Das Handelsblatt Research Institute (HRI) geht in seiner Konjunkturprognose davon aus, dass die deutsche Wirtschaft auch im neuen Jahr 2025 um 0,1 Prozent schrumpfen wird. Nach einem Minus von 0,3 Prozent im Jahr 2023 und 0,2 Prozent Schrumpfung im gerade zu Ende gegangenen Jahr 2024 wäre dies der dritte Rückgang in Folge. Solch eine Dauerkrise gab es noch niemals in der Geschichte der BRD.
Am 15. Januar veröffentlichte das Statistische Bundesamt seine Zahlen für 2024:
- 0,2 Prozent preisberereinigtes Bruttoinlandsprodukt (BIP)
- 0,4 Prozent Produktivität je Erwerbstätigen
Erst für 2026 rechnen die HRI-Ökonomen wieder mit einem leichten Wachstum von 0,9 Prozent.
Es sei auch keine baldige Besserung in Sicht, „da die Volkswirtschaft am Beginn eines kräftigen Alterungsschubs steht“, sagt Handelsblatt-Chefökonom Bert Rürup.
Im zu Ende gegangenen Jahr gab es nach Schätzungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform fast ein Viertel mehr Unternehmenspleiten als ein Jahr zuvor. 22.400 Unternehmen gingen insolvent, der höchste Wert seit 2015. Der Kreditversicherer Allianz Trade rechnet für 2025 mit einem weiteren Anstieg der Konkurse. Auch bei den Verbraucherinsolvenzen zeigt der Trend nach oben. Gestiegene Verbraucherpreise und höhere Kreditzinsen belasten die privaten Haushalte, zudem stehen Zehntausende Jobs auf der Kippe. Im zu Ende gegangenen Jahr wird sich die Zahl der Verbraucherinsolvenzen um 8,5 Prozent auf gut 72.000 Verfahren erhöht haben.
Die für Wachstum entscheidenden Bruttoanlageinvestitionen werden laut HRI-Prognose bis zum Ende des Prognosezeitraums weiter schrumpfen; 2026 werden sie auf dem Niveau von Ende des Jahres 2016 liegen. Fünf Jahre schrumpfende Investitionen gab es seit Beginn der Datenreihen 1960 noch nie in der Bundesrepublik. Investitionen werden entweder aufgeschoben – oder es wird Kapital exportiert.
Laut DIHK wird jedes dritte Unternehmen seine Investitionen 2025 zurückfahren. 25 Prozent der Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als „schlecht“. Im Dezember rutschte das Ifo-Geschäftsklima weiter ab und ist damit auf dem tiefsten Stand seit Mai 2020.
Das alles macht sich auch in der Erwerbstätigenstatistik bemerkbar. Nach jüngsten amtlichen Daten für das dritte Quartal sank die Erwerbstätigenzahl im Vergleich zum Vorquartal saisonbereinigt um 45.000 Personen. Das war der erste saisonbereinigte Rückgang seit dem ersten Quartal 2021. Dazu kommt, dass in den nächsten rund 15 Jahrenaltersbedingt jährlich etwa 400.000 mehr Erwerbstätige in Rente gehen, als junge Arbeiter nachrücken.
Seit den Tiefstständen vom Frühjahr 2019 ist die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit um rund 600.000 Personen gestiegen. Monat für Monat steigt die Zahl gegenwärtig um fast 20.000.
Anders als die Bundesregierung sieht das HRI auch perspektivisch keinen kräftigen Konsumschub. Das gestiegene Preisniveau zehrt am verfügbaren Einkommen. Der private Konsum, der rund die Hälfte zur Wirtschaftsleistung ausmacht, fällt als Wachstumstreiber vorerst weiter aus.
Die Inflation wird nach Einschätzung des HRI sowohl 2025 als auch 2026 über der Zwei-Prozent-Marke verharren. Die Preissteigerungen sind in der gesamten Euro-Zone in der Breite der Volkswirtschaft angekommen; die Kerninflation ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel liegt gegenwärtig in Deutschland und der Euro-Zone noch bei rund drei Prozent.
Hinzu kommt, dass Deutschlands Stromexporte sich seit Jüngstem auf jene Zeiten beschränken, in denen der Strompreis sehr niedrig ist, weil die Sonne scheint und der Wind bläßt. Deutschland importiert Strom hingegen meistens dann, wenn es sogenannte „Dunkelflauten“ gibt und Energie teils extrem teuer ist. Dies drückt die Handelsbilanz. Laut HRI-Prognose wird der Außenhandel 2025 die deutsche Volkswirtschaft insgesamt merklich bremsen und auch im Jahr 2026 keine Wachstumsimpulse setzen.
Laut HRI-Prognose werden auch die Bauinvestitionen im Prognosezeitraum weiter schrumpfen. 2026 wird dann das sechste Jahr in Folge ohne Wachstum für diese Branche werden. Dramatisch könnte sich die Milliardenlöcher in den Kommunalhaushalten auswirken und auch der Tiefbau in die Krise rutschen. Nach Prognose der kommunalen Spitzenverbände dürfte sich 2024 das Defizit der Kommunen 2024 auf 13,2 Milliarden Euro mehr als verdoppelt haben.
Gestützt wird die Konjunktur allein durch den Konsum, den privaten und vor allem den staatlichen.
Handelsblatt-Chefökonom Rürup ruft daher nach dem Staat: „Wann, wenn nicht jetzt, wäre es der geeignete Zeitpunkt, für eine wachstumsorientierte Reform der fehlkonstruierten Schuldenbremse?“ Doch die neue Bundesregierung muss erst noch gewählt werden. Dann wird die erste große Amtshandlung wohl die Aufstellung eines neuen Bundeshaushalts sein und damit absehbar ein Ende bzw. Reform der Schuldenbremse. Doch: Im Durchschnitt vergingen nach den letzten sechs Bundestagswahlen rund neun Monate zwischen Wahl und Ende der vorläufigen Haushaltsführung, Tendenz steigend. Staatliche Maßnahmen zur forcierten Entwicklung des Staatskapitalismus und zur Wachstumsstimulierung dürften daher vermutlich nicht vor dem Jahr 2026 irgendwie bemerkbar werden.