Vor geladener Belegschaft informierte die Konzernführung der Volkswagen AG, dem Umsatz nach größtes Monopol des deutschen Imperialismus, am vergangenen Mittwochvormittag im Stammwerk in Wolfsburg offiziell über die Sparpläne des Unternehmens, die grundlegend schon zu Beginn der Woche offen geworden waren: Die bis 2029 geltende Beschäftigungssicherung soll gekündigt werden, und sogar die Schließung ganzer Werke, was ein Novum für VW in Deutschland wäre, steht im Raum.

25.000 Mitarbeiter, in erster Linie direkt vor Ort, der kleinere Teil war zugeschaltet, brachten ihren Unmut durch ein Pfeifkonzert und Buhrufe zum Ausdruck. Die Reaktionen reichten bis in die höchsten Reihen der Staatsführung, wo Mitglieder der eng mit Volkswagen verwobenen SPD, wie Ausbeutungsminister Hubertus Heil oder Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, versuchten, den Kümmerer zu spielen.

Volkswagen ist mit einem Jahresumsatz von knapp 350 Milliarden Dollar ebenfalls Spitzenreiter unter den Autoherstellern weltweit und auf Rang 11 der größten Unternehmen der Welt. Sein Werk in Wolfsburg ist zudem in Frage der über 60.000 Mitarbeiter und des Produktionsvolumens die größte zusammenhängende Fabrik auf dem Globus.

Seit der Gründung des „Volkswagens“ durch die Faschisten und ihre „Gewerkschaft“, die Deutsche Arbeitsfront, als erschwingliches Fahrzeug für jene breite Masse, die mit dem Staat geht, ist das Unternehmen vom Mittellandkanal ein Musterbeispiel für Korporativismus in Deutschland und konnte quasi gar nicht anders, als den Sozialdemokraten und den unter ihrer Kontrolle stehenden gelben Gewerkschaften in die Hände zu fallen. 11,8 Prozent der Aktien an VW und 20 Prozent der Stimmrechte hält die BRD über das Land Niedersachsen, was auch als „Kaderschmiede“ für die Karrieristen der SPD und der IG Metall – beides gebunden an das Monopol Volkswagen (beispielsweise IG-Metall-Vorstand und -Aufsichtsrat sowie Ministerpräsident Weil sitzen im Aufsichtsrat) – gilt. Bei VW reichen sich der Staat (der natürlich ein besonderes Mitbestimmungsrecht hat), der Konzern und die Gewerkschaft die Hände, zum Teil sind sie eins.

Das funktioniert nur, solange die Arbeiter da mitmachen, und diese Notwendigkeit fällt zusammen mit der Erfüllung des „Gesellschaftsvertrags“, d.h. der deutschen Version der Bestechung breiter Schichten des Volkes durch imperialistischen Extraprofit, damit sie „mit dem Staat“ gehen und der „soziale Frieden“ bewahrt wird. Entsprechend existiert in den Werken von VW, wie bei allen deutschen Automonopolen und in fast allen großen nationalen Industriebetrieben, eine Stammbelegschaft, die die Mehrheit in der Produktion ausmacht, deren Bruttolöhne in der Autoindustrie in der Regel nicht unter 3500 Euro beginnen. Der Großteil der Stammbelegschaft arbeitet am Band – hauptsächlich in der Montage – und kommt im normalen Schichtsystem auf etwas über 3000 Netto monatlich. Das ganze bei einer 35-Stunden-Woche und einigen „Zusatzangeboten“ vom Ausbeuter. Andererseits ist ihre Stellung im Produktionsprozess niedrig, sie müssen oft jahrelang in Wechselschicht den gleichen Handgriff machen und sind in den meisten Fällen ungelernt. Zusammengefasst besteht die Stammbelegschaft von VW zum größten Teil aus Menschen aus der oberen Schicht des Proletariats; an zweiter Stelle folgen unzählige Arbeiteraristokraten. Das ist eine Gruppe, deren ökonomische Position durch die Krise in den deutschen Industriebetrieben aktuell bedroht wird.

Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke“, begründete VW-Finanzchef Antlitz die Sparmaßnahmen am Mittwoch. Das ist an erster Stelle ein weiterer Ausdruck der tiefen ökonomischen Krise des Imperialismus, einer Überproduktionskrise.

