Am 24. Mai 2023 gab es in sieben Bundesländern Razzien bei Klimaaktivisten der Organisation „Letzte Generation“. Insgesamt wurden 15 Objekte durchsucht, da gegen 7 Mitglieder der Gruppe der angebliche Verdacht auf die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ oder deren Unterstützung vorliegt. Das bayerische Landeskriminalamt (BLKA) und die Generalstaatsanwaltschaft München haben ein Verfahren auf Grundlage des § 129 StGB („kriminelle Vereinigung“) eingeleitet, wobei die „Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus“ (ZET) die treibende Kraft ist.
Eine Sprecherin der Gruppe berichtete, dass 25 bewaffnete Polizeibeamte ihre Wohnungstür aufbrachen, um in die Räumlichkeiten zu gelangen: „Und plötzlich steht ein Polizist (...) vor deinem Bett und richtet eine Waffe auf dich“. Im Fokus der Razzia lagen die finanziellen Grundlagen der Gruppierung. Den Beschuldigten wird vorgeworfen über eine Webseite mindestens 1,4 Millionen Euro Spenden gesammelt zu haben, die für die Begehung von Straftaten eingesetzt worden sein sollen. Die Webseite, Email-Accounts, sowie -Verteiler und auch zwei zentrale Konten wurden beschlagnahmt. Die Homepage der „Letzten Generation“ wurde gesperrt und vom ZET eine Warnung vor Spenden an die Organisation auf die Startseite platziert. Zwei Aktivisten wird zudem vorgeworfen eine Ölpipeline im April 2022 „sabotiert“ zu haben. Festgenommen wurde bislang keiner der Aktivisten.
Dicke Ausbeute bei der sommerlichen Durchsuchung: Sekundenkleber
Laut dem Bayerischen Landeskriminalamt war das Ziel der Aktion unteranderem Informationen über die Finanzierung und Mitgliederstruktur zu beschaffen. Ein absurder vorgeschobener Grund, da die Gruppe den Großteil ihrer organisatorischen Struktur, sowie ihre Finanzierung offenlegt. Viele der Klimaaktivisten stehen mit ihrem bürgerlichen Namen öffentlich für die Aktionen.
Die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte die Hausdurchsuchungen sollen zeigen, dass man sich nicht über den „Rechtsstaat“ lustig machen kann. Mafia-Kanzler Olaf Scholz sagte dazu, dass der Rechtsstaat das mehrfache kriminelle Vorgehen der Organisation nicht ignorieren kann. Er gab jedoch keinen Kommentar dazu ab, ob die „Letzte Generation“ als kriminelle Organisation eingestuft werden sollte, und verwies darauf, dass dies ein Gericht zu entscheiden hätte.
Doch diese Entscheidung wurde schon vorweg genommen: Indem die Staatsanwaltschaft in Bayern den Schnüffelparagraphen 129 als Grundlage für die Razzien genommen hat, ist für den bürgerlichen Staat der Weg offen Informationen zu sammeln, indem sich weitreichende Befugnisse zu Überwachung einfach genommen wurden. Bereits Ende 2022 versuchten die brandenburgischen Behörden die „Letzte Generation“ als „kriminelle Vereinigung“ zu verfolgen. In Berlin und in Sachsen hatten die Staatsanwaltschaften erst kürzlich erklärt, dass der Anfangsverdacht bisher nicht vorliegt, wobei die Berliner Justiz dies momentan erneut prüft.
Jedoch hat die „Letzte Generation“ das Grundgesetz nicht attackiert und wird bislang auch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Forderungen der „Letzten Generation“ sind sogar sehr „verfassungsfreundlich“. Sie stützen sich selbst auf das Grundgesetz, genauer auf das Recht auf Versammlungsfreiheit. Hierbei gibt jedoch Einschränkungen um die „öffentliche Ordnung“ zu schützen. Da sich die Klimaaktivisten auf Straßen festklebten, und somit den Verkehr blockierten, wird ihnen „Nötigung“ vorgeworfen. Der Staat nutzt dieses vermeintlich „mehrfach kriminelle Vorgehen“, um das Recht zu protestieren anzugreifen.
Dieser Fall reiht sich ein in eine Vielzahl an Beispielen, wie schamlos die BRD offen als Polizeistaat agiert. Es ist kein Zufall, dass sich in den letzten Jahren die Zahl der Verfahren auf Grundlage des Paragraphen 129 häufen, wie beispielsweise im Fall Lina E. und dem Antifa-Ost-Verfahren. Aber auch die immer weiter fortschreitende Einschränkung des Versammlungsrecht, wie beispielsweise die Demonstrationsverbote gegen palästinensische Demonstrationen in Berlin zeigen das.