Im österreichischen Bundesland Kärnten hat die Wirtschaftskammer diesen Sommer mit einer Kampagne namens „Danke, stimmt so“ für Unmut gesorgt. Wirten wurden Briefumschläge mit Werbeaufstellern für ihre Einrichtungen zugeschickt, die ein vermeintlich „unaufdringliches Signal“ an die Kundschaft senden, genug Trinkgeld zu geben. Die Gastronomen selber zeigten sich in großen Teilen über diese Art und Weise empört, wie man die Kunden förmlich zu Extraabgaben zwingen wollte.

In Deutschland wurde diese Idee schon letzten Herbst im großen Ausmaß durch den Spirituosenhersteller Jägermeister in einer „Haltungskampagne“ umgesetzt. In der ganzen Republik fanden sich an Bahnhöfen, Litfaßsäulen und Ähnlichem große Werbeplakate mit einem Slogan: „Trinkgeld gehört dazu“. Es wurde gefordert, die inoffizielle Regel von 10 Prozent Zuschlag auf den eigentlichen Preis „einzuhalten“. Auf Motiven von Barmitarbeitern in Kneipe und Club, Putzkräften, Taxifahrern und weiteren prangten einige Beispiele mit Fakten, mit denen Aufsehen geschaffen werden sollte für die „geringen“ Trinkgelder in unterschiedlichen Berufen und Situationen. Man liest:

Nur 54 Prozent finden Trinkgeld geben selbstverständlich.

Nur 29 Prozent der Clubbesucher geben Trinkgeld.

Jede zweite Taxifahrt endet ohne Trinkgeld.

Jeder Zweite unterschätzt die Bedeutung von Trinkgeld.

Kein Wunder, dass solche Kampagnen in Zeiten der Wirtschaftskrise vermehrt auftreten, wo aktuell der Lohn der Arbeiter mittels der Inflation gesenkt wird und sich der Arbeitskampf mehr entfaltet. Wenn es sozusagen nicht mehr für das „täglich Brot“ der Arbeiter in diesen Berufen reicht, dann sollen nicht die Kapitalisten dafür Einbußen machen müssen, sondern andere Arbeiter bzw. Menschen aus dem Volk in die Bresche springen. Der Begriff „Solidarität“ wird hierbei natürlich übel missbraucht. Das Ganze gipfelt in der Dreistigkeit, eine „freiwillige“ Abgabe deutlich über dem originalen Preis beinahe zu befehlen.

Die Mast-Jägermeister SE, mit 500 Millionen Euro Jahresumsatz, hat ein weitentwickeltes Marketing – vor einigen Jahren kaufte die Firma in der Stuttgarter Innenstadt Apartments und vermietete sie zu PR-Zwecken gratis an Studenten dort. Da kommt so eine Trinkgeld-Kampagne mit zudem großzügigen Spenden an „Gastro-Teams“ auch nicht überraschend, zumal sie ihren Zweck für den Imperialismus erfüllt. Denn die Kampagne ist auch ein Ausdruck davon, wie die Herrschenden die Krise auf die Schultern der Massen versuchen, abzuladen.

Jägermeister Trinkgeld gehört dazu

Einige Plakate der Jägermeister-Kampagne (Quelle: about-drinks.com)

Kleinbürgerliche Kulturelle leisten dabei freiwillig und unfreiwillig ihren Dienst. Rapper Alligatoah warb vor zwei Jahren unter dem Hashtag #gibtrinkgeld um ein paar Extra-Euros für Paketboten und brachte zeitgleich die Single „Nebenjob“ raus – ein Ausdruck der Radikalisierung eines Teils der Kleinbourgeoisie, wobei der Künstler für die Lage der Arbeiter allerdings überhaupt keine Empathie beweist und der Meinung ist, man könnte aus dem Elend noch ein amüsantes Musikstück machen. So spielt man mit einer humanistischen Absicht der Bourgeoisie in die Karten.