Gestern hat Volkswagen sechs Haustarifverträge, inklusive der seit 1994 geltenden Beschäftigungssicherung, nach den bereits in der vergangenen Woche getätigten Ankündigungen, auch formal aufgekündigt, wie Medien berichten. Der Vertrag läuft entsprechend zum Ende des Jahres 2024 aus. Sechs Monate später, im Juli 2025, wären dann die angekündigten betriebsbedingten Kündigungen möglich. Über die Krise bei Volkswagen hatten wir bereits umfänglich auf DemVolkeDienen berichtet.

Die Kündigung des Tarifvertrags beinhaltet auch die Kündigung anderer bisher geltender Vereinbarungen, wie die Übernahmegarantie für Auszubildende und die Regelungen für Leiharbeit.

VW wolle nun zügig mit Gewerkschaft und Betriebsrat über eine Neureglung verhandeln, erklärte Personalvorstand Gunnar Kilian. Die eigentlich erst für den kommenden Oktober angesetzten Tarifverhandlungen zum VW-Haustarifvertrag sollen in Gänze vorgezogen werden. Das, was also auch die Kündigung der Haustarifverträge inklusive der o.g. Vereinbarung beinhaltet, hatte die IG Metall selbst zuvor angeboten. Trotzdem erklärte die IG Metall nun, es handele sich dabei um einem „beispiellosen Angriff auf das gemeinsame historische Tarifwerk“.

Martin Dulig (SPD), (noch) Wirtschaftsminister von Sachsen, sagte im vorauseilenden Gehorsam Unterstützung für die sächsischen VW-Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden zu: Sachsens Regierung werde weiterhin alles dafür tun, dass es Sicherheit für die Standorte gebe und betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen würden.

Der Emdener Betriebsratsvorsitzende, Herbert de Vries, verkündet: „Wir müssen zusammen an einen Tisch kommen.“ Seiner Meinung nach setzen die VW-Arbeiter auf die Unterstützung des Ministerpräsidenten, der auch im VW-Aufsichtsrat ist. Die Situation müsse beruhigt und der „Belegschaft“ Ängstegenommen werden.Die Versicherung gegenüber den rund 8.000 Arbeitern im ostfriesischen Emden,definitiv um jeden Arbeitsplatz kämpfen“ wirkt entsprechend impotent. Das Werk in Emden wurde komplett auf E-Autofertigung, mit großen Investitionen, umgestellt; genau in diesem Bereich gibt es, wie im letzten Artikel dargestellt, Absatzprobleme. Die Verkäufe brachen mit Ablauf der staatlichen Subventionen für gewerbliche und private Käufer von fast 90.000 (August 2023) auf etwas mehr als 20.000 (Januar 2024) ein, um mehr als drei Viertel. Maßnahmen wie die staatlichen Subventionen sind jetzt wieder in der Diskussion. In den horizontalen Körperschaften werden unter der Federführung des Staates wieder eifrig Pläne entworfen, wie die Gewerkschaft ein paar Maßnahmen „erringen“ kann, ohne dass die Pläne der Monopole, ihre Profite aufrechtzuerhalten, beeinträchtigt werden. Die Kosten dafür werden vermittels Steuern auf das Volk abgewälzt. So zumindest die offenbaren Pläne.

Quelle ADAC

 

Quelle: ADAC.de

 

Von Seiten der Unternehmen äußerte sich der frühere VW-Chef Herbert Diess. Er halte die Kündigung der tarifvertraglichen Jobsicherung und mögliche Werksschließungen bei Volkswagen für nötig. Die „Rosskur“ werde dem Unternehmen gut tun, denn die Produktivität der meisten deutschen Standorte der Marke VW reicht nicht, um die hohen Lohnkosten zu kompensieren und auch in der Verwaltung ist viel Potenzial für Optimierung“, sprich die Profite sind nicht hoch genug. Der frühere Porsche-Chef und VW-Aufsichtsrat Wendelin Wiedeking bläst ins gleiche Horn. Man komme um harte Einschnitte nicht herum. „VW täte gut daran, sich in Deutschland einer Rosskur zu unterwerfen“, sagte Wiedeking ganz zufälligerweise wortgleich. „Es waren immer schon zu viele Leute an Bord.“ Gleichzeitig rief Wiedeking zu einem „gemeinsamen Weg“ von Arbeitern, Gewerkschaften und Bossen bei der Umsetzung der notwendigen Veränderungen auf.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil setzt, ganz Sozialdemokrat, ebenfalls auf jenen Ansatz – Korporativismus –, fordert zügig Gespräche zwischen „Management und Arbeitnehmerseite“, beide Seiten sollten an einem Tisch gemeinsam Lösungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit bei dem Konzern finden. „Das ist die klare Erwartung, die das Land Niedersachsen jetzt hat, an das Management, auch an die Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft: Sehr schnell jetzt zu beginnen, miteinander Klartext zu reden.“Der Staat, konkret das Land Niedersachsen, werde dabei unterstützen: „Wir sind sehr interessiert an einer positiven Weiterentwicklung von Volkswagen“.

Unterdessen hat BMW mit einem beispiellosen Kurssturz am Dienstag bei deutschen Autoaktien eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Was das Ausmaß der Probleme, die bei VW zum Ausdruck gekommen sind, nochmals verdeutlicht. Mehr als elf Prozent Minus standen am Ende des Tages zu Buche. Die BMW-Aktie landete auf einem der tiefsten Stände seit Jahren und folgerichtig am Ende des DAX-Rankings. Fehlerhafte Bremssysteme des Zulieferers Continental, Rückrufe und Lieferstopps für 1,5 Millionen Autos, sind die von Börsenanalysten ausgemachte Ursache. Auch Continental ging mit einem zweistelligen Minus aus dem gestrigen Handel. Dahinter folgten direkt weitere Autowerte wie Mercedes-Benz, Porsche und Volkswagen mit Tagesverlusten zwischen knapp drei und knapp fünf Prozent. Die Börsenspekulanten sind gegenwärtig ganz schön nervös, wie die heftige kurzfristige Reaktion vom Dienstag zeigt. Dass das doch alles gar nicht so singuläre Ereignisse sind, kann man unter anderem auch daran erkennen, dass im ersten Halbjahr 2024 Volkswagen 14 Prozent weniger Überschuss, BMW fast 15 Prozent und Mercedes-Benz sogar fast 16 Prozent Minus meldeten. Die Veröffentlichungen des Münchener Ifo-Instituts und der Ausblick auf eine anhaltende Rezession – welche heute nochmals bei den abgebrochenen ersten Gesprächen zur Metall-Tarif-Verhandlungsrunde in Bayern von Seiten der Arbeitskäufer erklärt wurde – und eine Regierung, die unfähig erscheint, den Problemen Herr zu werden, gaben den Aktien dann gestern den Rest.

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Titelbild: Demo vor dem VW-Werk in Zwickau am 5. September; Quelle: taz.de