Am 24.06 fand in Freiburg der „Cristopher Street Day (CSD)“ statt. Am Rande davon kam es zu einem Polizeieinsatz, in dessen Verlauf die Polizei mehrere Personen gewaltsam festnahm und die Materialien einer Journalistin beschlagnahmte. Jene Journalistin sieht sich nun mit zwei Anzeigen konfrontiert.

 

Der CSD lief in diesem Jahr wieder als ein Aufzug durch die Stadt. Als zum Abschluß von diesem eine längere Endkundgebung am Stühlinger Kirchplatz stattfand kam es im Verlauf von dieser zu einer Auseinandersetzung. Dabei kam es zur polizeilichen Repression gegen Teilnehmer des CSD sowie gegen eine Journalistin, welche den Polizeieinsatz dokumentierte. Auf der Website des progressiven Journalistenkollektiv „LZO Media“, welche sich schwerpunktmäßig mit der Begleitung und Dokumentation von Demonstrationen und Protesten beschäftigen, findet sich ein Bericht zu den Ereignissen.

 

Zu Beginn fing eine vorbeilaufende Person an die Teilnehmenden des CSD beleidigen, worauf hin Teile dieser darauf reagierten und sich der Person entgegenstellten. Die Polizei ging jedoch rasch und gewaltsam gegen jene Teilnehmer vor und führte eine polizeiliche Maßnahme gegen diese durch. Die Person, welche die Teilnehmenden beleidigte, wurde scheinbar von den Cops unbehelligt ohne Personalienkontrolle weiter laufen gelassen.

 

Einer Person in der Maßnahme wurde Körperverletzung vorgeworfen, einer anderen die Verweigerung der Personalien, sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Eine dritte Person, welche das Vorgehen der Polizei denunzierte und dagegen protestierte wurde ebenfalls festgenommen und mit dem Vorwurf der Gefangenenbefreiung konfrontiert.

 

Bei jenen Festnahmen ging die Polizei wohl relativ brutal vor. So schreibt LZO Media:“Zwei Personen waren verletzt und bluteten, während sie mit dem Kopf auf den Boden gedrückt wurden. Obwohl schnell ersichtlich war, dass ärztliche Hilfe benötigt wird, kam es erst deutlich später zur Versorgung der Verletzten.“

 

Der Polizeieinsatz und die gewaltsame Festnahme der drei Personen wurde durch die freie Journalistin Armilla Brandt beobachtet und dokumentiert. In Folge davon geriet diese dadurch allerdings selbst in die Maßnahme der Polizei. Zuerst wurde sie von dieser aufgefordert das Filmen zu unterlassen. Als sie daraufhin ihren Presseausweis vorzeigte, schickte die Polizei sie unter polizeilicher Bewachung einige Meter weiter weg, nur um sie kurze Zeit später auch in die polizeiliche Maßnahme zu nehmen. Sie brachten sie zu den anderen drei festgesetzten Personen und wollten ihre Kamera beschlagnahmen. Eine solche Beschlagnahmung von Gegenständen darf jedoch nicht einfach so von der Polizei durchgeführt werden, sondern benötigt eine Anordnung durch einen Richter oder Staatsanwalt. Eine Staatsanwältin wurde erst hinzugezogen, nachdem die Journalistin gegen die Beschlagnahmung ihrer Utensilien protestierte und die Cops darauf hinwies, dass sie ohne Anordnung keine rechtliche Grundlage für jene Beschlagnahmung haben. Es landete außerdem noch eine weitere Person in der Polizeimaßnahme, welche der eingekesselten Journalistin einen Ersatzakku für ihre Kamera reichte und sich daraufhin mit einer Durchsuchung und der Aufnahme ihrer Personalien konfrontiert sah.

 

Letztendlich wurde von der eingeschalteten Staatsanwältin der Beschluss gefasst, dass die Kamera und SD Karte der Journalistin zu beschlagnahmen sei. Daraufhin wurde die Journalistin mit auf die Polizeiwache genommen, wo ihr Videomaterial sofort von mehreren Polizisten gesichtet wurde. Diese kamen daraufhin zu der Idee, dass sie die Journalistin nun wegen „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ anzeigen können. Dem Zugrunde liegt die angebliche „Aufnahme des nicht öffentlichen gesprochenen Wortes“ beim Filmen der Polizisten. Das heißt im Klartext, dass Gespräche der Polizisten während der Maßnahme gegen die Journalistin im von ihr gemachten Video zu hören sein sollen.

 

Neben der Anzeige wegen der„Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ wurde die Journalistin auch wegen „Strafvereitelung“ angezeigt. Der Grund dafür ist lediglich, dass sie Widerspruch gegen die Beschlagnahmung ihrer Materialien einlegte und diesen protokollieren ließ. Laut LZO Media wurde ihr von einem Polizisten gesagt, dass nun jene Anzeige gegen sie gemacht wird, diese aber zurückgezogen werden würde, wenn sie ebenfalls ihren Widerspruch gegen die Beschlagnahmung zurückzieht. Grundsätzlich also ein absolut klarer und illegaler Versuch eine Journalistin mit der Androhung von Repression einzuschüchtern und davon abzuhalten, ein juristisch festgelegtes Grundrecht in Anspruch zu nehmen und Widerspruch gegen eine Polizeimaßnahme einzulegen.

