Ob analog oder digital, der Werbeoffensive für das international aufgeführte Musical „Shen Yun“ konnte man in den letzten Wochen kaum entkommen. In den Werbevideos werden Gruppentanzszenen gezeigt – Frauen in seidenen Gewändern und historische Soldaten tanzen Ballet.

Auch spiritualistisch-religiöse Riten werden gezeigt, was die Werbung aber nur im Text andeutet: „Durch atemberaubenden Tanz und beeindruckende Musik erzählen die Künstler von Shen Yun von einer Zeit, als göttliche Wesen auf der Erde wandelten und eine Kultur hinterließen, die Generationen inspirierte.“1 Spiritualistischer Blödsinn, aber soweit noch nichts besonderes im Rahmen bürgerlicher Kultur, würde die Show nicht schon im Untertitel eine politische Kampfansage machen: Man bekomme hier „China vor dem Kommunismus“ gezeigt. Dabei geht es keineswegs darum Dokumentarisches unterhaltsam zu inszenieren, sondern darum, ein geschichtsrevisionistisches Zerrbild zu propagieren. Im vorrevolutionären China sei alles eitel Sonnenschein gewesen und dann kamen die Kommunisten: „Aber während jahrzehntelanger kommunistischer Herrschaft ist ein Großteil dieser göttlich inspirierten Kultur zerstört oder vergessen worden.“

 

Shen Yun AusschnittChina vor dem Kommunismus“ - im Musical

 

Kein Wort erwähnt hingegen die grausame Feudalherrschaft, die, spirituell eingesegnet, die chinesischen Bauern im Würgegriff hielt:

„Durch die Fesseln des Feudalsystems gebunden, hatten die Bauern keine persönlichen Freiheit. Der Grundherr hatte das Recht, die Bauern nach Belieben zu beschimpfen, zu prügeln und sogar zu töten, die Bauern besaßen keinerlei politische Rechte. Die äußerste Armut und Rückständigkeit der Bauern infolge der grausamen Ausbeutung und Unterdrückung durch die Grundherrenklasse waren die grundlegende Ursache dafür, daß die chinesische Gesellschaft jahrtausendelang in wirtschaftlicher und sozialer hinsicht stagnierte.“ (Mao Tse-Tung, Die Chinesische Revolution und die Kommunistische Partei Chinas (1939), zitiert nach: Ausgewählte Werke Band II, S. 356f.)

 

China historisch Zusammenschnitt

China vor dem Kommunismus“ - Füße binden und Opiumhöhle

 

Nicht eine Silbe über die imperialistische Ausbeutung und Vergewaltigung des chinesischen Volkes:

„Daneben unterhielten die imperialistischen Mächte in China viele Betriebe der Leicht- und Schwerindustrie, um die chinesischen Rohstoffe und billigen Arbeitskräfte an Ort und Stelle zu exploitieren; sie übten damit einen direkten wirtschaftlichen Druck auf die chinesische nationale Industrie aus und verhinderten unmittelbaren die Entwicklung der Produktivkräfte Chinas. [...] Neben all diesen Maßnahmen ließen die imperialistischen Mächte auch in ihren Anstrengungen zur geistigen Verdummung des chinesischen Volkes nicht nach. Das ist ihre Aggressionspolitik auf dem Gebiet der Kultur. Diese Aggressionspolitik wird durch die Tätigkeit der Missionare, durch die Gründung von Krankenhäusern und Lehranstalten, durch Herausgabe von Zeitungen und durch Gewinnung der chinesischen Jugend für das Studium im Ausland durchgeführt. Das alles wird getan, um gefügige Intellektuellenkader für die Imperialisten heranzubilden und die breiten Massen des chinesischen Volkes zu verdummen.“ (Mao Tse-Tung, Die Chinesische Revolution und die Kommunistische Partei Chinas (1939), zitiert nach: Ausgewählte Werke Band II, S. 361f.)

 

China historisch Repressionen gegen Boxer

China vor dem Kommunismus“ - Repressionen gegen sogenannte Boxer, die gegen den Imperialismus rebelliert haben, u.a. den deutschen

 

Wer so einer Geschichtsfälschung die große Bühne bietet, ist schnell herausgefunden. Die metaphysische Falun-Gong-Bewegung, die seit zwei Jahrzehnten durch die chinesischen Revisionisten verfolgt wird, benutzt die Show als Kulturprotest gegen das chinesische Regime. Dieses wird von ihnen gewohnheitsmäßig und unverdienterweise als kommunistisch bezeichnet. Ihren Irrtum konsequent weiterverfolgend spielen sie auch in diesem Fall die antikommunistische Klaviatur. In Kombination mit der vollständigen Verneinung der imperialistischen und feudalen Despotie spucken sie mehr auf die unterdrückten Völker der Welt als auf die Sozialimperialisten in Peking.

 

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1 Kursive Zitate sind der Werbung entnommen.