Am 22. August gab das Kabinett in Sachsen einen Gesetzentwurf zur Anhörung frei, der das „Gesetz über den Schutz der Versammlungsfreiheit in Freistaat Sachsen“ reformieren soll, bevor er zur Abstimmung in den Landtag kommt. Das bestehende Sächsische Versammlungsgesetz (SächsVersG) soll im Sinne des Koalitionsvertrages geändert werden, unter dem Vorwand die „Versammlungsfreiheit erheblich [zu]stärken“. Das Gesetzt könnte dann zwischen Ende 2023 und Anfang 2024 beschlossen werden.
Laut dem sächsischen Innenminister Armin Schuster finden in kaum einem Bundesland mehr Aufzüge und Kundgebungen statt, als in Sachsen: „Um das Recht auf Versammlungsfreiheit bestmöglich zu gewährleisten, haben wir es uns deshalb zur Aufgabe gemacht, einen gänzlich neuen vollständig aktualisierten Gesetzentwurf für ein sächsisches Versammlungsgesetz vorzulegen [...]“. Dabei werden oft die „Erkenntnisse aus der Praxis“ betont, und wie diese in den „praxisorientierten“ Gesetzesentwurf eingeflossen sind. Dabei sind folgende Punkte interessant, die in dieser Pressemitteilung genannt wurden.
„Schutz der Medienvertreter“
Zum einen soll die Behinderung der Tätigkeit von Pressevertretern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Diese Entscheidung dürfte die bürgerlichen Medien besonders freuen, da nun vermeintlich sicher von Nazi- und Verschwörungstheroretiker-Aufmärschen bereichtet werden kann. Es bleibt jedoch zu mutmaßen, wie es sich verhalten wird, sollte die journalistische Tätigkeit von der Polizei selbst eingeschränkt werden, beispielsweise durch Sperrungen von Zugängen, Wegdrängen oder exzessiven Kontrollen der Dokumente und Arbeitsmittel.
„Versammlungen auf öffentlichen Flächen in privatem Eigentum“
Im aktuellen Gesetz ist ein Versammlungsverbot für Demonstrationen an bestimmten Orten und Tagen enthalten. Hier sind als Beispiele die Frauenkirche in Dresden und das Leipziger Völkerschlachtdenkmal zu nennen, an denen durch das jetzige Gesetz rechtsextremistischen Demonstrationen verhindert werden. Diese Regelung ist im neuen Gesetzesentwurf nicht enthalten. Das Innenministerium argumentiert damit, dass diese Verbote nicht mehr notwendig seien. An dessen stelle soll eine Neuregelung treten, die „Versammlungen, die die Würde der Opfer von Diktaturen zu verletzten drohen“ reguliert.
„Garantie des Versammlungsrechts auch ohne Leiter“
Auch die Regeln, die besonders für Spontandemonstrationen gelten, sollen geändert werden. Sollte es keinen formalen Veranstaltungsleiter geben, können die Teilnehmer einen Leiter vor Ort bestimmen. Sollte keiner bestimmt werden (können), so übernimmt großzügigerweise die Polizei oder die Versammlungsbehörde dessen Aufgaben. Dabei soll die Polizei die Demonstration nicht generell lenken, sondern lediglich bei Gefahrensituationen eingreifen können. Als „Beispiel aus der Praxis“ wird hier die Demonstration beim Tag X in Leipzig herangezogen. Denn laut Schuster konnte der Versammlungsanmelder mit seinem Megafon kaum gegen die Tausenden Demonstranten ankommen, woraufhin ihm die Polizei anbot das Lautsprecherfahrzeug der Polizei zu verwenden. Dies lehnte der Versammlungsanmelder ab. „Hätten wir keinen Versammlungsleiter gehabt, wären die Lautsprecherdurchsagen durch die Behörde gemacht worden.“, sagte Schuster dazu. Wie genau dieses Beispiel jetzt ein Beleg für die Sinnhaftigkeit der Neuregelung sein soll lässt er offen.
„Kriterien für Ordner“
In dem Gesetzt soll es auch eine Regelung geben, die die Kriterien, die ein Ordner erfüllen muss bestimmt. So sollen, aus Sicht der Polizei, ungeeignete Personen, beispielsweise Personen die als extremistisch eingestuft werden oder gegen die Strafbestände vorliegen, als Ordner abgelehnt werden können. Um das überprüfen zu können, müssen die Ordner namentlich benannt werden.
Eine weitere Änderung soll sein, dass im Vorhinein sogenannte „Kooperationsgespräche“ mit der Polizei verstärkt angeboten werden sollen. Umso mehr Informationen man der Polizei im Vorhinein gibt, umso „präziser kann die Behörde mögliche Gefahren einschätzen“. Eine weitere Möglichkeit für die Polizei, sich bei überzogenen Maßnahmen rauszureden. Diese Änderung wird in der bürgerlichen Berichterstattung besonders hervorgehoben, da sich diese am besten als Verbesserung für Demonstrationen (die nicht rechts sind) verkaufen lässt.
Der Vorschlag für das neue Versammlungsgesetz in Sachsen baut auf zurechtgebogenen „Praxisbeispielen“ eine rechtliche Grundlage für die Verschärfung von Einschränkungen bei Versammlungen auf. Der Polizei werden noch mehr offizielle Möglichkeiten eingeräumt während und auch vor Demonstrationen gegen die Protestierenden vorzugehen. Auch wenn in den bürgerlichen Medien gerne vorgeschoben wird, dass sich diese Neuregelungen besonders auf „rechte“ Proteste auswirken werden, um diese in einem besseren Licht dastehen zu lassen, ist klar, dass sich diese ebenso auf „linke“ Proteste auswirken werden. Es ist ein Ausdruck davon, wie sich die Herrschenden darauf vorbereiten, die Niederschlagung von Aufständen im inneren des Landes legitimieren zu können.
Quelle Titelbild: https://www.radioleipzig.de/beitrag/erneut-demonstrationen-in-leipzig-polizei-im-grosseinsatz-664856/