DEM VOLKE DIENEN
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- Kategorie: Dokumente der kommunistischen Bewegung
Wir haben die nachfolgende Flugschrift der marxistischen Theoriezeitschrift „Vorbote“ aus Österreich erhalten. Darin wird zur Frage von Gesundheitswesen und Klassenkampf inmitten der „Corona-Krise“ Stellung genommen und für Kommunistinnen und Kommunisten wichtige Perspektiven entwickelt. - Redaktion.
Corona-Pandemie und Klassenkampf in der Frage des Gesundheitswesens.
Die weltweiten Ereignisse um das Corona-Virus offenbaren die tiefe politische Krise der herrschenden Klasse und verschärfen die in der Ökonomie ohnehin vorhandenen krisenhaften Widersprüche massiv. Damit kennzeichnet sich die aktuelle politische Weltlage durch eine enorm rasche und umfassende Verschärfung der Allgemeinen Krise des Kapitalismus. Dass die Herrschenden im Gefolge der Krise auch die Tendenz zum Faschismus verstärken und immer stärker zu Überwachung und Repression als Mittel der „Krisenbekämpfung“ greifen, dass sie einen in den letzten Jahren beispiellosen Angriff auf die demokratischen Grundrechte durchführen, zeigt deutlich, dass sich mit der gegenwärtigen Verschärfung der allgemeinen Krise auch der Widerspruch zwischen dem mit den Volksmassen verbündeten Proletariat und der Bourgeoisie verschärft. Angesichts der schweren politischen „Corona-Krise“ erhebt die Arbeiterbewegung Forderungen und formuliert ihre Interessen gegen das Krisenprogramm der herrschenden Klasse, auch zu unabhängig geführten, selbstständigen Streiks und anderen großartigen Kampfmaßnahmen kam es dabei schon. Viele Organisationen und Initiativen formulieren in dieser Situation zwar Forderungen die mehr oder weniger dem unmittelbar vorliegenden Interessen der Arbeiterklasse und des Volkes entsprechen, gehen aber darüber nicht hinaus, weisen keinen Weg und damit auch keine Richtung im Klassenkampf, die auf den Sturz der Bourgeoisie gerichtet ist. Damit ordnen sie schlussendlich aber den politischen Kampf der Arbeiterklasse der Bourgeoisie unter. Es braucht also nicht nur die unmittelbaren Tagesforderungen, sondern auch eine Ausrichtung, auf welcher Linie der Klassenkampf weitergeführt werden kann. Einerseits legt die derzeitige Situation die Kräfte des Opportunismus und der Unterordnung unter die bürgerliche Politik offen, andererseits zeigt sie, dass manche revolutionäre Kräfte ihr Verständnis von der Situation vertiefen und ihre klare und längerfristige Ausrichtung schärfen müssen.
Die Corona-Krise erfordert schlussendlich, neben dem Kampf gegen Faschisierung und gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen, von den fortgeschrittenen Kräften des Proletariats auch, sich mit der Frage von Gesundheit und Medizin innerhalb des Kapitalismus und Imperialismus zu befassen, denn in diesem Sektor entstand die gegenwärtige Verschärfung der politischen Krise. Ergänzend zum vorliegenden Artikel empfehlen wie den Artikel "Die Coronavirus-Pandemie zeigt die Schwächen des alten halbfeudalen und halbkolonialen Staates" von Genossen aus Ecuador der sich mit einigen Frage der „Corona-Krise“ in ihren Auswirkungen in halbkolonialen Ländern befasst. Wir wollen in vorliegendem Text in dieser Frage grundsätzlich vorgehen, weshalb wir uns zuerst einigen Fragen der Erkenntnistheorie zuwenden, uns dann zum Aufkommen der kapitalistischen Gesellschaft, der modernen Medizin und des öffentlichen Gesundheitswesens äußern, um darüber die Frage der Volksgesundheit im Klassenkampf zu beleuchten und eine Ausrichtung in dieser Frage zu entwickeln. Wir legen hier keine Analyse der Pharmaindustrie vor, auch zu Privatisierungen des öffentlichen Gesundheitswesens im Kapitalismus, oder dem Volksgesundheitswesen im Sozialismus - alles sicherlich überaus wichtige Themen - äußern wir uns hier nur am Rande. Wir werden uns in Zukunft zu diesen Fragen äußern, sehen es aber in der gegenwärtigen Situation als wichtiger an, sich dem Thema grundsätzlicher zu widmen. Wir denken, dass das den fortschrittlichsten Kräften des Proletariats am besten dient und ihnen erlauben wird, auch inmitten ihrer Kämpfe während der Corona-Krise einen Weg zu zeigen, der über notwendige, gerechtfertigte unmittelbare Forderungen hinausgeht und damit nicht nur die aktuellen Angriffe der Bourgeoisie auf Arbeiterklasse und Volk zurückschlägt, sondern auch den Kampf um den schlussendlichen Sturz des Kapitals in der proletarischen Revolution voranbringt. Erst dadurch wird ein Gesundheitswesen im Dienste des Volkes erkämpft werden können.
Erkenntnis und Quellen der Wahrheit.
Die menschliche Erkenntnis vollzieht sich als Bewegung in ihrem ersten Schritt vom Niederen zum Höheren, vom Konkreten zum Allgemeinen, vom Einfachen zum Komplexen. Die allgemeinen Erkenntnisse werden dann wieder, in einem zweite Schritt, auf die Untersuchung konkreter Phänomene angewendet, wodurch ein tieferes Verständnis der Sache erlangt werden kann. Die „Bewegung der Erkenntnis“ geht also vom Konkreten zum Allgemeinen und wieder zurück zum Konkreten. Folgendermaßen lässt sich der „Vorgang“ der Erkenntnis zusammenfassen:
„Was die Reihenfolge der Bewegung der menschlichen Erkenntnis betrifft, so erweitert sich diese stets allmählich von der Erkenntnis des Einzelnen und Besonderen zur Erkenntnis des Allgemeinen. Die Menschen beginnen immer zuerst mit der Erkenntnis des besonderen Wesens der vielen verschiedenen Dinge; erst dann können sie zur Verallgemeinerung übergehen und das gemeinsame Wesen der Dinge erkennen. Nachdem die Menschen dieses gemeinsame Wesen erkannt haben, gehen sie weiter und studieren, geleitet von dieser Erkenntnis des Gemeinsamen, die verschiedenen konkreten Dinge, die noch nicht oder nicht gründlich erforscht sind, und finden das besondere Wesen jedes Dinges heraus. Nur auf diese Weise können sie die Erkenntnis des gemeinsamen Wesens vervollständigen, bereichern und entwickeln, so dass diese Erkenntnis nicht welk und leblos wird. Das sind die beiden Prozesse der Erkenntnis: der eine führt vom Besonderen zum Allgemeinen, der andere vom Allgemeinen zum Besonderen. Die Entwicklung der menschlichen Erkenntnis stellt stets eine spiralförmige Bewegung dar, wobei jede Windung die menschliche Erkenntnis auf eine höhere Stufe hebt und sie beständig vertieft (jedoch nur dann, wenn dabei die wissenschaftliche Methode streng eingehalten wird).“ (Mao Zedong: „Über den Widerspruch“)
Dieses „Bewegungsgesetze“ der Erkenntnis gelten allgemein, sie vollziehen sich in der Regel aber nicht schnell und innerhalb weniger Monate, sondern nehmen ganze Epochen ein, deren Erkenntnisse sich dann in Sprüngen verdichten und zur jeweils nächst höheren Stufe führen. Friedrich Engels beschreibt das in einem seiner Hauptwerke, dem „Anti-Dühring“, am Beispiel von Biologie und Physiologie. Auch wenn die Beispiele die Engels hier gibt aus heutiger Sicht vielleicht etwas veraltet wirken, immerhin erschien die bis heute üblicherweise herangezogene (erweiterte und verbesserte) 3. Auflage des Werks im Jahre 1894, so zeigt der Mitbegründer des Marxismus damit doch sehr gut und nachvollziehbar auf, wie sich der Erkenntnisprozess entwickelt, in seinem Gang immer wieder „alte Gewissheiten“ umstößt, also die oben genannte „spiralförmige Bewegung“ sich vollzieht:
