Nach konservativen Schätzungen der bürgerlichen Zeitung Le Monde Diplomatique (Juni 2020) liegt die Anzahl an Covid-19 Verstorbener in Russland weit unter der von Ländern wie den USA und Großbritannien. Doch die relativ niedrige Sterblichkeitsrate rührt nicht daher, dass der russische Imperialismus sein Gesundheitswesen in den letzten Jahren kräftig ausgebaut hätte - das Gegenteil ist der Fall.
Als die Bolschewiki 1917 die Oktoberrevolution organisierten, versprachen sie, alles im Staat zu überprüfen und zum Nutzen der breiten Volksmassen unter Führung des Proletariats umzugestalten. Auch das russische Gesundheitswesen hatte dieses Programm bitter nötig. 1913 zählte Russland gerade einmal 207.000 Betten in Krankenhäusern und psychiatrischen Kliniken. Diese wiederum waren vor allem in den Städten konzentriert, sodass von einer flächendeckenden medizinischen Versorgung der Landbevölkerung keine Rede sein kann. Auf dem nachrevolutionären Russland lastete zudem die schwere Hypothek des Ersten Weltkriegs und des revolutionären Krieges zwischen 1918 bis 1922. Mangelernährung und Seuchen wie Fleckfieber, Cholera und Pocken waren Folgen der Verwüstungen.
Die Bolschewiki reagierten schnell und zentralisierten die fragmentierten Gesundheitsorganisationen der Zarenzeit. Das Volkskommissariat für Gesundheitswesen (Narkomsdraw) setzte von Anfang an auf Prävention und ordnete schon 1918 Pockenschutzimpfungen an. Gegen Krankheiten wie Tuberkulose und Malaria schickte die Behörde zur sanitären und empidemologischen Überwachung (Sanepid) Interventionsteams in die ganze Sowjetunion.
Unter der Leitung des Arztes Nikolai Semaschko wurde ein für alle Bürger kostenloses Gesundheitsystem eingerichtet - da erste der Welt. Der fortschrittliche Geist der Prävention erhielt in den Folgejahren eine immer stärkere Bedeutung, auch indem die sanitären Standards verbessert wurden. Mit der Industrialisierung und der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wurde die medizinische Versorgung auf dem Land erheblich ausgebaut. Jeder Landkreis erhielt eine Poliklinik für amulante Pflege. "Durch die Organisation des Gesundheitssystems nach dem Ortsprinzip lernt das medizinische Personal die Arbeits- und Lebensbedingungen der Patienten besser kennen", erklärte Semaschko das System. 1928 konnten bereits 40.000 Krankenhausbetten verzeichnet werden, die Zahl medizinischer Einrichtungen auf dem Land stieg von 4367 (1913) auf 7530. Anfang der Vierzigerjahre waren es bereits 13.500. Durch diese Erfolge kletterte die durschnittliche Lebenserwartung in der Sowjetunion anfang der 1960er Jahre auf 69 Jahre, Ende des 19. Jahrhunderts noch bei 31 Jahren.
Seit dem revisionistischen Coup und noch mehr nach dem Bankrott des Revisionismus Ende der 1980er Jahre werden die Erfolge des sozialistischen Gesundheitssystem stetig liquidiert. Zwischen 1965 und 1974 sank die Lebenserwartung wieder um 3 Jahre. Die traditionell hohe Zahl der Krankenhausbetten in Russland galt nach kapitalistischen Maßstäben nun als Anomalie, d.h. als zu reduzierende Kosten, und auch die Prävention wird zunehmend vernachlässigt. Die Zahl der Krankenhausbetten pro 10.000 EInwohner wurde von 2000 bis 2015 um ein Viertel reduziert. Die Zahl der Bezirksärzte sank im selben Zeitraum von 73.200 auf 60.900. Dennoch hat Russland mit 8,1 Betten pro 10.000 hier immernoch ein besseres Verhältnis als Frankreich (6 Betten) oder die USA (2,8 Betten). Für die Massen ist auch die Zukunft diesbezüglich keine rosige, die medizinische Versorgung auf dem Land wird weiter ausgedünnt, während in den Städten zunehmend Privatkliniken den Rubel rollen lassen. Auch die Bedingungen für das Personal werden immer schlechter, Pfleger klagen über fehlende Ausstattung und niedrige Löhne.
Gute Besserung - im Sozialismus!