Der deutsche Wohlstand beruht auf Ausbeutung unterdrückter Nationen, die vor Ort in Abhängigkeit und unter Herrschaft eines bürokratischen Kapitalismus stehen und gehalten werden. Das war ehemals z.B. in der deutschen Kolonie Tansania so1, und wird heute lediglich formal anders in Osteuropa gehandhabt. Dabei lässt sich die sperrige Formulierung des bürokratischen Kapitalismus anhand eines aktuellen Beispiels verständlich machen. Deutschland lebt davon, billige Arbeitskräfte zu Dumpinglöhnen aus Osteuropa einzukarren und hier arbeiten zu lassen.2 In den 70ern des vorigen Jahrtausends waren es hierzulande die euphemistisch betitelten türkischen „Gastarbeiter“, heute hingegen oftmals polnische, zusehends jedoch mehr tschechische und ukrainische Arbeiterinnen, die miserabel bezahlte Knochenarbeit im Gesundheitssektor leisten.

Am Beispiel der Pflege- und Betreuungskräfte werden junge Frauen aus osteuropäischen Ländern abgeworben und nach Deutschland verfrachtet, mit dem Versprechen hier gute Löhne zu erzielen. Diese Versprechen werden in der Regel nie eingelöst und häufig erweisen sie sich gar gänzlich als Lügen, sodass eine Vielzahl von Osteuropäerinnen im Anschluß der vollmundigen Versprechens des Guten Lebens und der Guten Löhne im „größten Puff Europas“ (Deutschland) anschaffen gehen müssen.3

Wenn der deutsche Staat jedoch billige Pflegekräfte ernsthaft benötigt (zur Zeit rund 300.000)4, wie das gegenwärtig der Fall ist, werden diese kurzum durch ausländische (oftmals polnische) Personalverwaltungsfirmen eingeschleust. Sie erhalten zwar keine legale Arbeitserlaubnis oder rechtliche Absicherungen (Arbeitnehmerrechte) gegenüber ihren Ausbeutern, ackern aber dürfen sie trotzdem für einen Hungerlohn bei elenden Bonzen. Man hält sie wie Sklaven und behandelt sie gleich. Das ist inzwischen selbst dem staatlichen Nachrichtensender TAGESSCHAU aufgefallen, wie dieser in einer Online-Kolumne berichtet.

 

„Sie sei so froh, wieder zu Hause zu sein, sagt Svetlana. Die 39-Jährige ist zu diesem Zeitpunkt seit einer guten Woche zurück in der Ukraine. Knapp zwei Monate hat die Ukrainerin vorher in einem kleinen Ort in Sachsen gearbeitet. Als sogenannte "24-Stunden-Pflegekraft" kümmerte sie sich um eine 80-Jährige Frau, lebte mit ihr und ihrer Tochter in der gemeinsamen Wohnung. "Es war schrecklich", berichtet Svetlana. Rund um die Uhr sollte sie arbeiten, die Familie habe sie angeschrien und ihr gedroht. Am Ende reiste sie auf eigene Faust ab. Eine Anlaufstelle habe es für sie nicht gegeben, nirgends Hilfe. Denn sie sei illegal in Deutschland gewesen, sagt Svetlana.“5

Da sich jedoch polnische Arbeitskräfte, gleich den türkischen, über Jahrzehnte hinweg höhere Löhne erkämpften, sucht das deutsche Kleinbürgertum und die Bourgeoisie inzwischen neue ausländische Arbeitskräfte, die wiederum zu Spottpreisen anzuheuern sind. Teile der polnischen Arbeiteraristokratie und des Kleinbürgertums wittern das Geschäft und gründen deshalb Schlepperunternehmen mit denen sie die noch ärmeren Europäerinnen (Tschechinnen, Ukrainerinnen) für die imperialistischen Zentren heranschaffen; quasi als willfährige Handlanger der reichen Nationen um ein paar Krümel selbst einzuheimsen. Infolge verlagert sich die sklavenähnliche Ausbeutung weiter gen Osten Richtung Ukraine und Tschechien.