„Die zweite Klasse von Wissenschaften ist die, welche die Erforschung der lebenden Organismen in sich begreift. Auf diesem Gebiet entwickelt sich eine solche Mannigfaltigkeit der Wechselbeziehungen und Ursächlichkeiten, dass nicht nur jede gelöste Frage eine Unzahl neuer Fragen aufwirft, sondern auch jede einzelne Frage meist nur stückweise, durch eine Reihe von oft Jahrhunderte in Anspruch nehmender Forschungen gelöst werden kann; wobei das Bedürfnis systematischer Auffassung der Zusammenhänge stets von neuem dazu nötigt, die endgültigen Wahrheiten letzter Instanz mit einer überwuchernden Anpflanzung von Hypothesen zu umgeben. Welche lange Reihe von Mittelstufen von Galen bis Malpighi war nötig, um eine so einfache Sache wie die Zirkulation des Bluts bei Säugetieren richtig festzustellen, wie wenig wissen wir, von der Entstehung der Blutkörperchen, und wieviel Mittelglieder fehlen heute noch, um z.B. die Erscheinungen einer Krankheit mit ihren Ursachen in einen rationellen Zusammenhang zu bringen! Dabei kommen oft genug Entdeckungen vor wie die Zelle, die uns zwingen, alle bisher festgestellten endgültigen Wahrheiten letzter Instanz auf dem Gebiet der Biologie einer totalen Revision zu unterwerfen und ganze Haufen davon auf einmal zu beseitigen.“ (Friedrich Engels: „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft“)
Friedrich Engels war als engster Kampfgefährte von Marx einer der fünf Klassiker des Marxismus (neben Marx, Lenin, Stalin und Mao) und sicherlich kein „Postmoderner“. Der Postmodernismus leugnet die Existenz einer objektiven Wahrheit und damit natürlich auch deren Erkenntnismöglichkeit. Im Gegensatz dazu sagt der Marxismus, dass sich die menschliche Erkenntnis in einem historischen Prozess menschlicher Tätigkeit der objektiven Wahrheit annähert und sich in diesem Prozess die Erkenntnis der objektiven Wahrheit höher und tiefer entwickelt. Was sind aber nun die Kriterien nach denen sich diese spiralförmige Bewegung des historischen Prozesses vollzieht? Der Marxismus lehrt, dass es drei solcher Kriterien gibt, nämlich: Produktionskampf, wissenschaftliches Experiment und Klassenkampf. Entsprechend den objektiven Voraussetzungen schöpfen die Menschen ihre Erkenntnisse der objektiven Wahrheit aus diesen drei Quellen. Weil sich aber diese drei Quellen selbst aufsteigend entwickeln, im Verlauf der Menschheitsgeschichte komplexer (also höher und umfassender) werden, geht es auch den daraus geschöpften Erkenntnissen so. Die Erkenntnisse entsprechen also den drei gesellschaftlichen Quellen aus denen sie hervorgehen. Gleichzeitig, da ja neue allgemeine Erkenntnisse wieder im Konkreten angewendet werden, entwickeln sich die Quellen durch die Anwendung ihrer eigenen Ergebnisse auf sich selbst weiter. So ergeht es auch der medizinischen Wissenschaft.
Medizinische Anschauungen bestehen, seit sich der Mensch aus dem Tierreich zu lösen begann. Um einen kurzen, sehr allgemeinen Überblick zu geben, sei hier kurz erwähnt, dass sich solche Anschauungen in der Urgesellschaft (Gentilverfassung) überaus primitiv und wenig komplex im „Totemismus“ ausdrückten, in der Sklavenhaltergesellschaft („Antike“) in der „Lehre von den Körpersäften“ und im Feudalismus (schon in seinem Übergang zum Spätfeudalismus) in den verschiedenen mechanizistischen Auffassungen vom „Mensch als Maschine“ bzw. der „Menschenmechanik“ [1]. Gesellschaftsformen und Anschauungen dürfen dabei aber nicht schablonenhaft aufgefasst werden, denn das Neue reift immer im Schoß des Alten heran, ehe es dieses durch Kampf überwindet. So wie die Produktionsverhältnisse die Entwicklung der Produktivkräfte hemmen, so hemmen entsprechend auf ideologischem Gebiet natürlich auch die alten Anschauungen, neue Anschauungen (welche die Potenz neuer Produktivkräfte ausdrücken, wenn auch in ihren Anfängen meist recht unreif, wie beispielsweise die Frühsozialisten Ausdruck des Frühproletariats waren) [2]. Alle bisherige Gesellschaftsformen (bis auf die Urgesellschaft) waren in verschiedene Klassen und Schichten geteilt, es gab Herrscher und Beherrschte. So auch die moderne Gesellschaft, in deren höchstem Stadium wir heute leben: Der Kapitalismus (heute Imperialismus), mit ihm treten als Hauptklassen das Proletariat (die Arbeiterklasse) und die Bourgeoisie (die Kapitalistenklasse) auf. Mit dem Proletariat entstand auch der Marxismus, also der wissenschaftliche Sozialismus, dessen Standpunkt zu Fragen der Medizin uns hier interessiert, weshalb wir uns zuerst der Herausbildung der modernen Gesellschaft zuwenden, also dem Kapitalismus, heute Imperialismus.
Das Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaft und die Entwicklung der Wissenschaften.
Der Kapitalismus entsteht in seiner frühesten Form vor allem über den Handelskapitalismus. Dieser ist aber noch sehr beschränkt was die Unterordnung der Produzenten unter seine Bedürfnisse betrifft, weshalb er sehr lange Zeit noch im Schoß des Spätfeudalismus („frühe Neuzeit“) besteht. Erst mit dem Aufkommen des Industriekapitalismus ändert sich das. Der Industriekapitalismus gestaltet alle vorgefundenen Produktionsbedingungen radikal um. Er vertieft und erweitert die Arbeitsteilung, macht Millionen Kleinbesitzer und Bauern zu Arbeitern, also Proletariern, und zieht sie in den Produktionsprozess hinein. Der aufkommende Industriekapitalismus kann mit dieser Ausdehnung seiner Produktionsweise, durch die Tatsache, dass er sich immer größere Teile der Natur und der Gesellschaft unterordnet, nicht mehr neben dem Feudalismus bestehen. Daher sprengt er diesen im Prozess der bürgerlichen Revolutionen, wie z.B. der Französischen Revolution und die Revolutionen von 1848. Die neue, kapitalistische Produktionsweise ordnet sich die Natur und die Gesellschaft vollkommen unter. Das führt zu der Notwendigkeit und zu dem Interesse, die Produktivkräfte und die Produktionsmittel besser zu verstehen, um sie rationeller organisieren, anwenden und besser ausbeuten zu können. Das ist die Voraussetzung der unglaublich dynamischen und explosiven Entwicklung der Wissenschaften im 19. Jahrhundert, von ungefähr 1780 bis ca. 1900 herum. Die von den Fesseln des Feudalismus und den engen Beschränkungen des Handelskapitalismus befreiten Wissenschaften, erleben eine nie dagewesene, stürmische Entwicklung. In Übereinstimmung mit dem Produktionskampf im Industriekapitalismus entwickelt sich das wissenschaftliche Experiment: aus dem Interesse die Landwirtschaft produktiver und kalkulierbarer zu machen, ebenso wie aus den Bedürfnissen der jungen Textilindustrie, entwickelt sich die moderne Chemie; in der industriellen Haltbarmachung von Nahrungsmitteln kommt die Bakteriologie auf, ebenso wie die Enzymforschung, unter dem Eindruck der Ausbeutung der Kolonien entwickelt sich die Tropenmedizin, usw. Die Entwicklung der Wissenschaften ist im Angesicht der rasanten Entwicklung der Produktivkräfte dermaßen dynamisch, dass nicht nur viele neue Erkenntnisse aufkommen, sondern manche Wissenschaften ganz neu definiert werden, wie die Biologie durch Darwin, oder überhaupt als selbstständige Disziplinen neu entstehen, wie beispielsweise die Psychologie. Die Entwicklung der Wissenschaften in dieser Epoche zeigt uns sehr gut, dass Erkenntnis nicht erstrangig an „Genies“ liegt, sondern vor allem an den in der Gesellschaft vorhandenen Interessen. Die aus den Widersprüchen in einer Gesellschaft entstehenden Interessen, die sich in den „drei Quellen der Wahrheit“ ausdrücken, bringen also erst die „führenden Persönlichkeiten“ hervor (Herr Darwin hätte beispielsweise 300 Jahre früher auch nicht viel ausrichten können. Es war dafür schon eine bestimmte Gesellschaftsform und bestimmte Interessen notwendig, die ihn hervorbrachten und auf den Platz setzten, von dem aus er seine führende Rolle entfalten konnte). Historisch gesehen, in der Abfolge der Formen menschlicher Klassengesellschaft, ist es so: bringt eine Gesellschaft die spezifisch notwendigen Voraussetzungen der Produktivkräfte nicht mit, kann sie zu einer gewissen Komplexität der Erkenntnis nicht vorstoßen. Es vollzieht sich also am bisher Festgestellten gemäß der drei Quellen der Wahrheit folgender Teil des Erkenntnisprozesses: durch den Klassenkampf (bürgerliche Revolution und Zerschlagung des Feudalismus) hat der Produktionskampf einen Grad erreicht (kapitalistische Produktionsweise), der neue wissenschaftliche Experimente notwendig und möglich macht. Die Erkenntnisse aus diesen neuen wissenschaftlichen Experimenten bereichern wiederum den Klassenkampf und den Produktionskampf, der sich darüber entwickelt und seine Produktionsweise ausdehnt.
