Am vergangenen Sonntag fanden in Baden-Württemberg die Landtagswahlen statt. Aus diesem Anlass wurden in den Arbeitervierteln in Freiburg Plakate verklebt und hunderte Flugblätter verteilt, die den Wahlboykott propagieren. Auch in Karlsruhe und Lahr sind unter anderem einige Plakate aufgetaucht, die zum Boykott der Landtagswahl aufrufen.

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Dass der Wahlboykott die richtige Antwort auf die Wahlen der Bourgeoisie ist, hat sich erneut wiederbestätigt. So brach die Wahlbeteiligung dieses Jahr im Verhältnis zur letzten Landtagswahl von 70,5% auf 63% ein. Einmal mehr können wir sehen: Die Tendenz zur Wahlbeteiligung ist im Allgemeinen rückläufig. Die Schreiberlinge der Bourgeoisie bemühen sich jetzt darum, diesen Fakt kleinzureden und sprechen wie die Badische Zeirung bei einem Abfall von 7% von einem "leichten Rückgang". Gleichzeitig fahren die Grünen ein "Rekordergebnis" ein, weil sie zwei Prozentpunkte zugelegt haben. Dieses Ergebnis hängt zu einem wesentlichen Teil mit der sogenannten "Klimabewegung" der letzten Jahre zusammen, die auch dieses Jahr mit Stickern und Plakaten allenorts zur "Klimawahl" aufrief.
Die geringere Wahlbeteiligung lässt sich wohl vor allem darauf zurückführen, dass die sogenannten Protestparteien nicht mehr dazu in der Lage sind, eine signifikante Zahl Nichtwähler zu mobilisieren. So verlor die AfD beispielsweise jeden dritten Wähler und auch die neuen Kleinstparteien, deren einziges Thema augenscheinlich die Corona-Maßnahmen sind, konnten keine ernstzunehmenden Erfolge einfahren. Eben diese Maßnahmen sind es aber, die vielen noch ein mal in aller Deutlichkeit vor Augen geführt haben, dass niemand in diesem Staat ihre Interessen vertritt.
In den Arbeitervierteln war dementsprechend die Reaktion auf die Flugblätter im Allgemeinen sehr positiv und häufig entwickelten sich gute Gespräche, wobei die Massen meist betonten, dass sie sowieso nicht wählen gehen und dass die Herrschenden ja eh machen, was sie wollen. Ein Punkt, der von vielen hervorgehoben wurde, ist vor allem der Ausnahmezustand, der in der BRD seit einem Jahr herrscht und der nur den Herrschenden dient, nicht uns.

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Besonders in Erinnerung blieb hier vor allem eine Situation, die sich bei einer Plakatieraktion entwickelte. Dort wurden Genossen von einer Pflegerin auf dem Weg zur Arbeit gefragt, was für Plakate sie verkleben. Die Genossen erzählten dann von der Wahlboykottkampagne und wurden daraufhin von der Frau dazu aufgefordert, auch an ihrem Haus ein Plakat aufzuhängen.
In diesen Punkten zeigt sich auch deutlich, dass die Massen in vielen Belangen weiter sind, als Teile der Linken, die beispielsweise mit Parolen wie "AfD abwählen" Verwirrung stiften oder im Rahmen der ZeroCovid Kampagne an den bürgerlichen Staat appellieren, noch schärfere Einschränkungen zu beschließen und diese dann schnellstmöglich wieder aufzuheben. Wer solche Illusionen in den bürgerlichen Staat hegt, versteht nicht seinen Klassencharakter bzw. weigert sich, ihn zu verstehen. Wer glaubt, die Wahlen wären ein Instrument, das in irgendeiner Form unserer Klasse dienen könnte, verschließt vor dieser Frage die Augen. Der Faschismus wird nicht im Parlament bekämpft. Das beweist allein die reaktionäre Politik auf Bundes- genauso wie auf Länderebene. Für mehr reaktionäre Gesetze, mehr Repression und die Einschränkung des Parlaments braucht es keine AfD. Diese Dinge werden beschlossen von den unterschiedlichsten Parteien, von CDU bis die Linke, ganz unabhängig von der AfD. So wurde auch der angebliche "Sturm auf den Reichstag" letztes Jahr dafür instrumentalisiert, die faschistische Tendenz im Staat zu stärken, angeblich natürlich um die Demokratie zu schützen.

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Diese Appelle dienen also nicht uns. Sie dienen dem deutschen Imperialismus in seinem Streben, zur Supermacht zu werden, indem sie sich bewusst oder unbewusst darum bemühen, die Zustimmung zu einem starken Staat zu erhöhen und reformistische Illusionen zu schüren.
Die Aufgabe der Revolutionäre ist es, diesen Betrug zu entlarven und auch in Zukunft die einzige proletarische Taktik zu den Wahlen hochzuhalten: Den aktiven Wahlboykott, das heißt "Agitation, Werbung, Organisation der revolutionären Kräfte in größerem Maßstab, mit verdoppelter Energie, unter dreifachem Druck." (Lenin, "Der Boykott der Bulyginschen Duma und der Aufstand").
Zu den anstehenden Bundestagswahlen im Herbst gilt es, genau das umzusetzen und mit doppelter Anstrengung die Kampagne zum Wahlboykott zu entwickeln.