Als die Großsiedlung "Falkenhagener Feld" in den 1960er Jahren, am westlichen Stadtrand Berlins, im Bezirk Spandau gebaut wurde, galt sie als Musterbeispiel des sozialen Wohnungsbaus: 9.000 Wohnungen mit Zentralheizung und Balkon, vier bis sechzehn Stockwerke, ein Altenwohnheim und viele Grünflächen. Ganz im Westen der Stadt, nicht ganz so dicht bebaut wie die Gropiusstadt, aber ebenso wenig gut angebunden an den Rest der Stadt, wie etwa das Märkische Viertel.
Ein Wohnviertel für Menschen mit geringen Einkommen. Die Großsiedlung zählt rund 38.000 Bewohner. 1,90 Mark Miete pro Quadratmeter wurden damals verlangt - das sind rund 95 Cent nach heutiger Währung.
Schon im Oktober 2023 haben die Quartiersräte im Falkenhagener Feld auf die Probleme in den Siedlungen aufmerksam gemacht, Ende Dezember veröffentlichten sie einen offenen Brief.
„Armut, Existenzängste, Mangelernährung bei Kindern und Senioren gehörten bereits vor den aktuellen Krisen zu prägenden Phänomenen des Lebens der Menschen hier.“, hieß es darin. Es wird beschrieben, wie die steigenden Preise auf Güter des täglichen Bedarfs die Lage der Menschen weiter verschärft, und Strom- sowie Gasversorgung zum Luxus werden. Im Quartier sind 27 Prozent der Menschen auf sogenannte „Transferleistungen“ angewiesen. Der Anteil erwerbsloser Menschen liegt bei rund 8 Prozent, mehr als jedes zweite Kind ist hier von Armut betroffen. Diese Umstände wirken sich laut den Quartiersräten auch auf die Stimmung unter den Menschen aus, das Klima ist spürbar rauer. Weiter schreiben sie: „Das Falkenhagener Feld ist nicht Charlottenburg und auch nicht Prenzlauerberg. Hier ist der Stadtrand und hier gehen die Menschen bereits jetzt auf dem sprichwörtlichen Zahnfleisch. […] Bestehende Strukturen zur Selbsthilfe drohen zu zerbrechen. Hier gibt es keine Schwemme von sozialen Akteuren, die dort einspringen wo der Staat nicht mehr ausreichend präsent ist. Hier profitiert niemand von reicheren Kiezen oder neuen Jobs in der Hauptstadt. Die Menschen brauchen Antworten auf die aktuellen Krisen und Perspektiven für eine Zukunft ohne Angst vor Hunger, kalten Wohnungen oder dem Verlust ihres Hauses.“
Vor allem steigende Mieten sind für zahlreiche Anwohner ein großes Thema. Die Häuser sind in schlechtem Zustand, Rohrbrüche und kaputte Fahrstühle in teilweise 16 stöckigen Hochhäusern gehören zum Alltag. Auch müssen viele Häuser energetisch saniert werden, um die Kosten von Heizungen und Strom zu verringern. Bezahlbare andere Wohnungen gibt es kaum im Bezirk, genauso in der ganzen Stadt. Bis 2024 wird Spandau rund 6.000 Sozialwohnungen verlieren, auch im Falkenhagener Feld. Der Verlust kann durch Neubau nicht ausgeglichen werden.
Die Wohnungen im Falkenhagener Feld gehören zum Großteil städtischen Wohnungsbaugesellschaften wie Gewobag, Degewo und Berlinovo. Die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping (SPD) hatte in ihrer schriftlichen Reaktion auf den offenen Brief dazu nur zu entgegnen, dass das Land Berlin über ein Kündigungmonatorium und einen Mietenstopp bei den städtischen Wohnungsunternehmen verfügt. Im Herbst 2023 wurde jedoch bekannt gegeben, dass Landeseigene die Mieten wieder um 2,9 Prozent jährlich erhöhen dürfen.
Der Quartiersrat Jörg Handrick sagte gegenüber dem rbb24: "Viele machen nämlich die Politiker für die Abwärtsspirale verantwortlich." Das zeigt deutlich, dass die Bewohner in dieses System kein Vertrauen haben, und entgegen den Forderungen im offenen Brief, ist die Lage der Menschen im Falkenhagener Feld weder durch mehr „soziale Akteure“ als verlängerter Arm des Systems, noch durch mehr „staatliche Präsenz“ verbessert wird.