Dem Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaftsordnung und der damit einhergehenden explosiven Entwicklung der Wissenschaften entspricht natürlich auch das Aufkommen von neuen Auffassungen in der Philosophie, Auffassungen die den Produktivkräften entsprechen und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse ausdrücken. So brachte die Bourgeoisie die modernen Methoden und Anschauungen von Dialektik (G. W. F. Hegel) und Materialismus (L. Feuerbach) hervor. Wir wollen hier davon absehen die gigantischen und umwerfenden Auswirkungen darzustellen, die das für die Philosophie insgesamt hatte und schlussendlich doch beim Thema bleiben: der Medizin. Durch die moderne Dialektik und Materialismus in den Wissenschaften wurde es nun erstmals in einem bestimmten Grad möglich, auch in Fragen von Krankheit und Gesundheit die Widersprüchlichkeit ihrer inneren und äußeren Faktoren zu enthüllen, sich darüber einigermaßen bewusst zu werden und die bis dahin herrschenden dualistischen Anschauungen darüber zurückzudrängen. Dies ging einher mit dem allgemeinen Bedürfnis des Kapitals, neue Anschauungen zu entwickeln und dabei in gewissem Maße den entmysthifizierten Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, denn die Beherrschung seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten wurde mit dem Kapitalismus zur Kernfrage der Mehrwertaneignung, also der kapitalistischen Ausbeutungsform. Nur die Verausgabung menschlicher Arbeitskraft erzeugt Mehrwert. Dieser wird durch das Proletariat geschaffen, die Kapitalisten eignen sich ihn aber privat an. Wollen sie den von ihnen angehäuften Mehrwert vergrößern, müssen sie die Ausbeutung vertiefen, und „produktiver“ gestalten, was eine bestimmte Kenntnis über den Menschen als Träger der Arbeitskraft notwendig macht. Damit aber war dann auch schon die Begrenzung der kapitalistischen Medizin festgeschrieben, denn der Kapitalismus nutzt wissenschaftliche Erkenntnisse nicht zum Wohle der Menschen und der allseitigen Entwicklung der Produktivkräfte, sondern ordnet sie nur und einzig den Profitinteressen und Bedürfnissen des Kapitals unter. Daher erzeugt er in seinem Verlauf beispielsweise zwar immer größere Voraussetzungen und Möglichkeiten für die Ausrottung von Krankheiten, gefährdet aber gleichzeitig in immer weiterem Ausmaß die Gesundheit der Volksmassen und macht durch seine Politik die Entstehung und Ausbreitung neuer Krankheiten und ganzer Seuchen überhaupt erst möglich.
Die aktuelle politische Krise, die sich an der Ausbreitung des Corona-Virus weiter verschärfte, ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Die Seuche wurde zu Beginn heruntergespielt und verharmlost, sie traf ja „nur die bösen Chinesen“. Das ging noch so weiter, als schon die ersten Fälle in Europa auftauchten, auch da meldete beispielsweise der staatliche Rundfunk ORF auf seiner Homepage noch: „Echte Grippe gefährlicher als Coronavirus“ (Artikel vom 28.1.2020). Erst als das Virus Teile der Produktion und damit des kapitalistischen Profits gefährdete, sah man sich genötigt Maßnahmen zu ergreifen und verfiel gleichzeitig in Panik- und Angstmacherei.
Medizin und öffentliches Gesundheitswesen als Schlachtfelder im Klassenkampf.
Gegen den Feudalismus stand das Proletariat gemeinsam mit der Bourgeoisie in einer gewissen Kampfgemeinschaft. Man hatte das gemeinsame Interesse, diese alte Gesellschaft der Fürstentümer und Aristokraten zu zerschlagen, ihre engen Fesseln abzulegen. Doch nachdem der Feudalismus zerschlagen und der Kapitalismus durchgesetzt war, trat der Widerspruch zwischen Arbeiterklasse und Kapitalistenklasse, also der Widerspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie, offen hervor. Marx und Engels beschreiben das sehr gut im „Manifest der Kommunistischen Partei“. Jedenfalls treten mit der Machtergreifung des Bürgertums die beiden Hauptklassen der modernen Gesellschaft, Proletariat und Bourgeoisie in offenen Kampf gegeneinander. Die Bourgeoisie errichtete ihre Demokratie, die bürgerliche Demokratie, und zerschlug damit die Demokratie für die Volksmassen und das Proletariat, um ihre eigene Herrschaft zu sichern. Dass die Bourgeoisie der Tendenz nach die Demokratie für das Volk negiert, hat sich mit dem Imperialismus nicht erledigt sondern, wie Lenin feststellt, sogar verstärkt. Denn die Bourgeoisie strebt „zur Verletzung der Demokratie, zur Reaktion“, und: „In diesem Sinne ist unbestreitbar, daß der Imperialismus ‚Negation‘ der Demokratie überhaupt, der ganzen Demokratie ist...“ (Lenin: „Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den ‚imperialistischen Ökonomismus‘“) Daher hat das Proletariat selbst in der entwickeltsten bürgerlichen Demokratie im Kampf um die sozialistische Revolution immer auch demokratische Aufgaben zu lösen.
Grundlage des Kampfes zwischen Proletariat und Bourgeoisie ist der Produktionsprozess des Kapitals, denn hier wird das Proletariat ausgebeutet: es verkauft dem Kapitalisten für einen bestimmten Lohn seine Arbeitskraft, erzeugt aber durch Verausgabung der Arbeitskraft mehr Wert, als es selbst benötigt um seine Arbeitskraft wiederherzustellen. Der Lohn den der Arbeiter für die Arbeit bekommt, soll die Wiederherstellung seiner Arbeitskraft, genannt Reproduktion, sichern. Die Werte die er darüber hinaus herstellt, wandern in die Tasche des Kapitalisten. Die Arbeiterklasse wird also um den Mehrwert enteignet, die Bourgeoisie lebt genau davon. Die Gesundheit der Arbeitskräfte wird dabei insofern eine Frage für das Kapital, weil nur physisch und psychisch durchschnittlich gesunde Arbeitskräfte den Mehrwert erzeugen können, den das Kapital benötigt. Die Sicherung und der Erhalt der Gesundheit der Arbeitskräfte auf einem minimalen Niveau werden somit bis zu einem gewisse Grad für das Kapital ein notwendiger Teil der Reproduktion der Ware Arbeitskraft, sie werden zu einer gewissen „ökonomischen Notwendigkeit“.
