Am 09. August tauchte kurz vor 9 Uhr eine Gruppe von rund 20 Securitys und Bauarbeitern vor dem Haus in der Habersaathstraße 42-48 in Berlin-Mitte auf. Neben Vorschlaghämmern und Brecheisen hatten sie ein Schreiben des Eigentümers Arcadia Estates GmbH im Gepäck, in dem die rund 50 Hausbewohner dazu aufgefordert wurden „das Objekt umgehend zu verlassen“.
Es ist eine übliche Vorgehensweise von Hauseigentümern: Das Zweckentfremdungsverbot verhindert, dass Eigentümer bewohnbare Wohnhäuser abreißen können um dann an deren Stelle zum Beispiel Luxusbauten zu errichten. Um dieses Verbot zu umgehen, werden die Wohnungen nicht vermietet, bis sie durch den Leerstand so verkommen sind, dass ein Abriss unter dem Vorwand einer Sanierung durchgeführt werden kann. So auch in dem Wohnhaus in der Habersaathstraße. Jahrelang standen die vollmöbilierten Wohnungen leer, bis im Dezember 2021 die Initiative Leerstand-hab-ich-Saath mit einer Gruppe wohnungsloser Menschen das Haus besetzte. Neben neun alten Mietparteien, lebten über 60 frühere obdachlose Menschen und Geflüchtete aus der Ukraine im Gebäude. In dem vom Eigentümer Arcadia Estate verfassten Schreiben, welches die Bewohner am Mittwoch Morgen ausgehändigt bekommen haben, wurden diese dazu aufgefordert das Haus umgehend zu verlassen und es wurde gedroht, dass Wasser und Strom abgestellt werden.
Rund eine Stunde, nachdem das Schreiben ausgeteilt wurde, sind Bauarbeiter geschützt von einer privaten Wachschutzfirma in die Wohnungen eingedrungen um den „Verfallsprozess“ der Wohnungen zu beschleunigen, indem sie unteranderem Sanitäranlagen mit Vorschlaghämmern zerschlugen, Fenster ausbauten oder Möbel in den Wohnungen zerstörten. Ein Bewohner berichtet: „Dann kamen sie an mit diesem Schlägertrupp, mit so 'ne angebliche Security, lauter Gorillas, ich sage Schlägertrupp. Die haben uns bedroht, die haben mit Hämmern die Wohnungen alle aufgebrochen, alles kaputtgemacht, die haben das Bad zertrümmert, die Waschbecken kaputtgeschlagen.“ Außerdem wurden in den Wohnungen auch die Stromzähler abmontiert und Haustürschlösser ausgetauscht. Die Wasser- und Stromversorgung wurde für den gesamten Wohnblock unterbrochen. Inzwischen sei die Stromversorgung für die Langzeitmieter wieder hergestellt, fließendes Wasser gibt es im gesamten Wohnkomplex noch immer nicht.
Der Zustand einer Wohnung, nachdem der private Räumungstrupp gewütet hat
Bei dem ganzen Trubel haben es sich Lokalpolitiker von der CDU, den Grünen und der Linken natürlich nicht nehmen lassen die großen Helden zu spielen, die angeblich für die Leute einstehen. Waren sie es doch, die mit dem Eigentümer im Vorhinein krumme Geschäfte gemacht haben: Im Juni 2022 hatte der Bezirk mit dem Eigentümer ausgehandelt, dass dieser eine Abrissgenehmigung bekommt, wenn 30 Prozent der neuen Wohnungen für weniger als 8,50 Euro pro Quadratmeter kalt vermietet werden. Dieser Abriss hätte jedoch nur durchgeführt werden können, wenn die Langzeitbewohner mit Mietvertrag dem zugestimmt, also die Wohnung freiwillig verlassen hätten. Die Abrissgenehmigung lief nun im Juli 2023 aus. Wer bei diesem Deal zwischen Bezirk und Eigentümer gewinnt ist klar, denn im Tausch für einige Wohnungen darf der Hauseigentümer mit dem Rest machen was er will. Somit wären 120 bezahlbare Wohnungen verloren gegangen.
Auch wenn diese versuchte Zwangsräumung nicht erfolgreich war ist sicher, dass der Eigentümer nichts unversucht lassen wird, um seinen Willen durchzudrücken. Es fanden bereits Gespräche mit den verbliebenen Mietparteien statt, bei denen versucht wurde diese mit „gleichartigen Wohnungen“ im Neubau zu locken.