Die Menge an produzierten Autos weltweit hat seit Beginn der Krise stark abgenommen; waren es 2017 noch 97,3 Millionen, waren es 2022 nur noch 85 Millionen. Genauso erreichte auch der Umsatz im „Verarbeitenden Gewerbe“ in Deutschland 2017 einen Wert, an den er seitdem nicht mehr herangekommen ist. Am Vorkrisenniveau konnte bestenfalls Ende 2022 kurz geschnuppert werden; seitdem geht es fast stetig bergab und der Umsatz ist weitaus schlechter als im zweiten Corona-Jahr 2021. Die Zahl der Aufträge sinkt schon seit Ende 2021, was dem sinkenden Umsatz natürlich etwas vorauseilen kann – siehe weiter unten das Beispiel Meyer Werft. Schließlich hat diesen Juli nun auch der Umsatz in der „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ einen großen Sprung zurück gemacht und liegt aktuell unterm 2021-Niveau.

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Seine strategischen Pläne, wie das in der „Nationalen Industriestrategie“ festgelegte Prinzip „Size Matters“, d.h. die Großen fressen die Kleinen, setzt der deutsche Imperialismus fort. So muss ungefähr jeder fünfte Selbstständige oder Kleinunternehmer, der Corona-Soforthilfen erhalten hat, diese nun ganz oder teilweise zurückzahlen. Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland nimmt zu.

In den letzten Wochen und Monaten häuften sich die Meldungen über Entlassungen bei wichtigen deutschen Industrieunternehmen, besonders in der Automobilbranche, wie z.B. bei Bosch oder Getriebeproduzent ZF, aber auch bei anderen Unternehmen der Leichtindustrie wie der Meyer Werft und der Schwerindustrie, wo z.B. BASF vergangenen Februar schon die Entlassung von 1.700 Mitarbeiter bekannt gab und nun mehrere Fabriken auf ihrem entsprechend einigen Quellen größten Fabrikgelände der Welt in Ludwigshafen demontiert und ThyssenKruppnach einem Geschäftsjahr mit Milliardenverlust zahlreiche Stellen streichen will (der nächste niedersächsische SPD-Karrierist, Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel, machte sich erst am 29. August als Chef der Stahlsparte aus dem Staub), sogar der Hauptstandort Duisburg ist gefährdet.

Dass Deutschland hiermit aktuell durchaus deutlich intensiver als viele imperialistische Konkurrenten getroffen wird, hat an zweiter Stelle auch seine besonderen Gründe innerhalb der Überproduktionskrise. Ging man aus der „Finanzkrise“ Ende der „00er“ noch als der große Sieger hervor, steht Deutschland in dieser Krise bislang als der „kranke Mann Europas“ dar, der letztes Jahr im Gegensatz zu fast allen anderen großen „Volkswirtschaften“ ein negatives Wirtschaftswachstum hatte. Und erst Donnerstag hat das ifo-Institut mal wieder seine Konjunkturprognose nach unten korrigiert und erwartet eine Stagnation im Jahr 2024; das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) geht von einem zweiten Jahr Rezession aus.

Der deutsche Imperialismus hat seine strategischen Pläne, in dem Streben, sich zu einer Supermacht zu entwickeln, bislang nicht erfüllen und sich besonders aus der politischen, militärischen und ökonomischen Abhängigkeit vom Yankee-Imperialismus kaum lösen können, was sich unter anderem im Ukraine-Krieg und dem Verzicht auf russisches Gas zeigt (übrigens auch Donnerstag wurde der Ausverkauf des Hamburger Hafens an die Schweizer Reederei MSC endgültig abgesegnet). Hier ist einer der zentralen Punkte – die Energieunabhängigkeit – die auch durch die vielen Windräder noch nicht erreicht werden konnte und welche die zu erfüllenden Versprechen der grünen Regierungspartei an ihre Wählerschaft zur Atomkraft auch nicht gerade beschleunigen konnten.

Dabei spielen günstiger Strom und Gas eine wichtige Rolle, wie auch das ifo-Institut schreibt: Zum anderen trifft der Strukturwandel insbesondere das Verarbeitende Gewerbe, das in Deutschland einen deutlich größeren Anteil an der Wirtschaftsleistung hat. Ein höheres Gewicht als in anderen Ländern haben dabei die energieintensiven Industriezweige, die auf die hohen Energiekosten reagieren, sowie der Maschinenbau und die Automobilindustrie, die neben Umstrukturierungen im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung und der Digitalisierung einer zunehmenden Konkurrenz aus China ausgesetzt sind.“

Besonders gegen die Konkurrenz aus China kann man sich immer weniger durchsetzen,unter anderem wegen der Energiekosten. Die Probleme bei VW entspringen also im Besonderen der politischen Handhabung der Krise.In die gleiche Richtung geht Betriebsrats-Chefin Daniela Cavallo, wenn sie dem VW-Vorstand vorwirft, er „mache seine Arbeit nicht richtig“. Das heißt, die IG Metall geht wieder den gleichen Weg wie die aktuellen Oppositionsparteien und erklärt alle Probleme zu Folgen der schlechten Handhabung der Bourgeoisie, d.h. wenn die Handhabung des Staates und „Unternehmenspolitik“ wieder besser werden, verschwinden die Probleme auch.