Nun ist es aber so, dass den einzelnen Kapitalisten vor allem die Ausbeutung interessiert, also dass er so viel Profit wie möglich macht, denn er steht in Konkurrenz zu anderen Kapitalisten (bzw. ganzen Kapitalgruppen, wie Kartellen und Monopolen) und muss konkurrenzfähig bleiben. Daher will das Kapital den Preis der Ware Arbeitskraft immer weiter drücken, womit die Bourgeoisie natürlich die Tendenz entwickelt, die Arbeiterklasse auch in ihrer Gesundheit immer weiter zu schädigen, bis diese kaum mehr arbeitsfähig ist. Diese Tendenz brachte vor allem in den Städten vermehrt soziale Erscheinungen mit sich, die Karl Marx sehr ausführlich im zweiten Band des „Kapitals“ beschreibt: Missstände im Kanalisationssystem der Arbeiterviertel und daher kommende Seuchen, Auftauchen von für die Zeit typischen „Arbeiterkrankheiten“ wie TBC und Rachitis, usw. Damit enthüllte sich vollständig der Klassencharakter der bürgerlichen Medizin, der sie dazu zwingt die Theorie fortwährend von der Praxis loszureißen und sie nur dort zusammenzubringt, wo das Kapital Nutzen daraus zieht. Die Bourgeoisie betreibt Medizin nicht in Dienste der Menschheit, sondern um die Ausgebeuteten und Unterdrückten rationeller und effizienter ausbeuten und unterdrücken zu können. Die besten Vertreter der Medizin im 19. Jahrhundert, die idealistisch noch „den Menschen“ in den Mittelpunkt ihrer Anschauungen stellten, kamen durch die sozialen Verhältnisse und die Kluft zwischen Theorie und Praxis der Medizin in Widerspruch zur geselschaftlichen Lage, die das Proletariat einer massiven Verelendung unterwarf. Diese Lage vom medizinischen Standpunkt aus zu erforschen und zu überwinden, lag nicht im Interesse der einzelnen Kapitalisten, die das Proletariat immer weiter ausbeuten wollten, auch wenn es von Krankheiten und neuen Seuchen dahingerafft wurde. Die alte idealistische Auffassung der Medizin des aufsteigenden Kapitalismus („der Mensch“ im Mittelpunkt) kam also in Widerspruch zur bürgerlichen Klassenherrschaft, welche die weitere Entwicklung und Anwendung von medizinischen Erkenntnissen störte und hemmte, da sie kein Interesse hatte, neue Phänomene die „nur das Volk betreffen“ zu erklären. In einer Klassengesellschaft trägt die Medizin natürlich immer Klassencharakter. Dieser tritt mit der Entwicklung des Kapitalismus auch immer deutlicher hervor. So hat sie mit zunehmender Spezialisierung auch methodisch immer weniger „den Menschen“ schlechthin zum Gegenstand, sondern konkrete Gruppen und Individuen von Menschen mit konkreten Krankheitsbildern (die ja von irgendetwas hervorgerufen wurden) in einer konkreten Gesellschaft. Sowohl die Probleme mit denen sie sich auseinandersetzt, als auch der Grund warum sie sich damit auseinandersetzt, sowie die Wege die sie zur Lösung eines Problems vorschlägt, usw. all das trägt Klassencharakter und brachte so manche Mediziner in harten Widerspruch zum bürgerlichen Klasseninteresse. Friedrich Engels gibt dazu in einem Brief an Kautsky ein hervorragendes Beispiel:
„In der ‚Nature‘ finden Sie eine im internationalen medizinischen Kongreß hier gehaltene Rede von John Simon, die ein wahrer Anklagepunkt der medizinischen Wissenschaft gegen die Bourgeoisie ist. J. Simon ist medical officer to the Privy Council (Staatsrat), faktisch Chef der gesamten Medizinalpolizei, und derselbe, den Marx im ‚Kapital‘ so oft und so rühmlich zitiert, ein Mann, der – vielleicht der letzte der alten berufstreuen und gewissenhaften Beamten aus der Zeit von 1840-60 – überall Bourgeoisinteressen als erstes Hindernis seiner Pflichterfüllung vorgefunden hat und zu kämpfen genötigt war. Sein instinktiver Haß gegen die Bourgeoisie ist daher ebenso heftig wie erklärlich. Jetzt kommt ihn, dem Arzt, die Bourgeoisie (…) mit ihrer Antivivisektionsbewegung in sein eigenes Fach, und er dreht den Spieß um: statt wie Virchow matt und farblos zu predigen, attackiert er den Gegner, stellt den paar wissenschaftlichen Experimenten der Ärzte an Tieren die riesigen kommerziellen Experimente der Bourgeoisie an den Volksmassen gegenüber und stellt damit erst die Frage auf richtiges Terrain.“ (Friedrich Engels: „An Karl Kautsky in Zürich“)
Je mehr sich die Herrschaft der Bourgeoisie die Natur und die Gesellschaft unterordnet, desto mehr vertieft sie die Arbeitsteilung und damit die objektive Vergesellschaftung der Produktion. Kein Produkt wird mehr von A bis Z von einer Arbeitskraft alleine hergestellt, sondern für jedes Produkt sind tausende Handgriffe und hunderte Arbeitskräfte notwendig. Das galt im modernen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, das gilt umso mehr heute im Imperialismus, wo Monopole ihre Produktionsketten um den ganzen Erdball spannen und zusätzlich zu den Arbeitern in den imperialistischen Ländern Millionen als (halb)koloniale Arbeitssklaven unterdrücken und ausbeuten. Mit fortschreitender objektiver Vergesellschaftung von Teilen der Produktion und damit einhergehender Industrialisierung, wurde ein bestimmtes Ausmaß der massiven Verelendung des Proletariats immer mehr zu einem Hemmnis der Produktion, die immer mehr Fähigkeiten und Kenntnisse verlangte. Gleichzeitig entwickelte sich auch die moderne Arbeiterbewegung, die immer entschlossener und besser organisiert für ihre Interessen kämpfte.
Um das Proletariat und die Volksmassen arbeitsfähig zu halten und ihre Arbeit produktiver werden zu lassen, musste auch die Reproduktion der Arbeitskraft bis zu einem gewissen Grad vergesellschaftet werden, Ausbildung und Gesundheitswesen wurden damit immer öfter nicht den einzelnen Kapitalisten oder gar Proletarierfamilien überlassen, sondern in die Hände der Länder oder des Staates gelegt. Dieser Prozess war hart umkämpft, und es wurde zu einer wichtigen Frage im Klassenkampf, wer seine Interessen auf dem Gebiet der teilweisen Vergesellschaftung der Reproduktion, also auch des beginnenden öffentlichen Gesundheitswesens, durchsetzen konnte. Die moderne Arbeiterbewegung vertrat gegenüber dieser objektiven Entwicklung ihre eigenen Interessen und erreichte es durch große und langwierige Kämpfe und Forderungen, dass das öffentliche Ausbildungs- und Gesundheitswesen ihm mehr zugestand, als von Seiten der Kapitalisten als notwendig erachtet wurde. Die Arbeiterbewegung erkämpfte sich also bestimmte Reformen des Ausbildungswesens, oder eine gewisse öffentliche Gesundheitsversorgung. Diesbezügliche Fragen wurden im Klassenkampf immer mehr zu zentralen Fragen der Massenbewegungen. Da das Proletariat aufgrund seiner elenden Lebensverhältnisse immer wieder mit der Gefahr von Seuchen konfrontiert war, die Bourgeoisie daran aber erst Interesse zeigte, wenn ihre Profite gefährdet waren, war die moderne Seuchengesetzgebung selbstverständlich ein wichtiges Kampffeld zwischen der herrschenden Klasse und der proletarischen Bewegung. Dabei ging es um Fragen die den Klassencharakter des öffentlichen Gesundheitswesens betrafen und allgemein bis heute Gültigkeit aufweisen. Der 1908 von Viktor Adler, dem damaligen Führer der österreichischen Sozialdemokratie, angeleitete Kampf gegen die heraufziehende Cholera-Epidemie, mag beispielsweise an manchen Stellen durchaus an den Umgang der Herrschenden mit dem Corona-Virus 2020 erinnern: „...das Seuchengesetz, ein Gesetz das möglicherweise in Kürze eine sehr traurige Aktualität erlangen kann, denn, meine Herren, die Cholera ist auf dem Marsche; ob wir sie noch in diesem oder im nächsten Jahr bekommen, weiß man nicht, aber bedroht sind wir davon, sie ist auf dem Marsche, und die Sanitätsverwaltung steht mit ganz veralteten Bestimmungen dieser Gefahr gegenüber. Nun liegt ein Seuchengesetz vor, das (…) mich nicht befriedigen oder gar begeistern kann; es ist ungenügend nach sehr viele Richtungen, insbesondere weil es für die Assanierung, für die Prophylaxe gar nichts tut, sondern nur für die Abwehr und die Isolierung, wenn schon eine Seuche da ist.“ (Viktor Adler: „Die Verschleppung des Seuchengesetzes“).
