„Bier-Krise: Großhändler muss 100.000 Liter vernichten!“ titelt die Hamburger Morgenpost mit fetten Lettern. Ein Skandal, wittert der Autor. Normalität im Kapitalismus, analysiert der Marxist.
Doch worum geht es?
Im Zuge des sogenannten ‚harten Lock-Downs‘ in Deutschland leiden Kneipen und Gastronomen brachial an Kundschaftseinbußen und konnte deutschlandweit ein Großteil der produzierten Güter nicht absetzen. Oftmals waren es alkoholische Getränke, die in vollen Lagern standen und begannen ihr Haltbarkeitsdatum zu überlaufen. Kein Wunder, wenn der Lockdown derart ausgerichtet ist, dass jegliche Freizeitbeschäftigung streng verboten und kontrolliert wird (wie der vergnügliche Kneipenbesuch), das Arbeitsleben aber unreglementiert fortgeführt wird werden muss. Die Brauereien über produzierten und unverkaufte Waren standen sowohl in den Gastronomin als auch in den Brauereien zuhauf „gebrauchsfertig“ bereit.
Doch wir leben im Imperialismus. Da sich kein Abnehmer (Kunde) für die Waren fand, siechten sie weiter dahin. Anstatt die hunderttausend Liter den darbenden Menschen zur Verfügung zu stellen und seinen Nutzen, dem Gebrauch entsprechend anzubieten, goss man das Hopfen-Malz-Getränk lieber in den Abfluss. Ein Wahnsinn, aber in der kapitalistischen Marktwirtschaft Normalität. Schließlich im Kapitalismus zählt nur der Tauschwert, also der im Verkauf realisierte Geldwert einer Sache, und nicht sein Gebrauch. Denn am Gebrauch des Bieres scheitert es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitnicht: würde man die überschüssigen Bierfässer kostenlos verschenken, wäre man die Fässer sicherlich in Kürze los. Doch darum geht es im Kapitalismus nie. Kostenlose Versorgung mit nützlichen Dingen könnte mittelfristig den Gewinn schmälern, indem der zukünftige Absatz sinkt. Also zerstört man lieber gebrauchsfertige Güter als sie denen zu geben, die sie brauchen.
Anhand dieses Beispiels lässt sich der Widersinn der Marktwirtschaft weitergehend illustrieren. Die eben genannte Erläuterung ist auch derselbe Grund, weshalb Abfalltonnen von Supermärkten verschlossen werden und selbst abgelaufene Lebensmittel in den Tonnen gerichtlich Bestimmt nicht gegessen werden dürfen, selbst wenn Menschen hungern und die abgelaufenen Produkte in den Tonnen nur noch für die Mülldeponie angedacht sind. Containern bleibt dem bürgerlichem Recht nach strafbar – so urteilte unlängst höchstrichterlich das Bundesverfassungsgericht.1
Dies stellt auch den selben Grund dar, weshalb jährlich diverse Produkte als die größten Werbelügen des Jahres identifiziert und gekürt werden. Man erinnert sich vielleicht noch an ‚Actimel‘ von Danone, dass der Werbekampagne nach „Abwehrkräfte aktiviert“. Schade nur, dass bei genauerem Hinsehen herauskam, dass ‚Actimel‘ fast ausschließlich aus Milch und Zucker bestand, mithin also unter keinen Umständen eine positive Auswirkung auf das Immunsystem hervorbrachte.2 Denn wenn es nicht darum geht einen wirklich Gebrauch zu erzeugen (in dem Beispiel einen tatsächlichen Effekt auf das Immunsystem zu haben), sondern der Tauschwert der einzige Grund der Produktion ist, zählt einzig eine kosteneffiziente Herstellung. Und ein Blenden des Konsumenten, also ein Vorgaukeln angeblicher Effekte, ist das Resultat für den Zweck eines möglichst hohen Absatz des Produkts.
Anhand von elektronischen Geräten kennt man dasselbe Prinzip: das offene Geheimnis der zwei Jahre Lebensdauer von Computer, TV und Radio die zufälligerweise exakt mit der Zweijahre Gewährleistungsrecht des bürgerlichen Rechts in eins fallen (heutzutage gar perfider an Smartphones angewandt, indem diese nur 2 Jahre lang mit aktueller Systemsoftware beliefert werden). Fabrik gefertigte Elektrogeräte, die anhand von lose verlöteten Kabeln oder schlecht geschraubten Muttern rasch nach Ablauf der Zweijahresdauer ihren Geist aufgeben, aber so konstruiert sind, dass eine eigene Reparatur schier unmöglich ist, sind nur der offensichtlichste Aspekt bedürfnisfeindlicher Produktion. Wie immer in der kapitalistischen Produktion steht der Tauschwert dem Gebrauchswert entgegen und setzt die menschlichen Bedürfnisse dem ökonomischen Profit hintan.
Zurück zum Morgenpostartikel und dem Bier. Was hier zwar traurig, aber verkraftbar daherkommt, steht jedoch sinnbildlich für alle produzierten Waren in der Welt. Global gesehen werden rund 40% der Nahrungsmittel zerstört, obwohl Millionen Kinder jährlich verhungern.3 Ebenfalls Millionen von Menschen sterben insbesondere in den unterdrückten Nationen an heilbaren Krankheiten, weil die Pharmaindustrie keinen Tauschwert mit zahlungsschwachen Menschen generieren kann und lässt sie daher lieber an Malaria oder HIV verrecken.
Und das selbe läuft jetzt vor unser aller Augen mit dem Corona-Impfstoff ab. Denn das Patentrecht ermöglicht den Monopolen die Eigentumsrechte an der Rezeptur des mRNA-Impfstoffs, sodass horrende Preise für die Impfdosen angesetzt werden können und zugleich konkurrierenden Laboren weltweit verboten wird den Impfstoff eigens zu produzieren – gleichwohl ein Milliardenbedarf existiert und täglich hunderttausende Menschen an den Folgen von Covid-19 sterben und erhöhte Liefermengen daher dringend nötig sind, weil die Monopole nicht genügend produzieren können um die Menschen vor dem Tod zu retten.
Der Kapitalismus tötet. Seine Wirtschaftsordnung tötet. Da nur das Geld (der Tauschwert) zählt und nicht das Menschenleben, darf man sich keine Änderung innerhalb des Systems erhoffen. Denn die Eigentumsrechte und der Tauschwert sind seine Grundfesten.
1https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/lebensmittelrettung-bundesverfassungsgericht-containern-bleibt-strafbar/26620882.html
2https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2009/danones-actimel-ist-die-werbeluege-des-jahres/
3https://de.wikipedia.org/wiki/Welthunger#:~:text=Unterern%C3%A4hrung%20tr%C3%A4gt%20j%C3%A4hrlich%20und%20weltweit,(779%2C9%20Millionen).