Innen- und Familienministerium und das Bundeskriminalamt haben diese Woche in Berlin ein Lagebild zum Thema Häusliche Gewalt vorgestellt, laut dem die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt 2022 im Vergleich zum Vorjahr um ganze 8,5 Prozent gestiegen ist.
240.057 Opfer und 197.348 Tatverdächtige wurden registriert, und es ist klar, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist. Bei all den Bemühungen, die in den letzten Jahren gemacht wurden, um zu propagieren, der Staat sei gegen Gewalt an Frauen, ist ein solcher Anstieg eine Offenbarung der Heuchelei der bürgerlichen Politiker. Aber in einem Land, in dem an jeder zweiten Straßenecke Frauen in Unterwäsche als Dekoration auf großen Werbeplakaten zur Schau gestellt werden, Prostitution in riesigem Maße betrieben wird und als Einnahmequelle für den Staat dient und die erfolgreichste und in vielen bürgerlichen Medien lang freundlich hofierte Musikband eine Vergewaltigerbande ist, wen sollte es dort wundern, wenn ein paar gutmenschliche Kampagnen gegen patriarchale Gewalt ins Leere laufen. Der Anstieg der häuslichen Gewalt (d.h. in erster Linie Gewalt an Frauen; denn das ist Wichtige hieran, was die Art der Statistik allerdings verwischt) 2022 ist auch ganz besonders eine Demütigung für die Ampel-Regierung, die im Dezember davor ihren Amtsantritt hatte und sich auch dieses Thema auf die Fahnen geschrieben hat:
„Wir werden das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen. Wir bauen das Hilfesystem entsprechend bedarfsgerecht aus. Der Bund beteiligt sich an der Regelfinanzierung. … Präventive Täterarbeit bauen wir aus. Wir wollen ein starkes Bündnis gegen Sexismus. Die gerichtsverwertbare vertrauliche Beweissicherung setzen wir flächendeckend, wohnortnah um.“ (Koalitionsvertrag 2021; S. 91)
Nun ist keines der Versprechen an die Frauen erfüllt, die mehr Frauenhäuser und Beratungsstellen, die beispielsweise Familienministerin Lisa Paus (Grüne) versichert, fallen im Haushaltsplan hinter die Interessen der deutschen Imperialisten, also insbesondere Militärausgaben, zurück und werden nicht geschaffen.
Wurde während Corona noch die Hauptschuld für den Anstieg der Zahlen auf die Isolation der Menschen in ihren Wohnungen geschoben, ist es nun wieder schwieriger, zu verschleiern, dass die Bourgeoisie das Patriarchat immer aufrecht erhalten wird und Gewalt gegen Frauen in weiten Teilen entsprechend duldet bzw. unterstützt. Das muss sogar (Noch?)-Innenministerin Nancy Faeser zugeben und fordert daraufhin eine bessere „Fortbildung und Sensibilisierung der Polizeikräfte“, die allzu oft den Hilferuf bei patriarchaler Gewalt ignorieren. Und auch die anderen ins Spiel gemachten Maßnahmen spielen in diese Karten: Als Antwort auf die Zunahme der patriarchalen Gewalt sollen die Ausweitung der Befugnisse der Exekutive als Teil der Reaktionarisierung des Staates und die Militarisierung der Gesellschaft vorangetrieben werden. Laut Faeser müsse konsequent kontrolliert werden, dass Täter nach dem ersten gewaltsamen Übergriff aus der Wohnung verschwinden, damit sie nicht schnell wieder zurückkehren, und dazu sei womöglich eine Gesetzesänderung nötig. Die Behörden sollen schneller und direkter Entscheidungen treffen können, ohne dabei auf so viele Paragraphen achten zu müssen. Und schon reihen sich Reaktionäre, die sich angeblich für die Rechte der Frau einsetzen, wie die Bundesgeschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation Terre Des Femmes, Christa Stolle, mit ein in das Geschrei nach Militarisierung. „Es müssen endlich die Maßnahmen ergriffen werden, die Frauen wirklich schützen und schlimmste Gewalttaten verhindern. Dazu gehört die Durchsetzung einer bundesweit einheitlichen Wegweisung des Täters vom Wohnort – und zwar auch mit elektronischer Überwachung, wie es sie in Spanien gibt.“ Mit dem Vorwand des Schutzes der Frauen machen sich diese Menschen für die Einführung der elektronischen Fußfessel in Deutschland stark. Der hessische Justizminister, Roman Poseck (CDU), sagte: „Die Entwicklung der Fallzahlen zeigt die Dringlichkeit der hessischen Initiative, den Einsatz der elektronischen Fußfessel in Eskalationsfällen zur Überwachung von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zu ermöglichen.“ Eine Verbesserung der Situation der Frau in Bezug auf patriarchale Gewalt stellt das jedenfalls nicht in Aussicht.