Die Zentralisierung des öffentlichen Gesundheitswesens war zwischen Proletariat und Bourgeoisie hart umkämpft, und so wie das Proletariat Interesse an einer möglichst guten allgemeinen Reproduktion seiner Arbeitskraft hatte, hatte die Bourgeoisie Interesse daran, dass die öffentliche Gesundheitsversorgung nur das unmittelbar abdeckt, was bei der Waren Arbeitskraft direkt „repariert“ werden muss, damit sie weiter arbeitsfähig ist. Vor der Entstehung des öffentlichen Gesundheitswesens, war die Reproduktion dem Proletariat privat überlassen, manchmal auch einzelnen Kapitalisten, Pfarren oder „Wohltätern“. Die Zustände der Gesundheitsversorgung waren daher sehr schlecht, was Rebellion und Widerstand im Proletariat hervorrief, und sie waren sehr uneinheitlich, wodurch wiederum durch die Bourgeoisie gegenüber den Arbeitskräften kein für die kapitalistischen Ausbeutungsinteressen im Allgemeinen durchschnittlich notwendiges Reproduktionsniveau durchsetzen werden konnte. Auf diesen Zustand der Uneinheitlichkeit und Zerfahrenheit weist Karl Marx 1844 hin: „Dem unpolitischen Zustand Deutschlands legt es der ‚Preuße‘ ferner zur Last, wenn der König von Preußen in einem Verwaltungs- und Wohltätigkeits-Mangel den Grund des Pauperismus findet und daher in Verwaltungs- und Wohltätigkeits-Maßregeln die Mittel gegen Pauperismus sucht. Ist diese Anschauungsweise dem König von Preußen eigentümlich? Man werfe einen raschen Blick auf England, das einzige Land, wo von einer großen politischen Aktion auf den Pauprismus gesprochen werden kann. Die jetzige Armengesetzgebung datiert von dem Gesetz im 43. Akt der Regierung Elisabeth. Worin bestehen nun die Mittel dieser Gesetzgebung? In der Verpflichtung der Pfarreien zur Unterstützung ihrer Armen Arbeiter, in der Armentaxe, in der legalen Wohltätigkeit. Zwei Jahrhunderte hat diese Gesetzgebung – die Wohltätigkeit auf dem Wege der Verwaltung – gedauert. Nach langen und schmerzlichen Erfahrungen, auf welchem Standpunkte finden wir das Parlament in seiner Amendment-Bill von 1834? Zunächst erklärt es die fürchterliche Zunahme des Pauperismus aus einem ‚Verwaltungs-Mangel‘. Die Administration der Armentaxe, die aus Beamten der respektiven Pfarreien bestand, wird daher reformiert. Man bildet Unionen von ungefähr zwanzig Pfarreien, die in einer einzigen Administration vereinigt sind.“ (Karl Marx: „Kritische Randglossen zu dem Artikel ‚Der König von Preußen und die Sozialreform‘“).
Der Staat, dem die vergesellschafteten Bereiche der Reproduktion überlassen werden, ist aber keine „neutrale Instanz“ die über den Klassen stehen würde, sondern es ist der Staat der Bourgeoisie, ein bürgerlicher Staat, der auch den Interessen der Kapitalisten dient. Seine Funktion im Sektor der Reproduktion wurde es, dass das Gesundheitswesen eine gewisse Reproduktion der Ware Arbeitskraft sicherstellt, aber eben nur insofern, soweit es dem „allgemeinen Interesse“ der Kapitalisten entspricht. Das Proletariat hingegen hat Interesse, über dieses Minimum hinauszugehen und den Wert seiner Arbeitskraft zu erhöhen. Durch die Kontrolle der öffentlichen Gesundheitsversorgung und damit auch des Sozialversicherungswesens, festigte jedoch die Bourgeoisie ihre Kontrolle und Verwaltung über das Volk und vor allem über das Proletariat. Das „Problem“ für den bürgerlichen Staat ist dabei aber, dass aus der Reproduktion kein Mehrwert kommt [3], sondern diese nur die Voraussetzung dafür ist, dass in der Produktion Mehrwert erzeugt werden kann. Daher muss die Bourgeoisie zwar eine gewisse Entwicklung und Zentralisierung des öffentlichen Gesundheitswesens akzeptieren, dabei aber immer neue Bestrebungen entwickeln, die Kosten der Reproduktion der Ware Arbeitskraft auf die Arbeiter und das Volk abzuwälzen. Die Kosten die dem Arbeiter mit der Gesundheitsversorgung entstehen, sind vergleichbar mit der Miete oder dem einfachen Preisaufschlag bei einem kleinen Lebensmittelhändler. Marx dazu: „Die Exploitation [Ausbeutung] des Arbeiters beginnt von neuem, sobald er den Preis für seine Arbeit wieder gegen andere Waren tauscht – beim Epicier [Einzelhändler], Pfandleiher, Hausbesitzer, sie alle beuten ihn noch einmal aus.“ (Karl Marx: „Der Arbeitslohn“)
Die Bourgeoisie entwickelt hier also ein widersprüchliches Doppelinteresse: Einerseits braucht sie ein gewisses öffentliches Gesundheitswesen das ein Mindestmaß allgemeiner Reproduktion sicherstellt um entsprechend arbeitsfähige Arbeitskräfte zu haben, die auch ordentlich Mehrwert produzieren. Und sie muss die gesellschaftliche Reproduktion dieser Arbeitskräfte durch ihren Staatsapparat (Ämter, Behörden, usw.) auch kontrollieren, was mit der Übergabe des Gesundheitswesens in öffentliche Hände zu einer überaus wichtigen Frage wird. Andererseits muss die Bourgeoisie ständig bestrebt sein, die Kosten der Reproduktion zu senken und zu drücken soweit es nur geht, denn die Wiederherstellung der Ware Arbeitskraft ist für sie nur ein ökonomisch notwendiges Übel. Sie muss von ihrem Standpunkt aus möglichst billig sein und soweit wie möglich auf das Nötigste beschränkt bleiben.
Auch das Proletariat und die Volksmassen entwickeln ein Interesse an der teilweise vergesellschafteten Reproduktion in Form des öffentlichen Gesundheitswesens. Für sie bedeutet Erhalt und Ausbau ihrer Gesundheit auch, dass sie ihre Arbeitskraft vollwertig verkaufen können, also einen möglichst hohen Preis dafür erzielen. Außerdem ist im Klassenkampf die allgemeine Volksgesundheit auch eine Frage der unmittelbaren Kampffähigkeit der Massen. Weiter kann das Proletariat, wenn es Teile der privaten Reproduktion der Öffentlichkeit übergeben kann, sich auch anderen Dingen widmen, beispielsweise der politischen Ausbildung und Aktivität. Daraus leitet sich schon ab, dass das Proletariat und die Volksmassen entgegen der Bourgeoisie ein Interesse daran haben, das öffentliche Gesundheitssystem so umfassend wie möglich auszubauen. Nun ist es aber so, dass die Bourgeoisie durch ihren Staat die Verwaltung der vergesellschafteten Teile der Reproduktion nicht durchführt weil sie es will, sondern weil sie es muss. Da die Bourgeoisie immerzu bestrebt ist, die Kosten des öffentlichen Gesundheitswesens auf das Volk und das Proletariat abzuwälzen, besteht das zweite Interesse des Proletariats und des Volkes nun also einerseits darin, das öffentliche Gesundheitswesen so zu finanzieren, dass ihm selbst daraus keine Mehrbelastung entsteht. Denn wird die allgemeine Erhaltung des öffentlichen Gesundheitswesens oder ein Ausbau desselben auf Kosten der Arbeiterklasse und des Volkes finanziert, so bedeutet das, dass die Ausgebeuteten die Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft, die vom Kapitalisten ausgebeutet wird, zusätzlich selbst tragen müssen. Das würde die Ausbeutung also vertiefen! Daran hat weder das Volk, noch das Proletariat Interesse. Andererseits besteht für das Proletariat neben dem Interesse an einem möglichst gut aufgestellten und engmaschigen öffentlichen Gesundheitssystem auch das Interesse, sich dadurch nicht vom bürgerlichen Staat noch weiter kontrollieren und im Sinne der Kapitalisten verwalten zu lassen. Denn die Verwaltung und Organisation der Reproduktion der Arbeitskraft muss in den Hände der Besitzer der Arbeitskraft liegen, also der Arbeiterklasse, nur dann wird sie auch nach ihren Bedürfnissen reproduziert. Daher muss das Volk mit dem Proletariat an der Spitze den Kampf für den Erhalt und den Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesens führen, gleichzeitig aber dafür kämpfen, dass es nicht selbst die Kosten dafür trägt und sich auch nicht noch weiter vom bürgerlichen Staat im Dienste der Kapitalisten kontrollieren und verwalten lässt. Nur so ist sichergestellt, dass diese Teile der Reproduktionskosten von der Bourgeoisie getragen werden.
