Eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag an das Ausbeutungsministerium unter Hubertus Heil hat ergeben, dass im Jahr 2023 nur 22,9 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel in Unternehmen arbeiten, die nach Tarif bezahlen.

Im Jahr 2014 habe der Anteil noch bei 38,2 Prozent gelegen. Während der allgemeine Anteil an tarifgebundener Arbeit im selben Zeitraum von 58 auf 50 Prozent gesunken ist, ist in Frage des Einzelhandels hier ein besonders hoher Fall zu verzeichnen. Die Frage, ob Tarif oder nicht, macht im Durchschnitt 500 Euro Differenz im Bruttolohn aus.

Im Jahr 2022 gab es offiziell 3,1 Millionen Beschäftigte im Einzelhandel. 2019 waren 64 Prozent von ihnen Frauen. Zudem hat in den letzten Jahren der Anteil der sozialversicherungspflichtig in Teilzeit Beschäftigten im Einzelhandel stark zugenommen. 2022 lag er bei über 37,5 Prozent. (dazu Grafik unten). Laut Statistischem Bundesamt habe der Anteil der Teilzeitbeschäftigten im Einzelhandel 2019 sogar 45 Prozent betragen, wovon ganze 84 Prozent Frauen gewesen seien. Im Vergleich dazu würden 29 % der Erwerbstätigen aller Branchen 2019 in Teilzeit gearbeitet haben, davon 78 Prozent Frauen.

Anzahl der Beschäftigten im Einzelhandel in Deutschland nach Beschäftigungsform in den Jahren 2004 bis 2022 Quelle Statista

Anzahl der Beschäftigten im Einzelhandel in Deutschland nach Beschäftigungsform in den Jahren 2004 bis 2022 (Quelle: Statista)

Was die Zahlen unterstreichen: Im Einzelhandel ist der Anteil an Frauen, die in Teilzeit arbeiten, noch höher als im Durchschnitt. Er wächst in einem Zuge mit der Abnahme des Anteils der Beschäftigten mit Tarifvertrag. Das heißt, was im Koalitionsvertrag unter anderem mit „flexible

Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen“ beschrieben ist, wird besonders auf die Frauen abgewälzt und stärkt das Patriarchat, so „wertegeleitet“ und „feministisch“ die Regierung sich auch geben mag, und tritt vermehrt dort auf, wo die rechtliche Stellung des Arbeiters gegenüber seinem Kapitalisten niedriger ist, was im Allgemeinen ohne Tarifvertrag der Fall ist. Das führt dazu, dass sich im Einzelhandel, obgleich hier in Relation nicht die härteste Arbeit zu leisten ist, ein wachsender Teil der tiefsten und breitesten Massen ansammelt, deren Alltag durch geringe Löhne und wechselnde Arbeitszeiten und z.T. Jobs geprägt ist und die, wenn die Krise zuschlägt, in der ersten Reihe stehen.

Ein weiterer Blick in den Koalitionsvertrag lohnt sich. Dort steht:

Wir wollen die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung stärken, damit faire Löhne in Deutschland bezahlt werden – dies befördert auch die nötige Lohnangleichung zwischen Ost und West. Zur Stärkung der Tarifbindung wird die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden, wobei die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruht. Betriebsausgliederung bei Identität des bisherigen Eigentümers zum Zwecke der Tarifflucht werden wir verhindern, indem wir die Fortgeltung des geltenden Tarifvertrags sicherstellen. Unangetastet bleibt § 613a BGB (Rechte und Pflichten beim Betriebsübergang). Im Dialog mit den Sozialpartnern werden wir weitere Schritte zur Stärkung der Tarifbindung erarbeiten und hierbei insbesondere Möglichkeiten für weitere Experimentierräume erörtern.“

Davon ist wenig zu sehen, es geht in die entgegengesetzte Richtung. Auch der Wirbel um das "Tariftreuegesetz", den nun nächsten Streitpunkt der Regierung, ändert nichts daran; hierbei geht es um Firmen, die im Auftrag des Staates arbeiten. Was den Koalitionsvertrag angeht, wird das, was den Interessen des deutschen Imperialismus, grundlegend umgesetzt, das, was an Versprechen an die Massen kommt, vergisst man im Stile des Paten von Hamburg.