das Volk aus. Neben dem herben Verlust an Steuergeldern wurde durch Asklepios und Helios eine vernünftige Behandlung der Patienten ausverkauft. Betten wurden zusammengestrichen, Liegezeiten für Patienten reduziert und alles auf den Jahresgewinn ausgelegt. Überflüssige Operationen angesetzt, Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen oder outgesourced. Die Arbeitsbelastung stieg ins unerträgliche und der inzwischen bekannte Pflegenotstand wurde ausgerufen.
Anstatt jedoch irgend etwas an diesen miserablen Verhältnissen zu ändern und in dieser schweren Pandemie den Menschen gerechte Behandlungen zuteil werden zu lassen, ist die einzige Reaktion der Krankenhausleitung von Asklepios zum Applaus und Dank der Mitarbeiter aufzurufen. Warme Worte verbreiten anstatt die konkreten Bedingungen zu verbessern. Klatschen kostet nichts und verringert folglich auch nicht den Gewinn mit den Krankenhäusern. Nachhaltige Veränderungen an den Arbeitsbedingungen vor Ort jedoch würde den Profit der Kapitalisten schmälern. Deshalb sehen wir auch keine Besserung in der Behandlung der Patienten. Im Gegenteil: es wird einfach so weiter gemacht, als hätte es nie Notstände und Krisen gegeben. Um es ganz deutlich zu sagen: Privatisierung kosten Menschenleben. Fehler werden durch Überarbeitung und Überlastung des Gesundheitssystems gemacht und Nichtbehandlung mangels Plätzen willentlich akzeptiert (Das Beispiel von Kinderkliniken, die Mangels Pflegekräften zu wenig Intensivbetten bereitstellen können, verdeutlicht den Trend. (Vgl. https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/kindermedizin-101.html , bzw. https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/pflegenotstand-charite-101.html ) Schuld sind die Kapitalisten, die aus allem noch den ärgsten Profit herauspressen wollen.
In diesem System, dem Kapitalismus, wird es kein „Raise-the-curve“ geben, also einen Ausbau und eine Verbesserung des Gesundheitssystems. Dies würde die Kapitalisten Geld kosten und wohlmöglich die Gewinne schmälern. Die Aktionäre wären davon nicht positiv angetan und der Vorstand müsste sich dafür rechtfertigen. Die Gesundheit der Bevölkerung ist dabei jedoch kein hinreichender Grund. Denn die Gesundheit wirft keine Profite ab. Sie ist Nebensache. Gut und richtig ist, was Geld bringt. Also bspw. die obligatorische Hüftoperationen. Im Kapitalismus wird nicht geheilt, weil es den Menschen gut gehen soll, sondern um den relativen sozialen Frieden, also die Macht der Bourgeoisie aufrecht zu erhalten, und Geld zu verdienen. Die Ursache kann jedoch nur systematisch angegangen werden. Deshalb ist der Kampf für die Gesundheit immer ein Kampf gegen das Kapital. Gesundheitskampf muss proletarisch-revolutionär sein.