In der Internationalen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts sorgte dieses komplizierte Verhältnis für einige Verwirrung und daher auch Abweichungen von der proletarischen Linie, vor allem in Deutschland sorgte diese Frage für viel Kampf innerhalb der Arbeiterbewegung, weshalb wir hier dieses Beispiel aufgreifen wollen. Denn es war zwar klar und absolut durchgesetzt, dass man für ein staatliches Versicherungs- und Gesundheitswesen kämpfte, daran gab es keinen Zweifel. Aber die „Staatssozialisten“ um Ferdinand Lassalle, die einfach nur den bürgerlichen Staat anbettelten und um Hilfe fragten, ließen es damit zugleich auch gut sein. Sie verstanden nicht, dass der Kampf um ein öffentliches Versicherungs- und Gesundheitswesen in dieser Situation nur der erste Schritt sein konnte, mit dem sich die Arbeiterbewegung aber nicht begnügen durfte, da sie sonst die ganze Verwaltung und Kontrolle über die Reproduktion ihrer Arbeitskraft an den bürgerlichen Staat delegiert, was bedeutet, dass das Gesundheits- und Versicherungswesen nicht an den Reproduktionsbedürfnissen des Volkes und der Arbeiterklasse ausgerichtet ist, sondern an den Kapitalinteressen gegenüber der Reproduktion der Ware Arbeitskraft. Diese Linie sehen wir auch heute, wenn inmitten der Corona-Krise viele angebliche „Arbeiterparteien“ und „Arbeiterorganisationen“ über gerechtfertigte Sofortforderungen zum Schutz der Volksgesundheit nicht hinausgehen wollen, es dabei belassen und alles weitere nur an den bürgerlichen Staat delegieren. Die genau entgegengesetzte Abweichung zu den Lassalleanern, waren die liberalen Kräfte in der Arbeiterbewegung. Sie hatten solche Ängste vor dem bürgerlichen Staat, und so wenig Verständnis vom Klassenkampf, dass sie den Arbeitern und dem Volk vom Kampf um ein staatliches Gesundheits- und Versicherungswesen abrieten und stattdessen die „Selbsthilfe und Selbstversorgung“ predigten. Damit einher gingen Aufrufe an die Arbeiterklasse, dass sie möglichst Sparsam und Entbehrungsbereit sein sollte, dann könne sie die finanziellen Lasten und die Verwaltung in Gesundheits- und Versicherungsfragen auch ohne Eingriffe des bürgerlichen Staates meistern! Natürlich war das überaus reaktionär, hemmte den nationalen Zusammenschluss der Arbeiterklasse, wie auch ein Vorankommen im Kampf um eine Lösung der Gesundheits- und Versicherungsfrage im Sinne des Proletariats, das mit den Vorschlägen der Liberalen sämtliche Reproduktionskosten in der Gesundheitsfrage selbst trug und damit seine eigene Ausbeutung sogar noch vertiefte. Da vielen Arbeitern im damaligen Deutschland aber gerechtfertigterweise Lassalles Glaube an den bürgerlichen (preußischen) Staat verhasst war, hatten die Liberalen für eine gewisse Zeit Erfolg mit ihrer schädlichen und klassenfeindlichen Agitation. Eine ähnliche Linie findet man heute noch beispielsweise bei Anarchisten und ähnlichen Staatsphobikern, die sich damit als Erben der liberalen Bourgeoisie herausstellen und selbst in Anbetracht des Corona-Virus gegen die vermeintliche „Stärkung des Staates“ agitieren, wenn es um Sofortmaßnahmen zum Schutz der Volksgesundheit geht. Für eine korrekte Lösung der verworrenen Frage des öffentlichen Gesundheits- und Versicherungswesens kämpften schon Karl Marx und Friedrich Engels. Für die heutige Situation aber besonders lehrreich wurde sie aber durch Lenin und die Bolschewiki gelöst, worauf wir weiter unten zurückkommen werden.
Zur proletarischen Linie im Kampf um das Gesundheitswesen.
Ist der Klassenkampf ums Gesundheitswesen wesentlich ein ökonomischer Kampf um die Bedingungen des Verkaufs der Ware Arbeitskraft, der hauptsächlich Sache der Gewerkschaften ist? Natürlich nicht, auch wenn es tagespolitisch oftmals so aussieht. Selbstverständlich erhebt die Arbeiterbewegung auch in Fragen der Volksgesundheit, wie sie gerade derzeit in der politischen Krise (Corona-Krise) öffentlich breit aufgegriffen werden, Sofortforderungen die in vielen Punkten den Charakter des ökonomischen Kampfes tragen und vor allem unmittelbar orientiert sind, weshalb es sich ja auch um „Sofortforderungen“ handelt.
Doch die Frage des öffentlichen Gesundheits- und Versicherungswesens ist ihrem Gesamtcharakter nach nicht nur die ökonomische Frage nach der Finanzierung der Reproduktion der Ware Arbeitskraft und den wichtigen Bedingungen ihres Verkaufs, sondern auch die Frage wer die Verteilung der Mittel, die Zulassung gewisser Therapien, die Bewilligung von Geldern, den Umgang mit Patientendaten, usw. in der Hand hält. Wie wichtig diese Frage für das Volk und vor allem die Arbeiterklasse ist, kann durch die Versicherungsfrage bei Berufskrankheiten anschaulich dargestellt werden: Die Versicherungen sind in der Hand der des bürgerlichen Staatsapparates und teilweise privater Kapitalisten. Sie habe ein Interesse daran, dass so viel wie möglich eingezahlt wird aber so wenig wie möglich ausbezahlt wird, also die Zahl der Versicherungsfälle fortlaufend reduziert wird. Natürlich ändern sich manche die Berufskrankheiten und andere fallen im Laufe der Zeit ganz weg, weil sich Arbeitsmaterialien und ganze Berufsbilder verändern. Gleichzeitig entstehen aber neue Berufskrankheiten, weil neue Berufe, neue Arbeitsmaterialien, etc. aufkommen. Dennoch ist es so, dass die Zahl der anerkannten Berufskrankheiten in Österreich von 1975 mit 2.603 auf 1.569 in 2013 gefallen ist, das bedeutet es gibt über 1.000 weniger anerkannte Berufskrankheiten! Die Zahl der Versicherungsfälle hat sich mit dieser Reduktion in diesem Zeitraum natürlich drastisch verringert, nämlich von 208.417 auf 123.827. Leidtragende sind dabei natürlich Arbeiterklasse und Volk, denn ihre Berufskrankheiten werden immer weniger als solche anerkannt, was nichts weiter bedeutet, als dass die Versicherungsabdeckung schlechter wird! Nicht anders verhält es sich mit der Frage, wer beispielsweise über die jährlich steigenden Selbstbehalte für therapeutische Alltagsgegenstände wie Sehbehelfe entscheidet. Gerade bei Kindern, wo solche Therapieformen noch am besten Wirkung zeigen, also am ehesten angewendet werden sollen, sind die Selbstbehalte für Sehbehelfe mit derzeit mindestens 104,40 Euro pro Stk. am höchsten! Die Arbeiterklasse leidet unter solchen Maßregeln, wird ausgebeutet und geschröpft. Wer nur das öffentliche Gesundheitswesen besser versorgt wissen will, aber die Frage der Kontrolle und Verwaltung nicht aufwirft, liefert die Arbeiterklasse diesen Zuständen weiter aus! Weil das Versicherungswesen schlechter wird, müssen die Massen immer größere Teile von Behandlungen und Therapien aus eigener Tasche zahlen. Die Kosten der privaten Gesundheitsausgaben stiegen daher in Österreich im Zeitraum 2005 auf 2017 von 6,6 Milliarden auf 11,3 Milliarden Euro!
