Während die Verhandlungen zwischen der IG Metall und Deutschlands umsatzstärksten Unternehmen, Volkswagen, zum neuen Haustarifvertrag1 bei VW im Gange sind, sprechen sich die Autobauer und Lobbyisten weiter entschieden gegen die EU-Strafzölle gegen chinesische E-Autos aus.
Ende des Jahres wollen der Konzern und die gelbe Gewerkschaft sich zu einem neuen Ergebnis geeinigt haben. Was sich zum einen in den Aussagen diverser Gewerkschaftsbürokraten andeutet, ist die Reduzierung der Arbeitszeit für viele, was sich vermutlich in einer sehr variablen 4-Tage-Woche ausdrücken würde.
Andererseits kursieren unterschiedliche Mutmaßungen, welches Werk am ehesten von einer Schließung betroffen sein kann. Markant ist dabei vor allem die Behauptung, dass es eines der drei großen Zulieferwerke – Salzgitter, Kassel-Baunatal und Braunschweig – „auf der Streichliste“ stehe. Das Werk in Salzgitter ist der Motorenhersteller für VW, allerdings in erster Linie für Verbrenner, der Umstieg auf E-Motor-Produktion läuft für den Standort nicht optimal. Dafür baut VW in Salzgitter aktuell eine große Batteriefabrik. In Baunatal bei Kassel werden unter anderem elektrische Antriebe, Getriebe und besonders – als Europas größte Leichtmetall-Gießerei – Karosserieteile hergestellt. Besonders letzteres und die deutlich höhere Mitarbeiterzahl sprechen für den Erhalt von Baunatal. Eine Schließung wäre ein Erbeben für ganz Nordhessen. Braunschweig ist, wie auch Salzgitter, in der Nähe des Wolfsburger Stammsitzes und kommt als Produzent von Lenkungen, Batteriesystemen, Bremsscheiben und Achsen womöglich am ehesten in Frage, da die Produktion dieser Teile vergleichsweise einfach auf ein anderes Werk in der Region (Hannover ist hier auch nicht zu vergessen) abgewälzt werden könnte.
Quelle: tagesschau.de
Akuter ist die Situation noch in Osnabrück. Das Werk war letztes Jahr nur noch zu einem gute Viertel ausgelastet, ein Ausdruck der Überproduktionskrise. Eine Übergangsnutzung durch Porsche war angedacht, aber auch das ist jetzt vom Tisch. Ab 2026 gibt es Stand jetzt keine Aufträge mehr und nach Medieninformationen 2300 Angestellte im Werk müssen um ihre Jobs fürchten.
Auch das Werk in Zwickau hat keine besonders sichere Zukunft. Hier wird auf E-Auto-Produktion umgestellt, wenn der Absatz von VWs E-Autos aber weiter niedrig bleibt, dann dürfte Zwickau das erste Montagewerk auf der Streichliste sein; Emden, das vergleichbar groß ist und auch auf Elektro umgerüstet, besitzt besonders den logistischen Vorteil als Seehafen. Entlassungen gab es dort trotzdem schon: 1000 Leiharbeiter bekamen in Emden und Hannover keine Anschlussverträge mehr; Nachtschichten wurden ebenfalls gestrichen. Solche Dinge passieren, während Schwerkriminelle wie Martin Winterkorn, ehemaliger VW-Chef, weiter jährlich Millionenpensionen bekommen und im gleichen Stil wie der Völkermörder Fujimori aus Peru aus „gesundheitlichen Gründen“ nicht vor Gericht für ihre (auch nach bürgerlichem Recht) Verbrechen verurteilt werden können.
Entlassungen in Zusammenhang mit der Autoindustrie gibt es beispielsweise in Gladbeck. Über 100 Mitarbeiter des Werks des Glasproduzenten Pilkington Deutschland AG, Teil der japanischen NSG Group sollen gekündigt werden. An der Linie 2 soll es eine Produktionsstopp geben – dort wird vor allem Flachglas für die Weiterverarbeitung zu Fahrzeugglas hergestellt.
Auch André Thierig, Chef des Tesla-Werks in Grünheide, der kürzlich für die Rechtfertigung von unangekündigten Hausbesuchen bei (langzeit)kranken Mitarbeitern Schlagzeilen machte, warnte anlässlich des 400.000. produzierten Autos im Werk, dass es dem Produzenten in Deutschland bald wie VW gehen könnte. Tatsächlich sollten in Grünheide ursprünglich nach einem geplanten Ausbau der Fabrik eine Millionen Autos pro Jahr vom Band laufen; diese Pläne sind aufgrund von Überproduktion vom Tisch, das jetzige Jubiläum feiert man nach zweieinhalb Jahren Produktion.
Die deutschen Autokonzerne haben unterdessen, besonders angesichts der Bedeutung Chinas als Absatzmarkt, mit Besorgnis auf den Beschluss der EU zu den Strafzöllen gegen chinesische E-Autos regiert: BMW-Chef Zipse sprach von einem „fatalen Signal“. Der BDI bezieht durchaus anders Stellung: „Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) unterstützt generell die Anwendung von handelspolitischen Schutzinstrumenten, um die europäische Marktwirtschaft vor staatlichen Marktverzerrungen zu bewahren, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Gleichzeitig muss aber auch das Interesse der europäischen Industrie an stabilen Wirtschaftsbeziehungen mit China ausgewogen berücksichtigt werden.“, so das ZDF. Tanja Gönner, BDI-Hauptgeschäftsführerin, erklärte: „Der Beschluss zu den Ausgleichszöllen im Markt für Elektroautos darf auf keinen Fall das Ende der Gespräche bedeuten.“. Offensichtlich sind hier Differenzen zwischen den Aussagen des BDI und der Automobilindustrie, zwischen nationalen und einzelnen Interessen. Der Vorschlag von von der Leyen zu den Strafzöllen war natürlich kein EU-Alleingang, sondern wurde im vergangenen Jahr unter anderem von den Abgeordneten des EU-Hegemon unterstützt. Jetzt in der EU-Abstimmung ist Deutschland seinen Autobauern gefolgt – zu spät. Offensichtlich ist sich die deutsche Regierung schlicht nicht sicher, wie sie mit einigen Dingen umgehen soll. Auch hier kollidiert die Regierung mit ihrer Handhabung der Krise und Plänen für die ökonomische Entwicklung des deutschen Imperialismus mit den Interessen der Monopole. Das ist gut, denn es schwächt den deutschen Imperialismus. Wenn ein VW-Werk in den nächsten zwei bis drei Jahren schließt, was sich zunehmend abzeichnet, kann das mit allem, was dort noch dran hängt, je nachdem, wer die Führung darüber innehat, einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Arbeiterbewegung machen.