Antonio Guterres, seines Zeichens Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN) gibt in der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT1 ein sehr aufschlussreiches Interview. In diesem gibt Guterres offen zu, dass die reaktionären Regierungen in der sozialen Versorgung ihrer Bevölkerung versagten und folglich soziale Kämpfe immer weiter expandieren. Mithin spielt sich Guterres als guter Sozialdemokrat auf, um die schlimmsten Kämpfe dämpfen zu wollen.

ZEIT ONLINE: Dennoch nutzen auch Terrorgruppen und gewalttätige Extremisten die Instabilität aus, die durch die Pandemie entsteht.

Guterres: Das ist eine andere Geschichte und es ist eine dramatische Geschichte. Wenn Sie in die Sahelzone schauen, an den Tschadsee, wenn sie sehen, was gerade in Somalia passiert, in Mosambik, im Ostkongo: Die Pandemie hat eine Situation geschaffen, die den Angriffen terroristischer Organisationen nützt. Und um es deutlich zu sagen: Vor allem im afrikanischen Kontext gibt es keinen Sicherheitsapparat, der diese Gefahr so einfach besiegen könnte. Und kein Mandat des UN-Sicherheitsrats für entsprechende Operationen, ebenso wenig die notwendigen Finanzmittel.


Zynisch und tendenziös spricht die bürgerliche Zeitung ZEIT davon, dass „Terroristen und Extremisten“ die Pandemie ausnützten, ohne sehen zu wollen, dass die ökonomische Folge der Pandemie (sprich: Verschärfung der imperialistischen Wirtschaftskrise) der Grund für den wachsenden Widerstand gegen dieses unmenschliche Ausbeutungssystem ist, dass Jahr für Jahr mehr Menschen in den Hungertod treibt2, die Welt ökologisch an den Abgrund führt3 und unterdrückte Nation mit Krieg, Raub und Mord überzieht4.

Hier wird Ursache und Wirkung verkehrt: die imperialistische Wirtschaft führt aufgrund seines unmenschlichen Profitdrangs auf Kosten der gewaltigen Mehrheit zu kontinuierlich steigendem Elend, sodass die Massen sein Ende herbeiführen – in bürgerlicher Sprache „Terrorismus“ und „Extremismus“ praktizierten.

ZEIT ONLINE: Sie haben bereits gesagt, dass die Pandemie ein neues Bewusstsein für die wachsende Ungleichheit erzeugt hat. Wird die Welt nach der Pandemie noch viel ungleicher sein, innerhalb von Ländern, aber auch zwischen den reichen Staaten und den Entwicklungsländern?

Guterres: Ich denke, beides stimmt, aus verschiedenen Gründen: Auf der einen Seite ist es die Pandemie, weil die Verletzlichsten mehr leiden, weil die Armen mehr leiden. Auf der anderen Seite ist es natürlich die generelle Entwicklung der globalen Wirtschaft. Wenn Sie die reichsten Unternehmer in der heutigen Welt anschauen: Sie haben Reichtum angehäuft in einem Ausmaß, das es seit Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr gegeben hat. Die Chefs der wichtigsten digitalen Unternehmen haben erlebt, dass ihr Reichtum exponentiell gewachsen ist. Und denken Sie an den Klimawandel: Das eine Prozent der reichsten Menschen in der Welt ist verantwortlich für 15 Prozent der globalen Emissionen. Das ist mehr als das Doppelte der Emissionen, die 50 Prozent der Ärmsten der Welt verursachen. Ich glaube, dass der jetzige Grad extremer Ungleichheit ein gravierender Faktor der Instabilität ist, ein gravierender Faktor des Misstrauens, ein gravierender Faktor, der den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaften aushöhlt und der Frieden und Sicherheit weltweit schwächt. [Frieden muss hier als Frieden für die Bourgeoisie verstanden werden, anm. d. A., Fett eigen]

Guterres verbleibt bei warmen Worten und dringlichen Appellen an die bürgerlichen (imperialistischen) Regierungen dieser Länder. Denn wie Guterres im Interview selbst eingesteht – als Generalsekretär der Vereinten Nationen hat er keine Möglichkeit etwas anzuordnen oder zu erzwingen. Ihm verbleibt das nette Gesicht einer repräsentieren imperialistischen Verbandsorganisation, um die schlimmsten Folgen des Imperialismus formal und verbal einzudämmen und Sozialpolitik derart auszurichten, dass die Klassenkämpfe der Entrechteten und Unterdrückten nicht Überhand nimmt. Jedoch nicht eigenmächtig, sondern nur durch Zustimmung der imperialistischen Mächte, unter Dominanz der imperialistischen Supermacht USA.

Gleichsam zeigt die UN jedoch den Interessenkonflikt der divergierenden imperialistischen Staaten, denn selbst in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1929 schafft es die UN nicht mehr als Appelle herauszubringen, erwirkt keine Einigung der Verbundsstaaten, sondern erwartet schwere soziale Konflikte – sprich Klassenkämpfe.

Deshalb springt inzwischen selbst eine Person wie Guterres auf den Zug eines bedingungslosen Grundeinkommens auf5, und drängt zu sozialdemokratischen Maßnahmen. Denn die Befriedung des Klassenkampfes ist bisweilen endgültig gescheitert. Der Widerstand wächst täglich und der echte ‚impact‘ (Einschlag) der imperialistischen Wirtschaftskrise wird erst nächstes Jahr erwartet. Für Deutschland bspw. wenn ab dem 1.1.2021 die Insolvenzaussetzung endet und deshalb eine riesige Pleitewelle im Zuge der sogenannten „Corona-Krise“ einsetzen wird. Für uns bedeutet das Massenentlassung und weitere Lohnkürzung. Darum bereitet sich die Bourgeoise auf die kommenden Kämpfe vor, indem sie ihren Sicherheitsapparat massiv aufrüstet und die Überwachung forciert – z.B. die Fingerabdruckpflicht in Ausweisen ab August 2021 in Europa.6

 

 

1https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-12/antonio-guterres-un-generalsekretaer-coronavirus-pandemie-klimawandel-vereinte-nationen/komplettansicht?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fpolitik%2Fausland%2F2020-12%2Fantonio-guterres-un-generalsekretaer-coronavirus-pandemie-klimawandel-vereinte-nationen

2https://www.heise.de/tp/features/Pandemie-des-Hungers-4995797.html?wt_mc=rss.red.tp.tp.atom.beitrag.beitragDie Zahl der weltweit hungernden Menschen steigt schon seit 2014 - nach einer kurzen Phase des Absinkens - laut der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) beständig an. Im vergangenen Jahr litten rund 690 Millionen Menschen an Hunger und Unterernährung - ein Anstieg um 60 Millionen gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der unterernährten Menschen könnte sich laut Schätzungen in diesem Jahr aufgrund der Pandemie sogar verdoppeln. Der Welthungerindex bezifferte die Zahl der Hungernden im vergangenen Jahr sogar auf 822 Millionen.“

3https://www.heise.de/news/Studie-Klimaziele-mit-momentaner-Ernaehrungsweise-nicht-zu-erreichen-4951276.html

4https://de.wikipedia.org/wiki/Abu-Ghuraib-Folterskandal

5Vgl. ebd.

6https://demvolkedienen.org/index.php/de/t-brd/4924-fingerabdruck-im-personalausweis-ab-2021-pflicht