Der Kampf ums öffentliche Gesundheitswesen ist also sowohl ein ökonomischer Kampf, als auch offensichtlich ein Kampf, der sich explizite politische Ziele der Kontrolle und Organisation (also der Machtbefugnisse) stecken muss, da er ansonsten auf Dauer vollkommen zahnlos bleibt und das Proletariat und die Volksmassen unter Kontrolle der Bourgeoisie lässt. Das wird von opportunistischen Kräften in der Arbeiter- und Volksbewegung all zu oft übersehen. Eine der Grundfragen des Gesundheitswesens ist die Versicherungsfrage, vor allem für das Proletariat, aber auch für das Volk. Solange die kapitalistische Ordnung besteht, wird der Arbeiter ausgebeutet. Wie eine Ware muss er seine Arbeitskraft verkaufen, da er nichts anderes besitzt was er auf „den Markt“ tragen könnte und von dem es sich auf Dauer leben ließe. Diese Arbeitskraft wird vom Kapitalisten ausgebeutet und verschlissen, da die Arbeitsbedingungen, die der Kapitalist diktiert, zu Unfällen und vorzeitigem physischen und psychischen Verschleiß der Arbeitskraft führen. Erst recht in der derzeitigen Verschärfung der allgemeinen Krise des Kapitalismus. Erst mit der Entwicklung des Sozialismus, in der Diktatur des Proletariats, als Ergebnis des Klassenkampfes, wird die Arbeitskraft aufhören eine Ware zu sein, da unter Führung der Arbeiterklasse nicht nur eine neue Gesellschaft, sondern damit auch eine neue Produktionsweise durchgesetzt wird. Im Sozialismus wird nicht nur der der Produktionskampf zum Wohl der Gesellschaft geführt, sondern auch die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Experiments in die Hände der Arbeiterklasse gelegt. Bis dahin aber muss die Arbeiterklasse zusehen, dass sie ihre Arbeitskraft möglichst arbeitsfähig hält, ansonsten „fällt sie aus dem Markt“, da sie für den Kapitalisten keinen Nutzen mehr bringt. Das Proletariat braucht also eine Versicherung. Doch natürlich versucht die herrschende Klasse die Sache so einzurichten, dass die Versicherung ihren eigenen Zwecken dient, also nicht in den Händen des Proletariats und des Volkes liegt, sondern von der Bourgeoisie und ihren Behörden zur Erpressung und Ausbeutung der Arbeiterklasse benutzt wird. Dagegen muss der Kampf geführt werden, um die Selbstverwaltung der Versicherung durch die Arbeiterklasse und das Volk!
Es geht nicht nur darum, die türkis/blaue Reform der Krankenkassen rückgängig zu machen, sondern mittel- und längerfristig auch darum, die Eingriffe der herrschenden Klasse ins öffentliche Versicherungswesen überhaupt zu beseitigen! Lenin forderte als Teil des revolutionär-demokratischen Kampfes in Russland ein staatliches Versicherungswesen für die Arbeiterklasse und das Volk, wobei die Versicherung von den Versicherten selbst verwaltet werden und die Beiträge von den Kapitalisten und dem bürgerlichen Staat beglichen werden müssen. Diese Forderungen wurden auf der sechsten gesamtrussischen Konferenz der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (später: Kommunistischen Partei) als programmatische Ausrichtung anerkannt, waren also durchaus als Leitlinie im Klassenkampf auf eine längere Periode berechnet. Durch diese Ausrichtung kann die Arbeiterklasse eine selbstständige Linie in der Frage des Gesundheitswesens einnehmen, ohne dabei auf die Beschränktheit und den Konservativismus eines Lassalles, oder die reaktionären Ansichten der Liberalen in dieser Frage hereinzufallen. Die rote Linie Lenins zog die Lehren aus dem Klassenkampf in der Frage des Gesundheitswesens. Heute sind die Funktionäre der öffentlichen Versicherungen Günstlinge der bürgerlichen Parteien, Beamte des kapitalistischen Staatsapparates. Dem entgegen müssen die Verantwortlichen im Versicherungswesen zu Angestellten der Massen gemacht werden. Sie müssen wählbar und abwählbar sein und schulden der Arbeiterklasse und dem Volk, den Versicherten Rechenschaft über ihre Tätigkeit.
Diesen Versicherungseinrichtungen in den Händen der Massen, unter Führung des Proletariats, ist das gesamte öffentliche Gesundheitswesen zu unterstellen. Die Volksmassen wissen selbst was gut für sie ist und werden die Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft entsprechend auch selbst, nach den bestmöglichen Bedingungen durchführen. Die gesamten Versicherungskosten sind dabei von den Kapitalisten zu begleichen. Für die Arbeiterklasse müssen alle Versicherungskosten entfallen!
Wer behauptet, dass solche Reformen „nicht möglich“ sind, sollte sich mit der Geschichte der Selbstverwaltung der Selbstverwaltung der Sozialversicherung auseinandersetzen. Wir malen uns diese Dinge nicht aus, sondern sie wurden schon mal in verschiedenen Ländern Realität, erkämpft vom Proletariat vor allem in den Jahren 1918/19. Diese Errungenschaften wurden ihm aber unter Führung der Sozialdemokratie entrissen und in die Hände des bürgerlichen Staates gelegt. Ähnliche Fragen der revolutionär-demokratischen Errungenschaften der Volksmassen und des Proletariats begleiteten bisher sämtliche Revolutionen und kündigten die Siege des Proletariats und seiner Verbündeten an. Es gibt dazu Beispiele aus den Fabriken, aus dem Versicherungswesen, aus der Landwirtschaft, aus der Armee, aus dem Erziehungswesen, usw. Denn überall wo das Proletariat und die Volksmassen in Bewegung geraten, verwirklichen sie je nach den konkreten Bedingungen ihre Interessen, deren Teil auch revolutionär-demokratische Forderungen sind. Es gibt also keinerlei Grund, warum Forderungen nach solchen Reformen „nicht möglich“ sein sollten, außer man ist Kleinmütig und hegt Misstrauen gegenüber den Massen. Richtig ist, dass solche Forderungen nicht erreicht werden, wenn das Proletariat und das Volk nicht als mächtige revolutionäre Kraft organisiert werden, richtig ist, dass solche Reformen nur auf dem Weg des Klassenkampfes zustande kommen, weshalb sie von vielen kleinbürgerlich und reformistisch orientierten Kräften auch abgelehnt werden.
Die Orientierung auf ein revolutionär-demokratische Ziele bereitet das Proletariat und die Volksmassen nicht nur auf noch größere Siege vor, sondern ist auch wichtig um im revolutionären Vorstoß Teilziele zu erreichen und „Befestigungen“ zu errichten, um die sich die Massen sammeln und konsolidieren können, um dann weiter vorzustoßen. Das Proletariat wird im Verlauf seines Kampfes, der auch auf solche Reformen als Nebenprodukt orientiert, viel lernen, es wird sich damit für die entscheidenden Schlachten um den Sieg des Sozialismus vorbereiten. Daher ist es unumgehbar, dass eine Kommunistische Partei auch über ein revolutionär-demokratisches Programm verfügt, welches in verschiedenen Fragen des Tageskampfes Antwort gibt und dem Proletariat und den Volksmassen den Weg über ihre großartigen und gerechtfertigten Tagesforderungen hinaus weist, in Richtung der proletarischen Revolution, in Richtung des Sozialismus!
Die Sozialversicherung unter Selbstverwaltung der Arbeiterklasse und des Volkes!