 

Grundsätzlich ist die ganze Art und Weise, wie die Polizei hier gegen die freie Journalistin Armilla Brandt vorgeht, ein deutlicher und aggressiver Angriff auf die Pressefreiheit und auf fortschrittliche Journalisten. Dazu äußert sich Armilla folgendermaßen: „Ich bin einfach meiner Arbeit nachgegangen und habe den polizeilichen Einsatz dokumentiert. Wenn allein meine journalistische Tätigkeit schon eine strafbare Handlung darstellt, dann können wir die Pressefreiheit endgültig begraben“.

 

Auf jene Art und Weise geht die Polizei allerdings häufig gegen Personen vor, welche Polizeieinsätze filmen und Polizeigewalt dokumentieren. Ob das Filmen der Polizisten erlaubt ist, ist rechtlich eine gewisse Grauzone, denn es gab bereits verschiedene Urteile zu dieser Frage. Grundsätzlich ist das Filmen der Polizei bei Polizeieinsätzen, laut einem 2015 gefällten Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe erlaubt. Dabei ist die juristische Argumentation, dass jede Person das Recht hat Videoaufnahmen zur Beweissicherung gegen die Polizei anzufertigen. Die Veröffentlichung dieser ist jedoch eine andere, strittige Frage. Das ins Netz stellen von Videos, in welchen einzelne Bullen erkennbar sind ist grundsätzlich nicht erlaubt, es sei denn es handelt sich um eine sogenanntes zeitgeschichtliches Ereignis. Dies könnte beispielsweise gegeben sein, wenn inmitten einer Demonstration ein Polizist besonders hart und unverhältnismäßig gegen diese vorgeht. Doch was genau nun als zeitgeschichtliches Ereignis gilt und was nicht, ist nicht klar definiert und kann vor Gericht auf unterschiedliche Art und Weise ausgelegt werden. Der wichtige Punkt ist aber, dass die Dokumentation eines Polizeieinsatzes grundsätzlich erlaubt ist und die Polizei nicht automatisch davon ausgehen darf, dass das Material auch veröffentlicht wird.

 

Vor jenem Urteil 2015 wurde von der Polizei der Paragraph 22 und 33 des Kunsturhebergesetzes genutzt, um gegen filmende Personen vorzugehen und diese anzuklagen. Um nun trotz des Urteils weiterhin das Filmen von Polizeieinsätzen zu verhindern wird sich aktuell vermehrt auf den Paragraphen 201 des Strafgesetzbuches, der „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ berufen. Dabei sind nicht die Video- sondern die Tonaufnahmen der entscheidende Faktor. Die Argumentation dahinter ist, dass bei verständlichen Tonaufnahmen das „nichtöffentlich gesprochene Wort“ aufgezeichnet wird und die beteiligten Polizisten damit in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sein sollen. Dabei ist auch eine juristische Streitfrage, was denn nun als öffentlich und nichtöffentlich gesprochenes Wort gilt. Oftmals wird damit argumentiert wo, in welcher Lautstärke und auf welche Art die Polizei zu wem spricht. Es gab unterschiedliche Urteile in verschiedenen Fällen und die Frage, ob eine verständliche Tonaufnahme eines Polizisten in einem Video nun zum öffentlichen oder nichtöffentlichen Wort gehört ist juristisch unterschiedlich auslegbar und wird von Gericht zu Gericht unterschiedlich beurteilt.

 

Der § 201 StGB ist also das aktuelle juristische Mittel der Polizei um die Dokumentation ihrer Gewaltexzesse zu unterbinden. Dies trifft Personen die Polizeieinsätze mit ihren einfachen Handys filmen, aber auch Journalisten. Besonders freie unabhängige Journalisten wie Armilla, welche auch kritisch über Polizeigewalt berichten, sind eben jener Polizei ein Dorn im Auge und werden dadurch entsprechend von ihrer Berichterstattung abgehalten und angezeigt.

 

Auf jene Weise wird regelmäßig versucht, die Pressefreiheit einzuschränken. Indem eben gleich schon zu Beginn die Berichterstattung direkt am Ort des Geschehens verhindert wird. Die Polizei will damit verhindern, dass ihre Verbrechen ans Licht kommen. Man stelle sich einfach mal vor, der Mord an George Floyd wäre nicht gefilmt worden und alle Journalisten hätten sich einfach auf die anschließende Pressemitteilung der Polizei verlassen.

 

Vor allem in Freiburg, wo dieser Vorfall sich ereignete, wird in der letzten Zeit sehr intensiv gegen fortschrittliche und kritische Journalisten vorgegangen. Gerade die Razzien gegen Radio Dreyeckland und die nun doch zugelassene Anklage gegen einen ihrer Journalisten, aufgrund eines geschriebenen Artikels, welcher sich mit dem Verbotsverfahren von Indymedia auseinandersetzt, zeigen sehr deutlich den Willen des Staates die Pressefreiheit einzuschränken und kritischen Journalisten einen Maulkorb zu verpassen.