Noch nie hat eine Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen so viel Aufmerksamkeit erlangt wie die aktuelle in Australien und Neuseeland. Das erste Turnier mit 32 Nationalmannschaften ist auf gutem Weg, in Deutschland die Sportveranstaltung des Jahres zu werden; bereits letztes Jahr war das EM-Finale der DFB-Frauen gegen England mit 18 Millionen Zuschauern das meistgesehenste TV-Event des Jahres. Die Trikots sind bereits alle vergriffen, und den 6:0-Auftaktsieg der DFB-Elf gegen Marokko schauten 5,61 Millionen Zuschauer im Fernsehen.
Parallel steigen seit langem Angebot und Nachfrage im Mädchenfußball. Im Vergleich zumVorjahr gibt es in Deutschland 20.000 mehr im Verein angemeldete Fußballerinnen, insgesamt 845.000. Viele Mädchen im Schulalter bezeichnen die Profifußballerinnen als ihre Vorbilder, eine Tatsache, die es so vor 15 Jahren noch nicht gegeben hätte. Die Zuschauerzahlen steigen auch in den Stadien der Frauen-Bundesliga.
Die politische Bedeutung der WM unterstreicht unter anderem Annalena Baerbock, die Anfang Mai zu einer Auftaktveranstaltung ins Auswärtige Amt eingeladen hat. „Es ist für mich ein Symbol der Außenpolitik. Man kann nur spielen, wenn sich jeder an die Regeln hält.“, sagte sie dort. Neben der Anspielung auf den russischen Imperialismus stand dort der Kampf für die Übertragungsrechte für die öffentlich-rechtlichen Sender, was zu dem Zeitpunkt mit der FIFA noch nicht geklärt war, im Mittelpunkt. Wer die Interessen des deutschen Imperialismus mit „feministischer Außenpolitik“ durchsetzen will, muss auch etwas vorzuzeigen haben. Dazu befeuert sie die Diskussion um bessere Bezahlung im Frauenfußball. „Equal Pay“ ist das Stichwort, doch mit der Forderung der proletarischen Frauen nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit hat das nichts zu tun. In der Kritik stehen aktuell besonders die „zu niedrigen Prämien“ für die Frauen. Für die reine WM-Teilnahme bekommt eine Fußballerin schlappe 30.000 Euro, bei einem Titelgewinn gerade einmal eine Viertelmillion; die Männer hätten letztes Jahr in Katar 400.000 abstauben können. Das sind die Probleme, um die sich der bürgerliche Feminismus kümmert.
Gestützt werden soll die Prämienforderung mitunter jetzt durch eine Studie von Forschern aus Zürich und Stavanger, bei der man 600 Probanden vor als „hochwertig“ geltende Videoclips von Champions-League-Spielen von Frauen und Männern setzte und sie – einmal mit normalen, einmal mit verpixelten Videoausschnitten – nach einer Bewertung fragte. Das Ergebnis sei, dass der Männerfußball nur unverpixelt als spielerisch besser wahrgenommen worden sei, bei Unkenntnis des Geschlechts hingegen seien die Spielszenen als gleichwertig wahrgenommen worden. Was für Spielszenen die Studie genau verwendete, lässt sich nicht nachvollziehen – Leuten mit auch nur ein bisschen Fußballkenntnis wird es aber schwer sein, zu erklären, dass eine „Gleichwertigkeit“ existiert. Das Patriarchat hört im Sport nicht auf, zu existieren. Wenn die Frau über Jahrtausende für die Reproduktion verantwortlich gemacht wird und der Mann dafür die größere Rollein der gesellschaftlichen Produktion hat, kann er sowohl mehr gesellschaftlichen Tätigkeiten teilnehmen als auch die raschere körperliche Entwicklung machen. Besonders in Sportarten wie der Leichtathletik, wo die sportliche Leistung in physikalischen Größen ziemlich direkt gemessen werden kann, beweist sich das. Der bürgerliche Feminismus reduziert die Unterdrückung der Frau auf ein paar ausstehende Reformen, die gemacht werden müssen; die Existenz des Patriarchats wird, wie hier, negiert.
Die Frauen, die viele junge Mädchen nun als Vorbilder und auch als Beispiel für die Emanzipation der Frau betrachten, repräsentieren tatsächlich in großem Maße bürgerliche patriarchale Ideen. Im Vorfeld der WM sind von unterschiedlichen Formaten, unter anderem der Fashion-Zeitschrift Vogue, mehrere Kurzdokus bzw. Portraits über einzelne DFB-Spielerinnen gedreht worden, in denen diese wie Models posieren; für andere Spielerinnen wie Laura Freigang ist das ohnehin Teil des Alltags. Auf dem Platz ist derweil die persönliche Emotionalität von größter Bedeutung, immer wieder gibt es im professionellen Frauenfußball Rumgeheule und Gezicke bei persönlichen Fehlern und Niederlagen. Dieses Problem wird nicht mit revolutionärer Gewalt konfrontiert und breitet sich entsprechend aus. Die großen Versprechen des deutschen Imperialismus an die Frauen entspringen lediglich den Forderungen der bürgerlichen Feministinnen, die auf ihren eigenen Vorteil zielen und in die das Patriarchat selber tief in sich tragen. Für die Frauen unserer Klasse können die weiblichen Fußball-Profis in keinster Weise irgendein Vorbild sein.