Seit mehreren Wochen streiteten die Ampelparteien und die Union über das geplante Bürgergeld. Nun wurde entschieden, dass es das Arbeitslosengeld II, auch bekannt als Harz IV, ab dem 1. Januar 2023 ablösen soll.
Das Bürgergeld soll sicherstellen, dass der Lebensbedarf von Arbeitssuchenden gewährleistet wird. Anspruch hat jeder, der auch Anspruch auf Sozialgeld und Arbeitslosengeld II hatte. Es sind knapp fünf Millionen Leistungsbezieher von der Reform betroffen.
Der Vorgänger Harz IV wurde vor 18 Jahren vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) iniziiert. Nach dem Grundsatz „Fördern und Fordern“, wurde Arbeitssuchenden „geholfen“ über Wasser zu bleiben.
Im Vergleich zu Harz IV soll es beim Regelsatz statt 449 Euro ganze 502 Euro geben, also 53 Euro mehr, eine Steigerung von elf Prozent und passend zur gesamten Inflationsrate. Zur Erinnerung, die Kosten für Lebensmittel sind in den letzten Monaten um knapp 30% gestiegen.
Das erste Jahr, in dem man Bürgergeld bezieht, wird Karenzzeit genannt. In diesem Zeitraum übernimmt der Staat die Kaltmiete für die Mietwohnung oder die Raten für das Eigenheim künftig in unbegrenzter Höhe. Heiz- und Stromkosten sind nicht inbegriffen. Das soll laut der Ampel-Koalition dafür sorgen, dass die Menschen, die in das Bürgergeld rutschen, sich anfangs nicht auf die Wohnungs-, sondern auf die Jobsuche konzentrieren, weil sie sich nicht um einen Umzug in eine kleinere, günstigere Wohnung kümmern müssen. Nach dem Jahr muss die Unterkunft jedoch angemessen, also den gestellten Anforderungen der Arbeitsagentur entsprechend sein. Vor allem Leute die in dicht besiedelten Regionen und Städten leben wissen, dass man sich nicht eben mal schnell eine neue Wohnung suchen kann. Nicht die einzige Änderung die zeigt wie fern ab die bürgerlichen Politiker von der Realität der Arbeiter sind. Ebenso die Entscheidung, dass die Stromkosten, die im Vergleich zu letztem Jahr um 15,6% gestiegen sind und die Heizkosten, die im Vergleich zu letztem Jahr mindestens doppelt so hoch sind, lässt vermuten, wie ernst es die bürgerliche Regierung nimmt, den Leuten zu helfen.
Bild: Leistungsempfänger nach Bundesland, 01/2022
Eine weitere Neuerung: Die Bürgergeldempfänger dürfen ihr Vermögen behalten, das sogenannte Schonvermögen. Ganze 40.000 Euro in der Karenzzeit, unabhängig vom Alter. Für jede weitere Person im Haushalt sind 15.000 Euro mehr erlaubt. Außerhalb der Karenzzeit sind es 15.000 Euro für die Person die Bürgergeld bezieht. Wie schon angedeutet, das Schonvermögen bei Harz IV hing vom Alter ab: 150 Euro pro Lebensjahr waren gestattet. Zusätzlich durfte man ein Auto im Wert von 7.500 Euro besitzen. Bei diesem Punkt gab es lange Unstimmigkeiten zwischen den Ampelparteien und der Union. Ein reines Schauspiel, welches selbst die Beamten im Job-Center nicht nachvollziehen können. So sagte der Job-Center Leiter aus Wuppertal "Diese sehr hohen Freibeträge spielen in unserem Alltag keine große Rolle. Wir haben hier in den seltensten Fällen Menschen sitzen, die so viel Geld haben.".
Auch bei den Sanktionen gab es "Neuerungen": Es ist vorgesehen, dass die Sanktionen vom ersten Tag an möglich sein sollen. Wenn Leistungsbezieher also eine „zumutbare Stelle“ ablehnen, oder verspätet zu einem Termin mit dem Arbeitsamt kommen, können beim ersten Mal direkt 10% des vom bürgerlichen Staates festgelegten Existenzminimums gestrichen werden. Werden die „Pflichten“ innerhalb eines Jahres noch einmal verletzt droht eine Kürzung von 20%, bei weiteren Verstößen 30%. Wie die Harz IV Sanktionen vorher ausgesehen haben kann hier nachgelesen werden. Viel geändert hat sich da im Endeffekt nicht.
Zusätzlich sollen Weiterbildungen gefördert werden, indem bei einer ausbildungsbezogenen Weiterbildung 150 Euro mehr gezahlt werden, und bei einer Weiterbildung die dabei unterstützen langfristig eine Arbeit zu finden werden monatlich 75 Euro mehr gezahlt.
Die bürgerlichen Parteien sind hier die einzigen, die mit einem Gewinn nachhause gehen. Die SPD feiert sich „endlich“ das Harz IV überwunden und ihr Image wieder aufpoliert zu haben. Diesen „Sinneswandel“ versuchen sie auch noch für Sympathiepunkte zu nutzen.
Auch die Union feiert die Einigung als „Sternstunde der Demokratie“, wie der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff (CDU) es ausdrückt. Er lobte das deutsche System, welches auf Ausgleich und Kompromissbereitschaft setze. Die Union hat bei den Verhandlungen Druck ausgeübt, indem die Entscheidung, die vorher im Bundestag gefällt wurde, durch den Bundesrat blockiert wurde, bis sich eben „geeinigt“ werden konnte. Das bedeutet kurz gesagt, dass alle angestrebten Änderungen, die einen Unterschied zu Harz IV gemacht hätten (die jedoch auch keine reale Besserung gebracht hätten) gestrichen wurden. Beispielsweise sollte im ursprünglichen Entwurf eine sogenannte „Vertrauenszeit“, eingeführt werden. Im ersten halben Jahr sollten die Leistungsempfänger nur „eingeschränkt“ von Leistungskürzungen durch Sanktionen betroffen sein. Das der Ampelkoalition diese und andere „Verbesserungen“ nicht so sehr am Herzen gelegen haben wie immer beteuert wird, erkennt man an dem vorliegenden Ergebnis.
Das Bürgergeld ist nicht das was die Herrschenden daraus machen wollen. Es ist keine Verbesserung zu dem vorherigen Harz IV. Das Job-Center kann wie vorher mit seiner Schikane durch Sanktionen weiter machen und somit Einzelpersonen oder Familien mit Kindern, die sowieso schon nicht genügen Geld für Essen und Kleidung haben, in der Armut halten. Es ist ein erneuter Versuch ihrem faulen und zerfallenden System einen neuen Anstrich zu geben.