In den bürgerlichen Medien ist im Augenblick eine Anschauung zur Verdeutlichung des Verhältnisses von Ausbreitung von COVID-19 und dem Zustand des Gesundheitssystems, und zur Rechtfertigung der Maßnahmen des Staates sehr präsent – die „Kurve“. Mal abgesehen davon, dass dieser Begriff unter einigen natürlich längst Mode geworden und für einige bereits von der Form zum Inhalt mutiert ist, ist die Grafik tatsächlich ein sehr treffendes Beispiel, da die Bourgeoisie hier drin die Lüge eines Staats, der das Volk „schützt“, die Abwälzung der Krise auf die Massen, und die Vertuschung dieser Machenschaften als „notwendig“ wiederbestätigt.

 

Die Grafik zeigt unterschiedliche kurvenförmige Verläufe der Ausbreitung des Virus in Abhängigkeit der Zeit und eine Demarkationslinie für die „Kapazitätsgrenzen“ des Gesundheitssystems. Die Fläche unter den Kurven ist identisch, da davon ausgegangen wird, dass in allen Fällen eine Immunität von ca. zwei Dritteln der Bevölkerung nötig für den annähernden Stopp der Virusausbreitung ist, also die Anzahl der Erkrankungen, solange es keinen Impfstoff gibt, fest ist. In den meisten Modellen werden zwei Kurvenverläufe gezeigt: der eine zeigt die Ausbreitung des Virus ohne Eingriff durch den Menschen, der andere jene durch gesellschaftliche Eingriffe geflachte Kurve, deren Maximum genau an der Demarkationslinie liegt. In ersterem Fall steigt die Kurve natürlich vergleichsweise schnell auf einen vergleichsweise hohes Maximum, das deutlich über der Kapazitätsgrenze liegt, und fällt aufgrund der einhergehend schnell gestiegenen Immunität auch schnell wieder. Das Virus breitet sich also schnell und vergleichsweise in einem kurzen Zeitraum aus, bewirkt aber trotzdem einen Zeitraum, in dem die Kapazitäten des Gesundheitssystems eindeutig übertroffen werden. Die Folgen davon für die gesamte Gesundheitsversorgung der Massen sind bekannt und z.B. in Italien gerade auch gut sichtbar. Um das zu vermeiden also die andere, die „flattened curve“. Heißt, die Kurve wird abgeflacht und in die Länge gestreckt, und bleibt so permanent unter der Demarkationslinie. Die Ausbreitung des Virus wird also verlangsamt, wodurch sie viel länger dauert, aber nie so viele Menschen erkrankt sind, dass die Kapazitätsgrenze des Gesundheitssystems überschritten wird – zudem bewirkt diese Aufschiebung auch die potentielle Wirksamkeit eines Impfstoffs, der im übertragenden Sinne der Kurve so früh wie möglich ein Ende setzt. „Zeit gewinnen“, „Spiel auf Zeit“ und Ähnliches lassen sich daher unter den Modellen der bürgerlichen Medien lesen. Da die bisher getroffenen Maßnahmen die Kurve nicht ausreichend abflachen haben lassen, erlauben die Herrschenden sich jetzt noch etwas tiefere Einschränkungen in die „Grundrechte“ wie durch das Kontaktverbot – laut bürgerlicher Wissenschaftssendungen die Maßnahmen zur vollständigen Abbremsung der Ausbreitung („stopthecurve“). Auch weitere Szenarien wie ein schwingungsförmiger Kurvenverlauf durch Anpassung der Maßnahmen an die aktuelle Auslastung des Gesundheitssystems kursieren – aber: niemanden scheint diese Linie zu interessieren. Sie ist anscheinend von „Gott gegeben“. Die ewig währende Konstante.

 

flatten the curveflatten the curve

stop the curve

stop the curve

on off szenarioon-off method

 

Es ist bekannt, wie sehr in den letzten Jahren das auf den Stelzen des Privateigentums errichtete deutsche Gesundheitssystem vernachlässigt wurde. So kann man auch nicht erwarten, dass die Kapazitätsgrenze besonders hoch ist (beiläufig bemerkt sind in den Diagrammen überhaupt keine Zahlen angegeben). Aber nun befindet man sich angeblich in der schwierigsten Lage seit dem Ende des 2. Weltkriegs und dem Untergang des Faschismus, man bricht nach und nach die eigens zum höchsten Gut ernannte Verfassung, man sucht nach Begründungen, den Ausnahmezustand ausrufen zu können – aber die Kapazitätsgrenze des Gesundheitssystems bleibt unbeweglich! In Relation zu den anfangs gemachten Punkten: Der Staat propagiert Zusammenhalt in dieser schwierigen Situation, während er die Ausbeutung und Unterdrückung vorantreibt, und er übernimmt die Verantwortung für alle Maßnahmen. Kostenlose hygienische Versorgung, sofortige Intensivierung der Produktion von Hygienemitteln, Senkung der Kosten medizinischer Versorgung, fachbezogene Heranbildung neuen Personals und so weiter und so fort – auf diese Ideen scheint der bürgerliche Staat fast nie zu kommen, die Kredite für Unternehmen müssen da natürlich auch Priorität genießen. In einem Staat, der dem Volk dient, würden die Kapazitätsgrenzen innerhalb kürzester Zeit rasant ansteigen können. Dass die Demarkationslinie unten bleibt, macht in Bezug auf die Grafik deutlich, dass Vertrauen in den bürgerlichen Staat nichts als eine Illusion ist. Anstatt die Linie zu heben, muss also die Kurve abgeflacht werden. Was heißt das? Abwälzung der Krise auf die Massen! Jede Maßnahme scheint nun gerechtfertigt; dass neben mehr oder weniger aufgezwungener Quarantäne jetzt Aufstandsbekämpfung geprobt wird, soll gar nicht auffallen. Und was besonders nicht auffallen soll, ist eben, dass die Bourgeoisie die Krise abwälzt. Kein Wort über die Verbesserung der Infrastruktur des Gesundheitssystems, über medizinische Versorgung für alle, kein Wort über die Anhebung der Demarkationslinie. So wird vertuscht und schließlich vergessen gemacht, dass es andere, viel herkömmlichere Möglichkeiten als aufgezwungene Vereinzelung gibt, um die Gesundheit der Menschen zu schützen.

 

Was es in Bezug auf diese Grafiken hochzuhalten gilt, ist: Mit einem Gesundheitssystem, das nach den Bedürfnissen der Menschen existiert, müssen wir die Kurve erst flacher machen, wenn die Demarkationslinie nicht mehr höher geht. Also: Warum #flattenthecurve und nicht #raisetheline? Weil die Interessen der Bourgeoisie den Bedürfnissen der Massen, mag eine noch so schwere Krise kommen, im Imperialismus übergeordnet sind. Frei nach der Losung: Freiheit der Ökonomie, Quarantäne den Massen.