 

Betreuungskräfte würden schon seit einigen Jahren aus immer weiter östlich liegenden Ländern gewonnen werden. "Das hat unter anderem den Grund, dass die Nachfrage steigt. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern", so Eisenreich. "Und polnische und rumänische Arbeitskräfte kommen immer mehr dahin, dass sie verstehen, dass sie auch Geld fordern können, dass ihre Arbeit was wert ist." Verbandsgeschäftsführer Eisenreich sieht massives Lohndumping im Betreuungsbereich. Nach eigener Aussage verdienen manche polnische Mitarbeiterinnen der Firma Pronobel mittlerweile fast 1500 Euro im Monat, die Ukrainerinnen hingegen nur etwa 800 Euro. Thomas Eisenreich nennt das "Discounter-Prinzip": "Wenn die polnische Kraft mehr Geld fordert, dann werden Ausweichmöglichkeiten gesucht. Und dann geht es zum Beispiel in die Ukraine."6

 

Der Wohlstand imperialistischer Nationen beruht auf der Ausbeutung unterdrückter Nationen. Diese unabweisbare Binsenweisheit stellten wir Eingangs voran und lässt sich am Beispiel der osteuropäischen Pflegerinnen gut dokumentieren. Ideologisch wird vom bürgerlichen deutsch Staat nach außen hin das Bild der dummen und faulen Osteuropäer popularisiert. Imperialistischer Chauvinismus ist das propagierte Mittel zum Zweck die Deutschen auf eine Herrenmentalität einzustimmen, die sich nach Lust und Laune am ‚unwerten‘ osteuropäischen Menschen bedienen können. Sei es, um die Scheiße ihrer zu pflegenden Eltern wegzuwischen, oder um eine exotische Osteuropäerin zu ficken; zu erniedrigendster Arbeit sind sie gerade gut genug. Denn solange für die Arbeiteraristokratie und das Kleinbürgertum hierzulande genug Reichtum abfällt, herrscht im Herzen der imperialistischen Bestie mehr sozialer Frieden, als wenn sie noch selbst die Drecksarbeit erledigen müssten.

Bereits vor über hundert Jahren identifizierte und analysierte Lenin den Parasitismus des Imperialismus auf kosten der unterdrückten Nationen. Zur Klärung des Sachverhaltes wollen wir deshalb mit seinen Worten enden:

 

Das besondere Kennzeichen des Imperialismus ist eben diese Ausbeutung der schlechterbezahlten Arbeiter aus den rückständigen Ländern. Der Parasitismus der reichen imperialistischen Länder baut sich in gewissem Grade eben darauf auf, daß sie sich einen Teil ihrer eigenen Arbeiterschaft durch höhere Löhne kaufen, während sie die „billigeren“ Arbeitskräfte aus anderen Ländern auf das schamloseste ausbeuten. Nach „schlechterbezahlten“ müssen die Worte „und oft rechtlosen“ hinzugefügt werden, denn die Ausbeuter aus den „zivilisierten“ Ländern machen sich auch die Tatsache, daß die aus anderen Ländern importierten Arbeiter rechtlos dastehen, zunutze.“7

 

1Am 1. Januar 1891 nahm Kaiser Wilhelm II. Deutsch-Ostafrika per Dekret in Besitz, mit 995.000 Quadratkilometern die größte aller deutschen Kolonien, fast dreimal so groß wie die Bundesrepublik heute. Aus Tanga sollte die modernste Stadt Ostafrikas werden, Anfang der 1890er Jahre rissen die Deutschen die Eingeborenen-Häuser einfach ab. Wie auf dem Reißbrett zogen sie Straßen parallel zwischen Meer und Eisenbahn, die sie in die Pangani-Ebene Richtung Usambara-Berge hinaustrieben, die erste Eisenbahn in Zentralafrika.“ https://www.heise.de/tp/features/Tansania-Deutschland-und-Kolonialschuld-5047797.html

5Ebd.

6Ebd.

7Lenin, Zur Revision des Parteiprogramms