Das Geschäftsmodell der Protagonistin Marla Grayson (Rosamund Pike) ist so innovativ wie skrupellos.

Durch die Zuarbeit einer korrupten Ärztin lässt sie sich von einem Gericht die Vormundschaft für vermeintlich senile Senioren zusprechen. Dabei geht bei ihrem Betreuungsdienst nicht um die Bedürfnisse der Betreuten, sondern darum sich an ihnen zu bereichern. Noch bevor die Senioren ganz verstanden haben, wie ihnen geschieht, werden sie in ein gefängnisartiges Heim gesteckt, dass sie selbst von ihren Verwandten abschirmt. Währenddessen verkauft Marla schon deren Haus und Hof und lässt sich den Gewinn als großzügiges Gehalt auszahlen.

I care a lot Szene

 

Eloquent und stets perfekt gestylt ist sie ein Bild von einer bürgerlichen "Selfmade-Frau". Mit diesem Auftreten und viel Heuchelei gewinnt sie den örtlichen Richter immer wieder für sich, auch im Angesicht der Klagen verzweifelter Verwandter. Im Spinning-Kurs holt sie danach auch noch das Letzte aus sich heraus, um das Letzte aus anderen herausholen zu können. Richtig interessant wird es, wenn sie ihr menschenverachtendes Treiben vor sich und anderen moralisch rechtfertigt. Das tut sie nämlich mit Verweis auf das Patriarchat. Die Ausbeutung der Frau in dieser Gesellschaft ist für sie die Rechtfertigung selbst zum Ausbeuter zu werden, auch gegen andere Frauen. Damit ist ihre Figur ein Lehrstück über bürgerlichen Feminismus: Die Befreiung der Frau wird zu einen weiblichen „ich, ich, ich!“ degradiert. Andererseits zerschlägt ihre Figur auch patriarchale Rollenbilder, wenn sie als berechnende und brutale Frau gezeigt wird. Indem sie diese Eigenschaften aber einsetzt, wie sie sie einsetzt, taugt sie nicht als Identifikationsfigur.

 

Marlas Geschäftserfolg wird nur dadurch unterbrochen, dass sie sich eines Tages die Vormundschaft für die Mutter von Mafiaboss Roman Lunyov (Peter Dinklage) erschleicht. Dem wiederum schmeckt überhaupt nicht, dass seine Mutter in einem Heim vor seinen Besuchen abgeschirmt wird und setzt alle Hebel in Bewegung, um die Normalität wieder herzustellen. Obwohl beide auf den ersten Blick sehr unterschiedlich scheinen, haben sie doch vieles gemein. Beide stehen für hemmungslose Bereicherung auf Kosten anderer, in ihrem Fall in legalen Bahnen, in seinem Fall in illegalen. Auch Marla selbst hat einen klaren Blick auf die Klassengesellschaft, innerhalb derer sie sich auf die Seite der Ausbeuter schlagen will: „Fairness ist Zynismus von reichen Leuten um die anderen in Armut zu halten.“

 

Insgesamt ist der Film eine unterhaltsame Kritik auf das vergiftete Glücksversprechen des gegenwärtigen Kapitalismus. Das ganze wird interessant erzählt, indem die Protagonistin den Zuschauer immer wieder zur Identifkation einlädt, er ihr diese aber unbedingt verwehren muss.