Wählbarkeit und Abwählbarkeit der Angestellten der Sozialversicherung durch die Versicherten!
Übertragung des gesamten öffentlichen Gesundheitswesens an die selbstverwaltete Sozialversicherung!
Begleichung aller Kosten des Versicherungs- und öffentlichen Gesundheitswesens durch die Kapitalisten und den bürgerlichen Staat!
[1] Das bedeutet gleichzeitig nicht, dass alles was in vorherigen Gesellschaftsformen als Erkenntnis gewonnen wurde schlecht oder minderwertig ist, nur weil man heute über höhere Erkenntnisse verfügt. Manche Erkenntnisse eilen ihrer Zeit insofern voraus, weil sie richtige Einsichten und Schlüsse aus dem vorgefundenen Material treffen, die gesamten Bedingungen der Gesellschaft aber noch nicht reif sind, um diese Erkenntnisse fest in sich zu integrieren. So erging es z.B. der Urform des Mikroskops, das in Form von Kristallen teilweise schon von der islamischen Medizin genutzt wurde aber hernach in Vergessenheit geriet, oder den im antiken Griechenland aufgestellte Thesen über Atome, die freilich noch sehr idealistisch waren, aber ebenso schon in die richtige Richtung zeigten und danach für tausende Jahre verschüttet waren. Dabei handelt es sich aber immer um einzelne Erkenntnisse und Einsichten, nicht um ganze Konzeptionen wissenschaftlicher Disziplinen, wie die Biologie am Beispiel Darwins, die durchaus eine bestimmte Komplexität gesellschaftlicher Austauschbeziehungen als Voraussetzung erfordern.
[2] Ein hervorragendes Beispiel für die zunehmende Entfesselung der Wissenschaften mit aufsteigender Gesellschaftsform, ist der Sozialismus. Erst mit der Diktatur des Proletariats herrschten vor allem in der Sowjetunion bis 1956 und in China bis 1976 Bedingungen, welche die Menschen im Klassenkampf, im wissenschaftlichen Experiment und im Produktionskampf zu höheren Ebenen vorstoßen ließen: Nicht umsonst findet die zeitgenössische Neurologie ihre Grundlagen in der sowjetischen Medizin, ebenso wie die physiologische Erkenntnis über die Hirntätigkeit durch Iwan P. Pwalow in der Sowjetunion Durchbrüche machte, die einen wissenschaftsgeschichtlichen Sprung bedeuteten: „Man kann sagen, daß der unaufhaltsame Vormarsch der Wissenschaft seit Galileis Zeiten das erstemal deutliche Zeichen eines Stehenbleibens zeigte, als sie vor dem Problem des Gehirns stand.“ (I. P. Pawlow nach: Dr. K. Keltschejew: „Pawlows Erbe“). Die Errungenschaften T. D. Lyssenkos in der Biologie wiederum wurden im Imperialismus über Jahrzehnte hinweg ignoriert und verlacht, heute finden einige seine wichtigsten Thesen Bestätigung in Form der jungen Wissenschaft der Epigenetik… Es ist daher durchaus festzuhalten, dass der Sozialismus als historisch höhere Gesellschaftsform als der Kapitalismus, auch die höhere und komplexere Form wissenschaftlicher Erkenntnis hervorbringt.
[3] Aus der Reproduktion kommt kein Mehrwert, das ist richtig. Dennoch gibt es im Gesundheitswesen immer mehr privatkapitalistische Unternehmungen, welche die dauerhafte Krise des kapitalistischen öffentlichen Gesundheitswesens noch verschärfen (Zum Beispiel indem sie Intensivbetten abbauen, wie es die 50 privatisierten Krankenhäuser im Großraum Madrid gemacht haben, die damit keine Kapazitäten mehr hatten schwere Verläufe von Corona-Erkrankungen zu versorgen und damit nicht wenig dazu beitrugen, dass Madrid und mit ihm Spanien während der „Corona-Krise“ in einer desaströsen Lage ist). Der Mehrwert, den sich staatliches und privates Kapital im Gesundheitswesen aneignen, entsteht aber in Abläufen „neben“ (bzw. vor und nach) einer Behandlung, nicht durch sie. Die wissenschaftlich zumindest angemessene und korrekte Behandlung der Fälle rückt immer stärker in den Hintergrund, da die Behandlungen, also die Reproduktion im engsten Sinne, im betriebswirtschaftlich geführten Gesundheitswesen zunehmend zu einer Nebenseite werden. Die bürgerliche Sozialwissenschaft umschreibt diese Entwicklung des Reproduktionssektors meistens mit „Ökonomisierung“.
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- Kategorie: International
Wir dokumentieren eine inoffizielle Übersetzung eines Artikels der Seite "A Nova Democracia".
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- Kategorie: BRD
Dieser kurze Artikel soll einen weiteren Aspekt der "Krisen-Poltik" bezüglich des Coronavirus anschneiden. Nicht nur die Wirtschaft stand vor einer schweren Krise, bei der eine Pandemie gerade recht kommt. Der Parlamentarismus steckt schon in einer tiefen Krise, das Volk hat kein Vertrauen mehr in die, die sie immer belogen haben, es hat kein Vertrauen mehr in seine Ausbeuter und Unterdrücker. Da bietet sich ein „gutes Krisen-Managment“ natürlich als Erfolgsgarant an, aber dafür muss erst einmal eine „Krise“ her.
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- Kategorie: Mao
Mit Anlass des Jahrestages der Pariser Kommune publizieren wir ein wichtiges Dokument aus dem revolutionären China.
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- Kategorie: BRD
In den bürgerlichen Medien ist im Augenblick eine Anschauung zur Verdeutlichung des Verhältnisses von Ausbreitung von COVID-19 und dem Zustand des Gesundheitssystems, und zur Rechtfertigung der Maßnahmen des Staates sehr präsent – die „Kurve“. Mal abgesehen davon, dass dieser Begriff unter einigen natürlich längst Mode geworden und für einige bereits von der Form zum Inhalt mutiert ist, ist die Grafik tatsächlich ein sehr treffendes Beispiel, da die Bourgeoisie hier drin die Lüge eines Staats, der das Volk „schützt“, die Abwälzung der Krise auf die Massen, und die Vertuschung dieser Machenschaften als „notwendig“ wiederbestätigt.
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- Kategorie: BRD
Die Linkspartei ist seit einer "Strategiekonferenz" viel medialer Kritik ausgesetzt und demonstriert im Umgang damit, dass ein Skandal auch das ist, was man daraus macht. Worum geht es genau? Auf besagter Strategiekonferenz sprach sich eine Teilnehmerin ohne Parteiämter für eine reformistische Handhabung von Energiepolitik aus. Um deren vermeintliche Alternativlosigkeit zu untermauern, warf sie in Form eines sarkastischen Kommentars Schmutz auf die sozialistische Revolution: "Energiewende ist auch nötig nach ‘ner Revolution. Und auch wenn wir das ein(e) Prozent der Reichen erschossen haben, ist es immer noch so, dass wir heizen wollen, wir wollen uns fortbewegen…naja, ist so, wir müssen mal von dieser Meta-Ebene runterkommen." Parteichef Riexinger reagierte darauf ebenfalls ironisch witzelnd, dass man die Reich nicht erschießen, sondern für nützliche Arbeit einsetzten würde.
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- Kategorie: BRD
Wenn wichtige Vertreter der deutschen Bourgeoisie sich in der Presse zu Wort melden, sollte man aufmerksam zuhören. Haben neulich schon Porsche und Piech in der Bild auf den Tisch gehauen, wenngleich in sehr diplomatischem Tonfall, wendet sich nun ein anderer VW-Bonze, nämlich Matthias Müller an die Springer Presse. Er schrieb einen Meinungs-Artikel für die Welt.
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- Kategorie: BRD
Für die Bild hat Christian Lindner (FDP) ein Interview gegeben. Er wurde darin vom Journalisten erinnert, dass er der Vorsitzende einer liberalen Partei ist. Weil er aber in Zeiten des Imperialismus in erster Linie ein reaktionärer Bourgeois ist, fällt seine Kritik am aktuellen Ausnahmezustand nur als zustimmendes „ja, aber“ aus.