Auf Netflix läuft seit letzten Freitag die zweite Staffel von Kingdom. In der ins feudale Korea verlegten modernen, bürgerlichen Erzählung geht es um eine Zombie-Epidemie, und sie kippt ein wenig aus dem Rahmen des eher linksliberalen Streaminganbieters.

Der König ist gestorben. Doch korrupte Eliten, die sich vor allem um den eigenen Machterhalt sorgen, erwecken ihn mit Hilfe der Auferstehungspflanze wieder zum Leben, oder viel mehr zum Zombie. Denn wenn die schwangere Königin, die die Tochter eines der korrupten Beamten ist, einen Sohn gebärt, der als Marionette benutzt werden kann, bevor der König offiziell tot ist, dann wird dieser Sohn Thronfolger. Doch sonst würde der erwachsene uneheliche Sohn des verstorbenen Königs den Thron einnehmen – und unabhängig von den korrupten Beamten zum „Wohle des Volkes“ regieren.


Der Assistent des Arztes, der den König zum Zombie machte, wurde vom König angefressen und getötet. Und ist aus nicht näher bekannten Gründen selbst nicht zum Zombie geworden. Seine Leiche wird zurück in die Klinik des Arztes gebracht, und dort heimlich von einem Patienten zum Eintopf verarbeitet, weil die Patienten sonst verhungert wären. Denn die korrupten Eliten sind rücksichtslos gegen das Volk. Daraufhin werden die Patienten zu Zombies. Dies interpretiert Renaldo Matadeen von Comic Book Resources folgendermaßen:

„Another highlight is that, as a period piece, Kingdom makes even bolder sociopolitical statements than The Walking Dead does. Sure, the AMC series waxes on about class and elitism, but Kingdom wades deep into governance and the divide between the rulers and the suffering populace. That actually serves as the catalyst for the spread of the infection, with starving poor restoring to cannibalism and eating one of the king's victims.“

Ungefähr: "Ein weiterer Höhepunkt ist, dass Kingdom als historisches Stück sogar gewagtere sozio-politische Aussagen macht als The Walking Dead. Sicher, die AMC Serie lässt sich hochtrabend über Klassen und Elitismus aus, aber Kingdom handelt tiefgründig von der Kunst Staat zu machen und der Spaltung zwischen Herrschern und leidenden Massen. Diese ist sogar der Katalysator für die Verbreitung der Infektion, denn hungernde Arme essen eines der Opfer des Königs."

Während TWD teilweise marxistisch angehauchte Gesellschaftskritik macht, aber aufgrund dessen das es weite Teile seiner Spannung aus dem ausufernden kleinbürgerlichen Individualismus seiner Protagonisten bezieht bürgerliche Kultur bleibt, ist Kingdom ähnlich faschistisch wie Batman. Denn was Renaldo Matadeen lobend hervor hebt, ist der Kern faschistischer Kulturkritik. Die korrupten Eliten führen den Staat in einer Weise, die herrschende Klasse und Volk entzweit. Das führt zur Zombie-Rebellion. Die Zombies sind rebellierende Massen, die nicht etwa aus einem kollektiven Klassenstandpunkt heraus handeln, sondern wild gewordene Individualisten sind, die ihren Hunger stillen, ihr Interesse nach Fleisch verfolgen, ohne Rücksicht auf die heilige Ordnung und gegen alle anderen. Das ähnelt der faschistischen Verurteilung der Rebellion in Batman: The Dark Knight Rises, wo Bane die wild gewordenen Massen gegen die Banken führt und ein chaotisches Terrorregime errichten lässt oder dem Joker Film mit Joaquin Phoenix, wobei dieser aufgrund seiner sozialdemokratischen Kritik an den Eliten als „links“ missverstanden wurde.

Auch der Held ähnelt Batman. Lee Chang ist der uneheliche Sohn des Königs und rechtmäßiger Erbe des Thrones. Er zieht los, um das Leid der Massen unter dem Joch der korrupten Eliten zu lindern, und die Harmonie zwischen herrschender Klasse und Volk wiederherzustellen. Immer wieder bringt er sein eigenes Leben in Gefahr, um seine Gefolgsleute zu retten, weil er als guter "Nationalist", kein Individualist ist, sondern einer höheren Sache dient, nämlich der abstrakten Nation. Radek hätte seine Freude an ihm gehabt. Sehr männlich-ehrlich, sehr kämpferisch.

In der zweiten Staffel entfesselt die Königswitwe dann die Zombie-Rebellion sogar in der Hauptstadt, denn lieber will sie, dass das Reich untergeht, als das jemand anderes als sie es führt. Entweder sie habe den Thron oder keiner. Doch keine Sorge, die Zombie-Rebellion wird vom faschistischen Helden nieder geschlagen. Dieser steht vor der Wahl König zu werden, und das Baby, das angeblich sein Bruder sei, zu töten, oder seinen eigenen Tod vorzutäuschen. Denn zwei Thronfolger würden das Land spalten. Und er ist so ein hervorragender Herrscher und "Nationalist", dass ihm die Einheit von Staat und Volk selbstverständlich heiliger ist als seine Macht. Ganz im Gegenteil zur mittlerweile zum Zombie gewordenen und nochmal gestorbenen Königswitwe. Das ist faschistische Propaganda durch und durch.