Wir erinnern uns an das Jahr 2018. Anlässlich einiger antisemitischer Übergriffe in Berlin gab es ein Solidaritätsevent mit dem who-is-who bürgerlicher Politik und Kultur – „Berlin trägt Kippa“. Die Ereignisse wurden in der bürgerlichen Presse überregional und ausführlich verbreitet, das Feindbild auch schnell klar: Muslime. Die Kritik des Antisemitismus war in aller Munde, mit dem faden Beigeschmack eines antimuslimischen Chauvinismus.
Im selben Zeitraum nehmen die Angriffe auf Muslime und muslimische Einrichtungen zu, die demokratische Empörung darüber hielt sich allerdings stark in Grenzen. Ein kürzlich veröffentlichter Artikel hat dazu Empörendes aufgedeckt: „Das Desinteresse beginnt schon bei der offiziellen Erfassung. 48 Straftaten mit dem Angriffsziel „Moschee“ hat das Bundesinnenministerium für das Jahr 2018 gezählt. Ausgenommen von der Zählung hat es dabei allerdings Angriffe auf „Stätten der Religionsausübung“ und „Moscheevereine“. Was eine Moschee anderes sein soll als eine „Stätte der Religionsausübung“, konnten mir weder Behörden- noch Moscheevertreter erklären.“ Viele Straftaten werden gar nicht erst angezeigt und tauchen in den Statistiken so nicht auf. Der Grund: Den 132 behördlich erfassten islamfeindlichen Straftaten in den ersten drei Monaten dieses Jahres steht keine einzige Verhaftung oder Verurteilung gegenüber. Dabei sind die Angriffe auf muslimische Menschen an Abscheulichkeit oft kaum zu überbieten. So wurde erst im Februar zwei in Berlin-Marzahn lebenden syrischen Mädchen ins Gesicht geschlagen, nachdem sie rassistisch beleidigt wurden. Selbiges wurde einem zwölfjährigen Jungen in Hellersdorf angetan. In Neukölln versuchte eine Frau einem Mädchen das Kopftuch herunterzureißen. Dies geschah alles am selben Tag, in derselben Stadt! Staatstragende Solidaritätsveranstaltungen gab es für sie nicht.
Warum werden Angriffe gegen die Religionsfreiheit so unterschiedlich gehandhabt? Die gerechtfertigte Empörung über Antisemitismus wird oft im Sinne der schändlichen Gleichsetzung von Zionismus und Judentum instrumentalisiert. Zionismus ist die nationalistische Ideologie Israels. Wegen Antisemitismus standen plötzlich Erwägungen im Raum, das Verbrennen von Israelflaggen zu verbieten. Dabei ist das verbrennen von Israelflaggen ein Symbol des Widerstands gegen den israelischen Besatzungsterror in Palästina. Unter der Behauptung Antisemitismus zu bekämpfen, wird oft tatsächlich antizionistische Politik bekämpft. Israel ist ein wichtiger Partner des deutschen Imperialismus in Westasien und die Gleichsetzung von Judentum und Israel ein Grundpfeiler deutsch-israelischer Außenpolitik, mit der die Unterdrückung der Palästineser gerechtfertig werden soll.
Währenddessen sind die unterdrückten Nationen mit islamischer Bevölkerungsmehrheit Objekte des deutschen Imperialismus. Der legitime Widerstand gegen ihn wird oft von reaktionären islamischen Milizen angeführt. In der Hauptsache ist dieser Widerstand zu begrüßen. Gleichzeitig sind muslimische Menschen eine große Einwanderergruppe in Deutschland. Ihnen wird immer wieder vorgeworfen, sich nicht genug zu integrieren, das heißt im Sinne des deutschen Imperialismus zu assimilieren. Der antimuslimische Chauvinismus verhindert Solidarisierungseffekte, sowohl mit den Menschen in den Unterdrückten Nationen, als auch mit der Arbeiterklasse in der BRD. Die Herrschenden profitieren folglich davon, wenn Menschen aus muslimisch geprägten Ländern wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Die passenden pseudowissenschaftlichen Rechtfertigungen dafür schreiben die Sarrazins dieses Landes gerne herbei. Entsprechend ist es für Kommunisten unabdingbar, den internationalistischen Schlachtruf des großen Lenin hochzuhalten: „Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!“