Hungersnöte, bedingt durch Lebensmittelknappheit, führen zu sozialen Aufständen. Erst kommt das Fressen, dann die Moral, dichtete bereits Bertolt Brecht über diese Wahrheit. Und wann immer das Elend der Arbeiterklasse steigt, gibt es jemanden der davon profitiert. Steigende Lebensmittelpreise sind der sichtbare Ausdruck von Agrarrohstoffspekulation an der Börse, die seit 2001 unreglementiert gehandelt werden und seitdem im Preis sprunghaft ansteigen. Wie jedoch berichtet die bürgerliche Presse über die Lebensmittelpreise?
Von den Journalisten werden schlechte Ernten als Gründe angegeben. Über die Finanzspekulation hingegen schweigt sich bspw. der staatliche Nachrichtensender Tagesschau in seiner Kolumne hinsichtlich der Lebensmittelverteuerung wohl wissentlich aus. Erst durch weitergehende Recherchen stößt man auf die Zusammenhänge. Lediglich der deutsch-französische Kultursender Arte hat zur Preisspekulation von Nahrungsmittelrohstoffen eine lohnenswerte Dokumentation publiziert.1 Die nachfolgenden Berichte spiegeln die unterschiedliche Erklärung der Preisanstiege.
„Aus Sicht der Experten der Rabobank ist Entlastung am Markt für Nahrungsmittel nicht in Sicht. In ihrem Marktreport für den Monat Januar schreiben sie, dass die globale Nachfrage hoch bleibe und die Wetterbedingungen derzeit nicht perfekt seien. Sie gehen deshalb von weiter steigenden Preisen aus.“2 (Tagesschau)
„Bis zur Deregulierung der Rohstoffmärkte konnte ein Investor in den USA nur jeweils 600 Rohstoffkontrakte handeln. Diese Begrenzung fiel im Jahr 2000, was es den Investmentbanken ermöglichte, Rohstofffonds mit unbegrenzten Mittelzuflüssen zu konstruieren. (…) Die spekulativen Finanzströme in indexierte Rohstoffe stiegen von 15 Mrd. US-$ (2003) auf 200 Mrd. US-$ (Mitte 2008). Die börsengehandelten Optionen und Futures auf Rohstoffe wuchsen zwischen 2002 und Mitte 2008 auf mehr als das Dreifache an, und das Volumen der Over-the-counter-Derivate (OTC-Derivate) vervierzehnfachte sich auf rund 13 Billionen US-$. (…) Im Gegensatz hierzu kommen Baffes und Haniotis ebenso wie Lagi et al. in ihren Studien zu dem Ergebnis, dass weder die Nachfrage aus den Schwellenländern noch die aus der Produktion von Bio-Treibstoffen wesentlich für den Nahrungsmittelpreisboom waren, sondern die Nachfrage von Finanzinvestoren. Zwar sieht auch Inamura Wettereinflüsse und Spannungen im Mittleren Osten als Gründe für die Rohstoffpreissteigerungen und vor allem den wirtschaftlichen Aufschwung in den Emerging Economies (Output Gap), hält sie aber nicht für ausreichend, um den starken Anstieg zu erklären.“3 (Datenanalyse von Wirtschaftswissenschaftlern)
(Statistik: Durschnittlicher Lebensmittelpreisanstieg in der BRD pro Jahr)
Nicht nur in Deutschland bzw. Europa, sondern besonders über Europa hinaus erkennt man die brachialen Folgen der aufwärts strebenden Preisspirale: Hungersnöte und Tod. Zwar sterben bereits jetzt jedes Jahr unfassbare 30-40 Millionen Menschen an Hunger4, doch die Zahlen dürften dramatisch ansteigen.
„Die steigenden Preise treffen auf eine pandemiebedingt global kriselnde Wirtschaft. Einkommen sinken, globale Lieferketten werden durch Lockdown-Maßnahmen bedroht,viele können ihre Arbeit nicht nachgehen. Gerade Menschen mit ohnehin niedrigem Einkommen sind von steigenden Preisen bedroht. Bereits vor einigen Monaten hatte das Welternährungsprogramm vor einer toxischen Kombination aus Konflikt, Klimawandel und Covid-19 gewarnt, die Millionen Menschen in den Hunger treiben könne. Dominique Burgeon, FAO-Direktor für Nothilfe und Resilienz,äußerte sich "zutiefst besorgt über die zusammenwirkenden Folgen mehrerer Krisen, die die Fähigkeit der Menschen, Nahrungsmittel zu produzieren sowie ihren Zugang zu Nahrungsmitteln untergraben".“5
Die Folge der Hungersnöte sind „soziale Unruhen“, wie die Tagesschau befürchtet. „Viele würden derzeit an Einkommen verlieren, es gäbe viele unglückliche Menschen und das sei das Rezept für soziale Unruhen.“.6 Als sei der Preisanstieg keine Kalkulation der Imperialisten sondern vielmehr ein zufälliges Naturereignis, das „unglücklicherweise“ wie immer die ärmsten der Armen heimsucht.