Insofern bringt die von der SPD durchsetzte und mit den Monopolen verflochtene milliardenschwere Gewerkschaft wieder die Forderungen der Wirtschaftsvertreter und der regierenden Sozialdemokraten auf den Tisch: BilligererIndustriestrompreis (unter anderem von Scholz und Habeck groß beworben) und besonders die bei VW schon bekannte Vier-Tage-Woche (Heil und Weil, in denFußstapfen der Karrieristen Peter Hartz und Gerhard Schröder). Diese Maßnahmen können dem Unternehmen helfen – und gehen direkt auf Kosten der Arbeiterklasse. IG-Metall-Chefin Christiane Benner drückte es am Donnerstag pragmatisch aus, als sie die Vier-Tage-Woche, eine „alternative“ Methodezur Vernichtung von Produktivkräften, für VW vorschlug: „Wir sollten nichts ungenutzt lassen an Ideen, wie wir Beschäftigung und Standorte erhalten können.“Es ist durchaus gewagt, eine solche Aussage vor der jetzt anstehenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie (d.h. auch für die Autobranche), in die die IG Metall mit anderen Forderungen gegangen ist, zu treffen.

Die IG Metall macht sich seit geraumer Zeit für eine Stärkung des staatsmonopolistischen Kapitalismus, was ein Kernbedürfnis des deutschen Imperialismus ist, stark. In der aktuellen Ausgabe ihrer Zeitung fordert ein Wirtschaftsforscher 600 Milliarden Euro staatliche Investitionen in den nächsten zehn Jahren in „öffentliche Bereiche“, besonders in die Infrastruktur, was zudem eine militärische Notwendigkeit ist.

Es gibt auch weitere Faktoren für die Krise bei VW – nicht zu vergessen ist die Unfähigkeit der Regierung, einen Haushalt aufzustellen und die Konsequenzen für die Monopole davon, oder die Tatsache, dass die gesamte VW-Spitze erwiesenermaßen sogar nach bürgerlichem Recht als Verbrecher anzusehen sind (für den Dieselskandal muss sich Ex-Chef Winterkorn dieser Tage vor Gericht verantworten). Dazu kommt Kritik an der Handhabung in der E-Auto-Produktion, wo viele einen verspäteten Umstieg sehen. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer, in dessen Augen „die Schlacht um Elektrofahrzeuge in China geschlagen wird“, kritisiert das Unternehmen als „Staatsunternehmen“ (in Bezug auf die Bürokratie und Sozialdemokraten, die sich nur daran bereichern) und die Regierung für die hohen Schutzzölle von bis zu 36,3 Prozent auf chinesische E-Autos in Europa (die wegen angeblicher „Wettbewerbsverzerrung“ eingeführt wurden), was die Entwicklung der Elektromobilität auch in Deutschland ausbremse und den deutschen Autobauern Einfluss auf dem mit Abstand größten Absatzmarkt der Welt in China kostet.

Worum es bei den Sparmaßnahmen geht, ist in erster Linie die Kernmarke Volkswagen, d.h. die größte und wichtigste einer von zahlreichen Marken im In- und Ausland der Volkswagen AG. Für viele lohnt sich ein günstiger Wagen der VW-Tochter Skoda (Dudenhöffer hebt deren Profitabilität hervor) mehr als ein teurerer, aber nur wenig nützlicherer VW. Da die Produktion in den imperialistischen Ländern selbst sich als offenbar zu kostenaufwendig herausstellt, muss hier besonders gekürzt werden.

Natürlich geht es bei Entlassungen immer zuerst gegen die untersten (Leih- und Fremdarbeiter), aber in der Menge, die bei VW nun betroffen ist oder sein kann, wird nun auch das breite soziale Polster aus bessergestellten und vom Imperialismus bestochenen Arbeitern und Arbeiteraristokraten, das in der Industrie und besonders in der Automobilbranche vornehmlich anzutreffen ist, angegriffen. Das zeigt weiter den Zusammenfall der sogenannten „Mittelschicht“ und der „sozialen Stütze“, die jahrzehntelang wichtige Grundlage für den deutschen Imperialismus war. Die ökonomische Krise des Imperialismus trifft immer breitere Schichten des Volkes. In diversen Industriebetrieben gehen aktuell zehntausende Beschäftigte besonders aus der oberen Schicht des Proletariats für ihre Zukunft auf die Straße – so zerbröckelt der von Beginn an gekaufte „soziale Frieden“ in der BRD.

VW Werk in Wolfsburg

Das VW-Werk in Wolfsburg (Quelle volkswagen-newsroom.com)

Quelle Titelbild: Tagesschau.de