Man muss es als das bezeichnen, was es ist: Verhungern lassen ist Mord. Es ist das bewusste Unterlassen der primären Bedürfnisbefriedigung zum Zwecke der eigenen Bereicherung. Wer mit Lebensmittelrohstoffen spekuliert nimmt bewusst und wissentlich in Kauf Menschen zu töten, sie verhungern zu lassen. Es reiht sich nahtlos in die Machenschaften des Imperialismus ein, in dessen System noch mit jeder Widerwärtigkeit Geld gemacht wird. Sei es die Pharmaindustrie, die mangels Kaufkraft keine Medikamente für heilbare Krankheiten für die dritte Welt produziert oder sklavenähnliche Produktionsbedingungen in Asien, Lateinamerika und Afrika benutzt, um die satten Profite noch zu steigern. Für ihren Reichtum gehen die Imperialisten über Leichen. Und zur Sicherung ihrer Profite beginnen sie noch jeden dreckigen Krieg unter dem Mangel eine „humanitären Intervention“.
In Deutschland freilich ist man vom Hungertod noch entfernt. Dennoch spitzt sich auch hierzulande die Lebenssituation der Arbeiterklasse drastisch zu. Zusehends mehr Arbeiter können sich das Essen schlicht nicht mehr leisten und sind auf Spenden der Tafel angewiesen. Diese sprechen von dramatischen Situation und steigenden‚Kunden‘:
„Die Tafeln in Deutschland versorgen eine steigende Anzahl von Menschen mit Lebensmitteln, etwa zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr. (…) Sie steigt – die Zahl derjenigen, die sich Lebensmittel bei den Tafeln abholen. 1,65 Millionen Menschen sind es aktuell, zehn Prozent mehr als im letzten Jahr. Besonders schnell steigt die Zahl der bedürftigen Rentnerinnen und Rentner, beklagt der Bundesvorsitzende der Tafel Deutschland Jochen Brühl – und zwar um 20 Prozent..“7
Gleichwohl die Schlussfolge aus all dem eine bereits in vielen Artikeln wiederholte Binsenweisheit ist, muss sie dennoch so oft wiederholt werden, bis das große ganze Elend endgültig vertrieben ist: Weder bürgerliche Wahlen noch soziale Einrichtungen oder Parteien helfen uns aus der Misere heraus. Die Ursache ist das ausbeuterische System namens Imperialismus. Es beutet unsere Klassenbrüder und -schwestern in den unterdrückten Nationen aus, und wirft uns in den imperialistischen Zentren lediglich Brosamen vor die Füße, damit wir das Maul halten und nicht aufbegehren.
Nur die Organisation als eigenständige Klasse, die den Kampf gegen das ausbeuterische System führt, wird uns schlussendlich das uns zustehende Recht auf ein gutes und würdevolles Leben bieten.
In Erwägung, daß wir hungrig bleiben
Wenn wir dulden, daß ihr uns bestehlt
Wollen wir mal feststelln,
daß nur Fensterscheiben
Uns vom guten Brote trennen, das uns fehlt.
In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod.
(Bertolt Brecht, Lied der Kommunarden)
1https://www.arte.tv/de/videos/083308-000-A/boom-und-crash/
3https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2015/heft/6/beitrag/die-auswirkungen-der-spekulation-mit-nahrungsmitteln-und-rohstoffen.html#footnote-30445-22 sowie http://documents1.worldbank.org/curated/en/921521468326680723/pdf/WPS5371.pdf
4https://de.wikipedia.org/wiki/Welthunger#:~:text=An%20den%20Folgen%20von%20Hunger,Kinder%20unter%20f%C3%BCnf%20Jahren%20betroffen.
6Ebd.
7https://www.deutschlandfunk.de/starker-zulauf-bei-tafeln-mehr-als-lebensmittelspenden.769.de.html?dram:article_id=459100